BFH: Abrechnungsbescheid; Aufrechnung in sogenannten Bauträger-Fällen; keine Pflicht zur Verfahrensaussetzung; Auswirkungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft
- Ist am finanzgerichtlichen Klageverfahren zwischen dem Zessionar und dem Anspruchsgegner der Zedent nicht beteiligt, liegt ‑‑auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 406 des Bürgerlichen Gesetzbuchs‑‑ mangels Rechtskrafterstreckung keine Ermessensreduzierung auf null dahingehend vor, dass das Finanzgericht (FG) das Klageverfahren aussetzen müsste. Das Bestehen der rechtswegfremden Gegenforderung ist dann lediglich eine Vorfrage zur Aufrechnung und von der Entscheidungsbefugnis des FG gemäß § 17 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes umfasst.
- Umsatzsteuerrechtlicher Leistungsempfänger im Sinne des § 27 Abs. 19 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes ist bei bestehender Organschaft auch dann der Organträger, wenn zivilrechtlich die Organgesellschaft Vertragspartnerin des bauleistenden Unternehmers ist.
FGO § 74
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 27 Abs. 19
AO § 218 Abs. 2, § 226 Abs. 1 und 3
BGB § 406
GVG § 17 Abs. 2
BFH: Urteil vom 24.5.2023, XI R 45/20 (veröffentlicht am 28.9.2023)
Vorinstanz: FG Münster vom 17.6.2020, 15 K 3839/17 AO = SIS 20 13 69
I. Die Beteiligten streiten im Verfahren wegen Abrechnung darüber, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) in zulässiger Weise mit (auf der Grundlage von § 27 Abs. 19 des Umsatzsteuergesetzes ‑‑UStG‑‑) abgetretenen zivilrechtlichen Forderungen gegen Steuererstattungsansprüche der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) aufgerechnet hat.
Die Klägerin ist Bauunternehmerin und Bauträgerin. In den Jahren 2006 und 2007 bestand zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und Herrn U als Organträger und seit 2008 zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der U GmbH & Co. KG (U KG) als Organträgerin eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft.
Die Klägerin bezog Eingangsleistungen, auf die die bauleistenden Unternehmer und die Klägerin (in Übereinstimmung mit der damaligen Verwaltungsauffassung) die Regelungen zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG a.F.) anwendeten.
Nach Ergehen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.08.2013 ‑ V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) beantragten U und die U KG jeweils am 02.05.2014 die Erstattung der von ihnen als Organträger abgeführten Umsatzsteuer. Dem Erstattungsantrag kam das FA vollumfänglich nach.
Mit Schreiben vom 08.11.2016 teilte das FA der Klägerin mit, dass mehrere bauleistende Unternehmer ihre zivilrechtlichen Umsatzsteuer-Nachforderungsansprüche gegen die Klägerin an das FA abgetreten hätten. Mit diesen Forderungen rechne das FA gemäß § 226 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gegen ein Guthaben der Klägerin wegen Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2015 sowie wegen Körperschaftsteuer für das Jahr 2016 auf. Der verbleibende Erstattungsbetrag werde überwiesen.
In den vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen, vom FA übermittelten Akten befinden sich ‑‑bezogen auf jede einzelne Forderung‑‑ Abtretungsverträge, in denen der jeweilige Zedent der Forderung, das heißt der bauleistende Unternehmer hinsichtlich einer ihm im Hinblick auf § 27 Abs. 19 UStG gegen die Klägerin zivilrechtlich zustehenden Forderung auf Nachzahlung der Umsatzsteuer, die vollständige Abtretung der Forderung an das FA bestätigt und das FA die Abtretung annimmt. Die Abtretungsverträge sind jeweils durch den Zedenten und in Vertretung für das FA durch den dafür zuständigen Sachgebietsleiter unter Angabe des Datums und des Ortes unterschrieben. Der zeitlich letzte Abtretungsvertrag wurde am 06.03.2015 unterzeichnet. Den Abtretungsverträgen sind berichtigte Rechnungen der bauleistenden Unternehmer an die Klägerin mit offenem Steuerausweis beigefügt.
Mit Schriftsatz vom 09.12.2016 beantragte die Klägerin den Erlass eines Abrechnungsbescheids gemäß § 218 AO. Sie war der Auffassung, das FA sei nicht zur Aufrechnung berechtigt.
Mit Abrechnungsbescheid vom 14.02.2017 stellte das FA fest, dass sich das Erhebungskonto der Klägerin zum 30.09.2016 durch die Aufrechnungen verändert habe. Der Anspruch auf Erstattung von Körperschaftsteuer 2015 und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2015 sei durch die Aufrechnungen mit den abgetretenen zivilrechtlichen Forderungen der bauleistenden Unternehmer gegen die Klägerin in Höhe von … € erloschen. Der danach noch verbleibende Erstattungsanspruch wurde mit einer Forderung eines anderen Finanzamts wegen Lohnsteuer August 2016 aufgerechnet. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 16.11.2017).
