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BFH: Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist für den Erlass eines Grunderwerbsteuerbescheids

Bei einer Besteuerung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) kommt einer Anzeige nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG oder nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG jedenfalls dann keine die Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung) beendende Wirkung für die Feststellungs- und für die Festsetzungsfrist der zu erlassenden Bescheide zu, wenn die nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG erforderlichen Angaben in Bezug auf ein Grundstück vollständig fehlen.

AO § 163, § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 171 Abs. 10, § 227
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4,
§ 20 Abs. 1 Nr. 2 und 3

BFH-Urteil vom 25.04.2023, II R 10/21 (veröffentlicht am 31.8.2023)

Vorinstanz: FG Münster vom 18.03.2021 ‑ 8 K 3173/18 GrE = SIS 21 06 54

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein Kirchenkreis in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er war in Höhe von 50 % an einer grundbesitzenden gemeinnützigen GmbH (gGmbH) beteiligt. Mitgesellschafter der gGmbH war in Höhe von 50 % ein eingetragener Verein. Dieser übertrug nach seiner Auflösung mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13.03.2013 (Anteilsübertragungsvertrag) seinen 50 %-Anteil an der gGmbH auf den Klä­ger. Die Grundstücke der gGmbH lagen in verschiedenen Finanzamtsbezirken.

Der Erwerbsvorgang in Bezug auf die Anteile der gGmbH wurde dem Beklag­ten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) am 26.03.2013 durch den No­tar und am 27.03.2013 durch den Kläger angezeigt. Der Kläger übersandte dem FA im Rahmen der Anzeige die Vertragsurkunde und eine Grundstücks­liste. Die nach dem Anteilsübertragungsvertrag erforderliche Genehmigung durch die Landeskirche wurde am 18.04.2013 erteilt. Der beurkundende Notar teilte auf Nachfrage des FA mit, dass der Anteilsübertragungsvertrag am 06.05.2013 wirksam geworden sei.

Das FA erkannte nach Erlass des Bescheids vom 25.09.2013 über die geson­derte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer nach § 17 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 3a des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung (GrEStG) "für den am 13.03.2013 durch Anteils­übertragungsvertrag" "verwirklichten Erwerbsvorgang" durch "Vereinigung der Anteile i.S.v. § 1 Abs. 3 Nrn. 1 oder 2 GrEStG" (Feststellungsbescheid), dass in der ursprünglich durch den Kläger übersandten Grundstücksliste zwei Grundstücke nicht erfasst worden waren. Nachdem der Kläger im Jahr 2014 eine ergänzte Grundstücksliste übermittelt hatte, erließ das FA am 07.10.2014 einen geänderten Feststellungsbescheid, der auch diese Grundstücke erfasste. Die in dem Bescheid vorgesehenen Spalten für die Angaben zur Steuerbefrei­ung des Erwerbsvorgangs waren von dem FA durchgestrichen worden. Der Be­scheid wurde bestandskräftig. Für den in seinem Bezirk belegenen Grundbesitz erließ das FA am 19.12.2017 Bescheide über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Grunderwerbsteuer auf den 13.03.2013 (Wertfeststellungsbescheide), die ebenfalls bestandskräftig wurden.

Mit Bescheid vom 23.01.2018 (Grunderwerbsteuerbescheid) setzte das FA Grunderwerbsteuer fest. Gegen den Grunderwerbsteuerbescheid legte der Klä­ger Einspruch ein. Dieser wurde mit Einspruchsentscheidung vom 11.09.2018 als unbegründet zurückgewiesen.

Die vor dem Finanzgericht (FG) erhobene Klage, mit der der Kläger zum einen die Rechtswidrigkeit des Grunderwerbsteuerbescheids in Gestalt der Ein­spruchsentscheidung geltend machte und zum anderen seinen zwischenzeitlich durch das FA abgelehnten Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Bil­ligkeitsgründen (§§ 163, 227 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) weiter verfolgte, hatte keinen Erfolg. Das FG führte zur Begründung aus, dass hinsichtlich der Grunderwerbsteuer bei Erlass des Bescheids vom 23.01.2028 noch keine Fest­setzungsverjährung eingetreten sei. Die Wertfeststellungsbescheide vom 19.12.2017 seien Grundlagenbescheide, die den Ablauf der Festsetzungsfrist des Grunderwerbsteuerbescheids gehemmt hätten. Die beantragte Steuerbe­freiung könne nicht gewährt werden, da der Feststellungsbescheid vom 07.10.2014 diese ‑‑bindend‑‑ versagt habe. Im Hinblick auf die Billigkeitsmaß­nahme habe das FA sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 813 veröffentlicht.