Das FG wies die Klage, mit der die Klägerin geltend machte, dass die Aufrechnung des FA unzulässig sei, weil keine Aufrechnungslage bestehe und den bauleistenden Unternehmern keine Umsatzsteuer-Nachforderungsansprüche gegen die Klägerin zustünden, ab. Es nahm an, die vom FA erklärten Aufrechnungen hätten die im Bescheid genannten Ansprüche der Klägerin wirksam zum Erlöschen gebracht. Das Verfahren sei weder auszusetzen noch sei dem FA eine Frist zu setzen, um die abgetretenen Gegenforderungen auf dem Zivilrechtsweg feststellen zu lassen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2020, 1288 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts sowie Verfahrensfehler.
Sie macht geltend, die angeblichen zivilrechtlichen Ansprüche der bauleistenden Unternehmer wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bestünden nicht. Sie habe auf den Bestand der vertraglichen Regelungen vertraut. Außerdem habe nicht sie, die Klägerin, sondern hätten die Organträger den Antrag auf Erstattung von zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer gestellt. Weiter sei relevant, in welcher Höhe das FA auf den Umsatzsteuererstattungsantrag der Organträger gezahlt habe. Die angeblichen zivilrechtlichen Ansprüche gegen die Klägerin stünden außerdem mit den Steuererstattungsansprüchen der Klägerin nicht in Zusammenhang, was schädlich sei. Aus ihrer Sicht habe das FA wegen ihres Bestreitens der Gegenforderungen schon keine Aufrechnungsbefugnis (§ 226 Abs. 3 AO analog). Ferner habe das FA gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 226 AO i.V.m. § 242 BGB) und das Gebot der "Antragskongruenz" verstoßen. Die Aufrechnung verstoße überdies gegen das Rückwirkungsverbot, da der Erstattungsantrag von den Organträgern vor Inkrafttreten des § 27 Abs. 19 UStG gestellt worden sei. Außerdem habe das FG keine Entscheidungskompetenz in Bezug auf die Beurteilung der zivilrechtlichen Fragestellung des Bestehens des zivilrechtlichen Nachforderungsanspruchs und der damit zusammenhängenden Frage der Ordnungsgemäßheit der korrigierten Rechnungen der bauleistenden Unternehmer, weshalb es das Verfahren hätte aussetzen müssen. Das Ermessen des FG sei insoweit auf null reduziert gewesen. Das FG hätte das FA zur Klärung der zivilrechtlichen Vorfragen auf den Zivilrechtsweg verweisen müssen und hätte nicht selbst über die zivilrechtlichen Vorfragen entscheiden dürfen.
Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Abrechnungsbescheid vom 14.02.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2017 dahingehend zu ändern, dass die Ansprüche wegen Körperschaftsteuer 2015 und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2015 nicht durch Aufrechnung erloschen sind,
hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben, das Verfahren auszusetzen und dem FA eine Frist zu setzen, um die abgetretenen Gegenforderungen auf dem Zivilrechtsweg feststellen zu lassen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Zuständigkeit des erkennenden Senats ergibt sich aus Teil A, XI. Senat, Nr. 2 i.V.m. Teil A, Ergänzende Regelungen, Nr. III.4. Buchst. b und Teil A, VII. Senat, Nr. 5 Buchst. c i.V.m. Teil A, Ergänzende Regelungen, Nr. IV.1. des Geschäftsverteilungsplans des BFH. Der Senat ist für die Körperschaftsteuer der Klägerin, gegen die das FA mit zivilrechtlichen Ansprüchen aufgerechnet hat, zuständig.
III. Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zutreffend angenommen, dass die vom FA erklärten Aufrechnungen wirksam sind und das Verfahren nicht auszusetzen ist.
1. Das FG hat zu Recht angenommen, dass das FA zum Erlass eines Abrechnungsbescheids berechtigt und verpflichtet war.
a) Gemäß § 218 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO ergeht unter anderem dann ein Abrechnungsbescheid, wenn die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) und ihr Erlöschen (§ 47 AO) durch Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB) streitig sind (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19.03.2019 ‑ VII R 27/17, BFHE 263, 483, BStBl II 2020, 31, Rz 14; vom 18.02.2020 ‑ VII R 39/18, BFHE 268, 391, BStBl II 2023, 224, Rz 22). Dies gilt auch in sogenannten Bauträger-Fällen (vgl. BFH-Urteil vom 22.08.2019 ‑ V R 21/18, BFHE 266, 10, BStBl II 2020, 35, Rz 24).
b) Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen vor; denn es ist zwischen den Beteiligten streitig, ob die unstreitig bestehenden Erstattungsansprüche der Klägerin wegen Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2015 durch Aufrechnung mit zivilrechtlichen Ansprüchen der bauleistenden Unternehmer gegen die Klägerin auf Nachzahlung von Umsatzsteuer, die diese an das FA abgetreten haben, erloschen sind. Eine Klärung der Wirksamkeit der Aufrechnung eines FA erfolgt im Festsetzungsverfahren nicht (vgl. BFH-Urteil vom 23.01.2019 ‑ XI R 21/17, BFHE 264, 60, BStBl II 2019, 354, Rz 26).
2. Die in ihrer Revisionsbegründungsschrift erhobene Verfahrensrüge der Klägerin, das FG habe das Verfahren zu Unrecht nicht nach § 74 FGO ausgesetzt, obwohl eine Ermessensreduzierung auf null vorliege, greift nicht durch. Ist am Klageverfahren zwischen dem Zessionar (hier: das FA) und dem Anspruchsgegner (hier: die Klägerin) der Zedent (hier: die bauleistenden Unternehmer) nicht beteiligt, liegt keine Ermessensreduzierung auf null vor, da das Bestehen der rechtswegfremden Gegenforderung dann von der Entscheidungsbefugnis der Finanzgerichtsbarkeit gemäß § 17 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) umfasst ist.
a) Es trifft zwar zu, dass nach der Rechtsprechung des BFH ein Finanzgericht in bestimmten Fällen verpflichtet ist, ein bei ihm anhängiges Klageverfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen (Ermessensreduzierung auf null). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn im Falle der Aufrechnung die Gegenforderung ‑‑wie im Streitfall‑‑ nicht rechtskräftig festgestellt ist und vom Anspruchsgegner bestritten wird. In einem solchen Fall darf das Gericht über das Bestehen der rechtswegfremden Gegenforderung grundsätzlich nicht entscheiden, sondern muss das Verfahren aussetzen, bis das zuständige Gericht über den Bestand der zur Aufrechnung gestellten, vom Anspruchsgegner bestrittenen zivilrechtlichen Forderung entschieden hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 09.04.2002 ‑ VII B 73/01, BFHE 198, 55, BStBl II 2002, 509, unter II.1.; vom 01.12.2004 ‑ VII B 245/04, BFH/NV 2005, 711; vom 19.02.2007 ‑ VII B 253/06, BFH/NV 2007, 968; BFH-Urteil vom 31.05.2005 ‑ VII R 56/04, BFH/NV 2005, 1759). Ein Verstoß hiergegen ist ein Verfahrensfehler (vgl. BFH-Beschluss vom 09.04.2002 ‑ VII B 73/01, BFHE 198, 55, BStBl II 2002, 509, unter II.1. und II.2.).
b) Zu dieser Ermessensreduzierung auf null kommt es jedoch nicht ausnahmslos. Sie scheidet zum Beispiel in den Fällen aus, in denen ein Zessionar klagt und ihm gegenüber nach § 406 BGB mit einer Forderung gegen den Zedenten aufgerechnet wird. Insoweit kommt es nicht zu der Rechtskraftwirkung nach § 322 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) für den Zedenten, da sich die Rechtskraft eines Urteils nur auf die Beteiligten des Verfahrens und ihre Rechtsnachfolger (§ 110 Abs. 1 FGO, § 325 Abs. 1 ZPO) erstreckt, nicht aber auf am Verfahren nicht beteiligte Dritte wie im Falle der Abtretung der Zedent als Rechtsvorgänger des an dem Prozess beteiligten Zessionars (vgl. BFH-Beschlüsse vom 06.08.1985 ‑ VII B 3/85, BFHE 144, 207, BStBl II 1985, 672, unter I.3.d; vom 01.12.1992 ‑ VII B 229/91, BFH/NV 1994, 479, unter II. a.E.; vom 25.11.1997 ‑ VII B 146/97, BFHE 184, 242, BStBl II 1998, 200, unter 2.b; BFH-Urteile vom 23.02.1988 ‑ VII R 52/85, BFHE 152, 317, BStBl II 1988, 500, unter 4.; vom 01.08.2017 ‑ VII R 12/16, BFHE 259, 207, BStBl II 2018, 737, Rz 15: Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 74 FGO Rz 74). Ist danach am Klageverfahren zwischen dem Zessionar und dem Anspruchsgegner ‑‑wie hier‑‑ der Zedent nicht beteiligt, liegt ‑‑auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 406 BGB‑‑ mangels Rechtskrafterstreckung keine Ermessensreduzierung auf null vor. Das Bestehen der rechtswegfremden Gegenforderung ist in einem solchen Fall auch dann lediglich eine Vorfrage zur Aufrechnung und von der Entscheidungsbefugnis der Finanzgerichtsbarkeit gemäß § 17 Abs. 2 GVG umfasst (vgl. BFH-Urteil in BFHE 259, 207, BStBl II 2018, 737, Rz 16).
c) Das FG hat das ihm zustehende Ermessen, ob es gemäß § 74 FGO aussetzt (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 144, 207, BStBl II 1985, 672; BFH-Urteil in BFHE 259, 207, BStBl II 2018, 737, Rz 19), in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgeübt, dass es nicht aussetzt. Die umfangreich vorhandene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu den zivilrechtlichen Fragen des Streitfalls und die bisher höchstrichterlich nicht geklärte umsatzsteuerrechtliche Frage, welche Bedeutung eine Organschaft insoweit hat, sprechen für die vom FG präferierte Entscheidung auf dem Finanzrechtsweg.
d) Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) wird durch die Entscheidung des FG über die rechtswegfremden Vorfragen nicht verfassungswidrig eingeschränkt (vgl. allgemein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 14.02.2016 ‑ 1 BvR 3514/14, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungs-Report ‑‑NVwZ‑RR‑‑ 2016, 361, Rz 7); denn gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Dies bedeutet nach allgemeinem Verständnis, dass es auch rechtswegfremde, entscheidungserhebliche Vorfragen prüft und über sie entscheidet (vgl. BVerfG-Beschluss vom 29.07.2010 ‑ 1 BvR 1634/04, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2010, 1482, Rz 51). Das Bestehen der abgetretenen Gegenforderung und die zivilrechtlichen Einwendungen der Klägerin werden entweder ‑‑wie im Streitfall wegen der Nichtaussetzung gemäß § 74 FGO‑‑ als Vorfragen in vollem Umfang von den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit oder ‑‑im Falle der Aussetzung unter Verweis auf den Zivilrechtsweg (§ 74 FGO)‑‑ von den ordentlichen Gerichten geprüft.
e) Tatsachen, die bei der Klägerin die Sorge begründen könnten, die zivilrechtlichen Vorfragen wären auf dem Finanzrechtsweg nicht in verfassungsrechtlich hinreichender Weise geprüft worden, sind nicht ersichtlich. Das Gegenteil zeigt sich im Streitfall unter anderem daran, dass umfangreiche Rechtsprechung des BGH zum Bestand und Inhalt der zivilrechtlichen Gegenforderung vorhanden ist, auf die das FG zurückgegriffen hat und der es in vollem Umfang gefolgt ist.
3. Zutreffend hat das FG weiter angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach § 226 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB im Streitfall erfüllt sind.
a) Nach § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrechnung gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Gemäß § 387 BGB können Forderungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, gegeneinander aufgerechnet werden, sobald die eine Leistung gefordert und die andere Leistung bewirkt werden kann. Eine Aufrechnung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis setzt mithin voraus, dass im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung (vgl. BFH-Beschluss vom 12.07.1999 ‑ VII B 29/99, BFH/NV 2000, 4, unter 1.a) eine Aufrechnungslage besteht, das heißt die Forderung des Aufrechnenden, mit der aufgerechnet werden soll (sogenannte Gegenforderung), entstanden und auch fällig ist, und die Forderung des Aufrechnungsgegners, gegen die aufgerechnet werden soll (sogenannte Hauptforderung), bereits entstanden und schon erfüllbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 13.01.2000 ‑ VII R 91/98, BFHE 191, 5, BStBl II 2000, 246, unter 1., m.w.N.). Die erfolgreiche Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389 BGB). Dies gilt auch für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 47, § 226 Abs. 1 AO).
b) Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen der Aufrechnung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des FA am 08.11.2016 vorlagen.
aa) Der Klägerin stand gegen das FA zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Erstattungsanspruch aus Körperschaftsteuer 2015 und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 2015 ‑‑wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig‑‑ eine erfüllbare Hauptforderung zu.
bb) Wie das FG in seinem Urteil in EFG 2020, 1288, Rz 33 ff. entschieden hat, waren die Gegenforderungen, mit denen das FA aufgerechnet hat, entstanden. Die bauleistenden Unternehmer verfügten jeweils über einen gleichartigen Anspruch gegen die Klägerin auf Nachforderung von Umsatzsteuer aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB sowie aus ergänzender Vertragsauslegung. Soweit ein Erstattungsantrag der U KG (und des U) vor Inkrafttreten des § 27 Abs. 19 UStG gestellt wurde, vermag dies nichts am Entstehen des zivilrechtlichen Anspruchs auf Nachforderung der Umsatzsteuer zu ändern. Der Entstehung der zivilrechtlichen Ansprüche auf Nachforderung der Umsatzsteuer kann nicht entgegengehalten werden, dass die Umsatzsteuerfestsetzungen der Bauleistenden nicht hätten geändert werden können und dürfen. Diese zivilrechtlichen Ansprüche sind im Verhältnis zwischen den Bauleistenden und der Klägerin entstanden, da zwischen ihnen der jeweilige Vertrag über die Erbringung der Bauleistung abgeschlossen worden ist. Dass die Klägerin umsatzsteuerrechtlich als Organgesellschaft zum Unternehmen der Organträger gehörte und die Organträger Erstattung beantragten, steht dem nicht entgegen. Eine Nettopreis-Abrede wurde nicht getroffen. Ob die Organträger tatsächlich eine Erstattung erhalten hätten, musste nach Auffassung des FG nicht geprüft werden.
cc) Diese Beurteilung des FG ist frei von Rechtsfehlern und hält den Angriffen der Revision stand.
(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH steht einem Bauunternehmer bei einem vor dem Erlass des BFH-Urteils in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 abgeschlossenen Bauvertrag mit einem Bauträger aufgrund ergänzender Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags gegen seinen Vertragspartner zu, wenn beide Vertragsparteien übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers gemäß § 13b UStG ausgegangen sind, der Bauträger die auf die erbrachten Leistungen des Bauunternehmers entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt hat und wegen eines Erstattungsverlangens des Bauträgers für den Bauunternehmer die Gefahr besteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen (vgl. BGH-Urteile vom 17.05.2018 ‑ VII ZR 157/17, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2018, 661; vom 10.01.2019 ‑ VII ZR 6/18, HFR 2019, 329; vom 10.01.2019 ‑ VII ZR 7/18, juris; vom 16.07.2020 ‑ VII ZR 204/18, HFR 2020, 958; vom 14.10.2021 ‑ VII ZR 242/20, HFR 2022, 93). Dem folgt der BFH auch in der rechtlichen Einordnung (vgl. BFH-Urteil vom 23.01.2019 ‑ XI R 21/17, BFHE 264, 60, BStBl II 2019, 354, Rz 23 f., m.w.N.). Ausreichend für das Entstehen dieses Anspruchs ist, dass wegen eines Erstattungsverlangens des Bauträgers für den Bauunternehmer die Gefahr besteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen. Diese Gefahr besteht bereits dann, wenn eine Finanzbehörde (und sei es auch unter etwaiger fehlerhafter Beurteilung der Rechtslage) den Bauunternehmer auf der Grundlage des § 27 Abs. 19 UStG als Steuerschuldner in Anspruch nimmt, weil der Bauträger hinsichtlich der von ihm abgeführten Umsatzsteuer einen Erstattungsantrag gestellt hat (vgl. BGH-Urteil in HFR 2022, 93, Rz 29).
(2) Bezogen auf den Streitfall bestand diese Gefahr; denn beide Vertragsparteien haben nach den tatsächlichen Feststellungen des FG bei Vertragsschluss übereinstimmend angenommen, dass Schuldner der Umsatzsteuer entsprechend der früheren Verwaltungspraxis der Finanzverwaltung nicht die bauleistenden Unternehmer, sondern die jeweilige Leistungsempfängerin (das heißt die Klägerin oder ‑‑bei Kenntnis der bauleistenden Unternehmer vom Vorliegen einer Organschaft‑‑ der jeweilige Organträger) sei. Ihr übereinstimmendes Verständnis war damit, dass die auf die Bauleistungen entfallende Umsatzsteuer von der Leistungsempfängerin (der Klägerin oder den Organträgern) getragen werden sollte. Der an die bauleistenden Unternehmer gezahlte Betrag sollte danach ein Nettobetrag (ohne Umsatzsteuer) sein und insgesamt der Bruttobetrag gezahlt werden (teilweise von der Klägerin an die bauleistenden Unternehmer und teilweise von den Organträgern an das FA sowie im Wege des Innenausgleichs von der Klägerin an die Organträger). Mit dem Erstattungsantrag der Organträger wurde jedoch klar, dass es dabei nicht bleiben sollte. Für die bauleistenden Unternehmer wurde spätestens aufgrund der Aufforderung des FA, ihre zivilrechtlichen Ansprüche gegen die Klägerin an das FA abzutreten, offenbar, dass für sie, die bauleistenden Unternehmer, die Gefahr besteht, dass das FA gegen sie nach § 27 Abs. 19 UStG vorgehen werde.
(3) Dieser Beurteilung stehen ‑‑entgegen der Auffassung der Klägerin‑‑ die bestehenden beiden Organschaften nicht entgegen (vgl. dazu auch Urteile des Oberlandesgerichts ‑‑OLG‑‑ Hamm vom 18.06.2020 ‑ 24 U 64/19, NJW‑RR 2020, 1146, Rz 88 ff.; OLG Stuttgart vom 03.03.2020 ‑ 10 U 406/19, Immobilien‑ und Baurecht ‑‑IBR‑‑ 2022, 58, Rz 3, 42, 46 und 80; nachgehend dazu BGH-Beschluss vom 13.01.2021 ‑ VII ZR 46/20, juris).
(a) Es trifft zwar im Ausgangspunkt zu, dass die Klägerin auch als Organgesellschaft weiter selbständig im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG war (vgl. BFH-Urteil vom 18.01.2023 ‑ XI R 29/22 (XI R 16/18), Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2023, 638; BFH-Beschluss vom 26.01.2023 ‑ V R 20/22 (V R 40/19), BStBl II 2023, 530). Auch blieb die Klägerin, wie sie zu Recht geltend macht, zivilrechtlich selbständig, so dass auch die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten des Organkreises keine Veränderung erfuhren (vgl. BFH-Beschluss vom 30.11.2011 – VII B 99/11, BFH/NV 2012, 805; BFH-Urteil vom 14.03.2012 ‑ XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, Rz 36; BGH-Urteil vom 29.01.2013 ‑ II ZR 91/11, HFR 2013, 537, Rz 12). Das FG hat deshalb zu Recht angenommen, dass sich der zivilrechtliche Nachzahlungsanspruch der bauleistenden Unternehmer trotz der Organschaft gegen die Klägerin richtet.
(b) Dies führt jedoch, anders als die Klägerin meint, nicht dazu, dass der Erstattungsanspruch nicht im Sinne des § 27 Abs. 19 UStG vom Leistungsempfänger gestellt worden wäre. Umsatzsteuerrechtlich werden jegliche Ausgangsumsätze (vgl. BFH-Urteile vom 22.02.2017 ‑ XI R 13/15, BFHE 257, 160, BStBl II 2021, 782, Rz 45; in DStR 2023, 638, Rz 23) und Leistungsbezüge (vgl. BFH-Urteile vom 03.04.2003 ‑ V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434, unter II.1.; vom 10.11.2010 ‑ XI R 25/08, BFH/NV 2011, 839, Rz 18; vom 29.01.2014 ‑ XI R 4/12, BFHE 244, 131, Rz 33) im Verhältnis zu Dritten dem Organträger, der nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG unionsrechtskonform zum einzigen Steuerpflichtigen der Organschaft bestimmt ist (BFH-Urteil in DStR 2023, 638, Rz 23 ff.), zugerechnet, so dass zum Beispiel auch ihm (und nicht der Organgesellschaft) ein gegebenenfalls bestehendes Recht auf Vorsteuerabzug zusteht. Das bedeutet, dass umsatzsteuerrechtlich die Organträger Leistungsempfänger der Leistungen der Bauunternehmer waren und daher auch die umsatzsteuerrechtlichen Leistungsempfänger im Sinne des § 27 Abs. 19 UStG den Erstattungsantrag gestellt haben, obwohl zivilrechtlich die Klägerin Vertragspartnerin (und damit zivilrechtliche Leistungsempfängerin und Zahlungsverpflichtete) war.
(c) Wegen dieser unterschiedlichen Sichtweisen des Zivilrechts und des Umsatzsteuerrechts kann es zwar sein, dass aufgrund des Erstattungsantrags der Organträger ein Gesamtschuldnerausgleich zwischen der Klägerin und ihren jeweiligen Organträgern erforderlich werden kann oder ein bereits erfolgter Ausgleich rückgängig gemacht werden muss. Dies hat jedoch, worauf das FG zu Recht hingewiesen hat, mit den Organträgern nach bürgerlichem Recht entsprechend § 426 BGB zu erfolgen (vgl. BGH-Urteil in HFR 2013, 537, Rz 10 und 15 ff.; BFH-Beschluss vom 20.02.2018 ‑ XI B 129/17, BFH/NV 2018, 641, Rz 28), worüber vorliegend nicht zu befinden ist. Ob und wie der zivilrechtliche Innenausgleich im Zeitpunkt des Leistungsbezugs vorgenommen worden ist und ob er aufgrund der Erstattungsanträge gegebenenfalls rückgängig gemacht werden muss, bedarf deshalb keiner weiteren Aufklärung.
(d) Auf die Frage, welche Auswirkungen eine auf Seiten des bauleistenden Unternehmers bestehende Organschaft auf § 27 Abs. 19 UStG hat (vgl. dazu Urteil des Sächsischen FG vom 03.02.2021 ‑ 2 K 763/20, EFG 2021, 1235; Aktenzeichen des BFH: V R 5/21), kommt es hier nicht an.
(4) Ist danach für das Entstehen des zivilrechtlichen Anspruchs der bauleistenden Unternehmer gegen die Klägerin auf Nachzahlung der Umsatzsteuer nur entscheidend, dass für die bauleistenden Unternehmer die Gefahr bestand, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer an das FA abführen zu müssen, kommt es entgegen der Auffassung der Revision für das Entstehen dieses zivilrechtlichen Anspruchs der bauleistenden Unternehmer nicht darauf an, in welcher Höhe das FA Zahlungen an die Organträger der Klägerin geleistet hat, zumal es an der Klägerin gewesen wäre, im Rahmen einer sekundären Darlegungslast detailliert vorzutragen, in welchen Fällen ein Erstattungsantrag ihrer Organträger fehlt (vgl. Urteil des OLG Stuttgart in IBR 2022, 58, Rz 3, 46, 57). Auch musste das FG nicht der Frage nachgehen, ob die Inanspruchnahme der Bauunternehmer gemäß § 27 Abs. 19 UStG umsatzsteuerrechtlich zu Recht erfolgt. Unerheblich ist außerdem, ob als Anspruchsteller der bauleistende Unternehmer oder die Finanzverwaltung auftritt (BGH-Urteil in HFR 2020, 958, Rz 19) und ob der bauleistende Unternehmer die geschuldete Umsatzsteuer aufgrund insolvenzrechtlicher Vorschriften gegebenenfalls nicht in voller Höhe an den Fiskus wird abführen müssen (BGH-Urteil in HFR 2020, 958, Rz 20). Es kommt überdies ‑‑anders als die Klägerin meint‑‑ nicht darauf an, dass die Organträger der Klägerin nach Angaben der Klägerin bei Rückforderung der von ihnen zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer nicht wussten und auch nicht wissen mussten, dass dies zu einer Belastung der leistenden Unternehmer führen würde, sondern davon ausgegangen sind, die Erstattung werde wegen der vertrauensschützenden Regelung des § 176 Abs. 2 AO keine Auswirkungen auf die Steuerfestsetzung gegen die leistenden Unternehmer haben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 57).
(5) Dass das BFH-Urteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 Auswirkungen auf bestehende Vertragsverhältnisse hat, indem es zu einem Nachzahlungsanspruch infolge ergänzender Vertragsauslegung führt, verstößt nach übereinstimmender Rechtsprechung des BGH und des BFH nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot (vgl. BFH-Urteil vom 23.02.2017 ‑ V R 16, 24/16, BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 62; BGH-Urteile in HFR 2019, 329, Rz 18; vom 10.01.2019 ‑ VII ZR 7/18, juris, Rz 18; in HFR 2020, 958, Rz 15). Die Revision zeigt keine Argumente auf, die Anlass dazu gäben, von dieser Rechtsprechung abzurücken.
(6) Die Berufung der Klägerin auf Vertrauensschutz greift schon deshalb nicht durch, weil kein schützenswertes Vertrauen besteht. Es entsprach dem Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss, dass die Bauträger die (nicht als Vorsteuer abziehbare) Umsatzsteuer auf die von ihnen bezogenen Bauleistungen tragen (vgl. Urteil des OLG Köln vom 30.03.2022 ‑ 16 U 113/21, DStR 2022, 2333, Rz 57). Bei Vertragsschluss bestand daher kein Vertrauen der Klägerin, dass sie die Leistungen ohne Belastung mit Umsatzsteuer werde beziehen können. Ein solches Vertrauen konnte sich auch nicht als Folge des BFH-Urteils in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 bilden. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, ist nach der Rechtsprechung des BFH das Interesse der Organträger der Klägerin und der Klägerin an der Ausnutzung von steuerrechtlichen Zufallsgewinnen ("windfall profits") unter Berücksichtigung der Interessenlage aller Beteiligten nicht schutzwürdig, weil die Möglichkeit zu einem umsatzsteuerrechtlich unbelasteten Leistungsbezug systemwidrig ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 57; in BFHE 264, 60, BStBl II 2019, 354, Rz 23; s.a. BFH-Beschluss vom 23.09.2020 ‑ XI R 22/18, BFHE 270, 562, BStBl II 2021, 325, Rz 60). Ziel des Regelungskonzepts des § 27 Abs. 19 UStG, den der BFH in ständiger Rechtsprechung als verfassungsgemäß ansieht, ist es, tatsächliche Zahlungsvorgänge möglichst durch Abtretung (§ 27 Abs. 19 Satz 4 UStG) und Aufrechnung (§ 37 Abs. 1 AO, § 226 Abs. 1 AO, § 389 BGB) zu ersetzen, um zu einem Nullsummenspiel für alle Beteiligten zu kommen (Kessens, Zeitschrift für das gesamte Mehrwertsteuerrecht 2019, 308, 315), damit die Umsatzsteuer dadurch letztlich dort ankommt, wo sie materiell-rechtlich auch hingehört, nämlich beim Fiskus (Meixner/Schröder, DStR 2022, 2235, 2236). Dass die abtretbaren Ansprüche als Folge des BFH-Urteils in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 entstanden sind, entspricht der oben genannten Rechtsprechung des BGH. Die zutreffende Lastenverteilung innerhalb des Organkreises sichert der interne Gesamtschuldnerausgleich analog § 426 BGB.
(7) Entgegen der Annahme der Klägerin würde es für den Anspruch aus ergänzender Vertragsauslegung auch nicht an einer formellen Voraussetzung fehlen, wenn keine Rechnungen mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer erteilt worden wären. Das Fehlen einer Rechnung mit offenem Steuerausweis würde die Entstehung des zivilrechtlichen Anspruchs der bauleistenden Unternehmer gegen die Klägerin auf Zahlung des Umsatzsteueranteils nicht hindern, sondern könnte nur dazu führen, dass die Zahlung nur Zug um Zug gegen Vorlage der Rechnung verlangt werden kann (vgl. BGH-Urteil in HFR 2020, 958, Rz 21). Im Streitfall liegen allerdings Rechnungen der bauleistenden Unternehmer mit offenem Steuerausweis vor, die sich bei den Akten befinden. Nach den Feststellungen des FG (in EFG 2020, 1288, Rz 61) wurde bei keiner Rechnung auch nur ein Rechnungsmerkmal im Sinne des § 14 Abs. 4 UStG benannt, das den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen soll. Gleiches gilt für das Vorbringen im Revisionsverfahren.
(8) Der Vortrag, dass nach der Rechtsprechung des BFH in Fällen des § 27 Abs. 19 UStG Fragen des Erhebungsverfahrens bereits im Festsetzungsverfahren geklärt werden müssen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 38), verhilft der Revision ebenfalls nicht zum Erfolg. Für den Leistungsempfänger gilt die Trennung von Festsetzungs- und Erhebungsverfahren unverändert fort, so dass es für das Änderungsbegehren des Leistungsempfängers auf eine für das FA bestehende Aufrechnungsmöglichkeit nicht ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.2018 ‑ V R 49/17, BFHE 262, 571, BStBl II 2019, 109, Rz 20). Konnte das FA die niedrigere Festsetzung der Umsatzsteuer der Organträger nicht mit dieser Begründung verweigern, kann nun auch die Klägerin der Aufrechnung des FA nicht entgegenhalten, dass das FA seine Aufrechnungsmöglichkeit (und damit den Bestand der abgetretenen Forderung) bereits im Festsetzungsverfahren der Organträger hätte prüfen müssen.
(9) Ebenfalls zutreffend hat das FG die Einrede, die Ansprüche seien verjährt, für nicht durchgreifend erachtet. Die zivilrechtliche Verjährungsfrist für derartige Ansprüche war im Jahr 2016 noch nicht abgelaufen (vgl. BGH-Urteil in HFR 2019, 329, Rz 29).
dd) Die erforderliche Gegenseitigkeit wurde im Streitfall, wie das FG (in EFG 2020, 1288, Rz 47 ff.) zutreffend angenommen hat, dadurch hergestellt, dass die bauleistenden Unternehmer ihre Ansprüche an das FA abgetreten haben. Das Vorliegen einer Organschaft ändert daran nichts (s. oben III.3.b cc (3)). Die abgetretenen Ansprüche waren abtretbar (vgl. BFH-Urteil in BFHE 264, 60, BStBl II 2019, 354, Rz 23 m.w.N.).
ee) Weiterhin war ‑‑entgegen der Auffassung der Revision‑‑ die Aufrechnungsbefugnis des FA nicht analog § 226 Abs. 3 AO eingeschränkt, weil diese Regelung ausdrücklich nur für die Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen gilt; die Finanzbehörde kann folglich auch mit bestrittenen Forderungen aufrechnen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 259, 207, BStBl II 2018, 737, Rz 18; Steinhauff in HHSp, § 34 FGO Rz 66; Rozek in HHSp, § 226 AO Rz 76, 140; Thürmer in HHSp, § 74 FGO Rz 71; Loose in Tipke/Kruse, § 226 AO Rz 39). Für eine Analogie zu § 226 Abs. 3 AO fehlt es angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts an einer Lücke und besteht angesichts der unter III.2. dargestellten Rechtsprechung zu § 74 FGO kein Bedürfnis.
ff) Es ist weder treuwidrig noch eine unzulässige Rechtsausübung, wenn sich das FA zur Vermeidung steuerrechtlicher Zufallsgewinne die Ansprüche der bauleistenden Unternehmer abtreten lässt, um mit diesen Ansprüchen gegen den Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen aufzurechnen (vgl. BGH-Urteil in HFR 2022, 93, Rz 41 ff.; zum Antrag des Erstattungsberechtigten vgl. BFH-Urteil in BFHE 262, 571, BStBl II 2019, 109, Rz 21).
Dass dies in Organschafts-Konstellationen dazu führt, dass anschließend gegebenenfalls ein interner Gesamtschuldnerausgleich unter den Mitgliedern des Organkreises (vgl. allgemein BGH-Urteil in HFR 2013, 537, Rz 10 und 15 ff.) erforderlich werden kann oder ein früherer Gesamtschuldnerausgleich rückgängig gemacht werden muss, um zwischen der Klägerin und ihren Organträgern (wieder) eine zutreffende interne Lastenverteilung herzustellen, macht das Verhalten des FA nicht treuwidrig. Eine Aufrechnung des FA mit den Erstattungsansprüchen der Organträger war mangels Gegenseitigkeit unmöglich, weil sich die abgetretenen Nachzahlungsansprüche der bauleistenden Unternehmer gegen die Klägerin als zivilrechtliche Vertragspartnerin und nicht gegen die umsatzsteuerrechtlichen Leistungsempfänger richteten.
4. Soweit das FA im angefochtenen Abrechnungsbescheid die Aufrechnung des verbleibenden Guthabens mit Lohnsteuer für den Monat August 2016 für rechtmäßig gehalten hat, sind Rechtsfehler weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich.
5. Falls der Hilfsantrag der Klägerin als Antrag zu verstehen sein sollte, das Revisionsverfahren XI R 45/20 auszusetzen, hat dieser Antrag aus den unter III.2. genannten Gründen keinen Erfolg.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
7. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
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