Mit seiner Revision macht der Kläger sinngemäß eine Verletzung von §§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 171 Abs. 10 AO und §§ 163, 227 AO geltend. Der Grunderwerbsteuerbescheid sei nach Eintritt der Festsetzungsverjährung erlassen worden. Die dreijährige Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO sei nicht eingetreten; die im Jahre 2013 eingereichten Anzeigen seien ordnungsgemäß gewesen. Die Wertfeststellungs­bescheide stellten bezüglich des Grunderwerbsteuerbescheids keine Grundla­genbescheide dar und würden daher den Ablauf der Festsetzungsfrist für den Grunderwerbsteuerbescheid nicht hemmen. Die Grundlagenbescheide vom 25.09.2013 und vom 07.10.2014 seien unbestimmt und deshalb nichtig. Aus dem Durchstreichen der Spalte "Steuerbegünstigung" im geänderten Feststel­lungsbescheid habe der Kläger nicht ableiten müssen, dass hierdurch bereits eine Entscheidung über die Besteuerung und zur Versagung der Steuerbe­günstigung getroffen worden sei. Dem zum damaligen Zeitpunkt nicht vertre­tenen Kläger sei nicht zumutbar gewesen, den geänderten Feststellungsbe­scheid anzufechten. Vielmehr habe er damit rechnen können, dass über die Steuerbefreiung erst im Grunderwerbsteuerbescheid entschieden und eine sol­che bejaht werden würde. Deshalb sei die Grunderwerbsteuer zumindest aus sachlichen Billigkeitsgründen mit 0 € festzusetzen.

Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 23.01.2018 und die Einspruchsentscheidung vom 11.09.2018 aufzuheben,
hilfsweise,
das FA zu verpflichten, die Grunderwerbsteuer im Bescheid vom 23.01.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.09.2018 aus Billigkeitsgründen abweichend auf 0 € festzusetzen.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Festsetzungsfrist für den Grunderwerbsteuerbescheid sei wegen der An­laufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG frühestens am 31.12.2020 abgelaufen, da keine ordnungsgemäßen Anzeigen über die betrof­fenen Grundstücke gegenüber dem FA gemacht worden seien. Die Vorausset­zungen für eine Steuerfestsetzung auf 0 € im Billigkeitsweg lägen nicht vor.

II. Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass bei Er­lass des Grunderwerbsteuerbescheids noch keine Festsetzungsverjährung ein­getreten war und die rechtmäßig festgesetzte Grunderwerbsteuer nicht im Bil­ligkeitsweg nach § 163 Satz 1 AO auf 0 € herabzusetzen war.

1. Der Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids vom 23.01.2018 war nicht we­gen Festsetzungsverjährung unzulässig (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Er erging in­nerhalb der Festsetzungsfrist.

a) Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) und beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Abweichend hiervon bestimmt § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO unter anderem für Fälle, in denen eine Anzeige zu erstatten ist, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten auf die Steuerentstehung folgenden Kalenderjahres. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO soll verhindern, dass die Festsetzungsfrist schon beginnt, bevor die Finanzbehörde etwas vom Entstehen des Steueranspruchs erfahren hat. Der Steuerpflichtige soll nicht durch einen Verstoß gegen seine Anzeigepflicht die der Finanzbehör­de zur Verfügung stehende Zeit zur Prüfung des Steuerfalls verkürzen können (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 23.05.2012 ‑ II R 56/10, Rz 10).

b) Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG müssen die beurkundenden Notare, nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 GrEStG müssen Steuerschuldner über die Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG Anzeige erstatten. Die Anzeigen sind innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von dem anzeige­pflichtigen Vorgang vorzunehmen, und zwar auch dann, wenn der Vorgang von der Besteuerung ausgenommen ist (§§ 18 Abs. 3, 19 Abs. 3 GrEStG). Die Anzeigen sind an das für die Besteuerung, in den Fällen des § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG an das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt zu rich­ten (§§ 18 Abs. 5, 19 Abs. 4 Satz 1 GrEStG). Die Anzeigen der Steuerschuld­ner sind Steuererklärungen im Sinne der Abgabenordnung (§ 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG).

In dem mehrstufigen Verfahren der Festsetzung der Grunderwerbsteuer haben die Anzeigen in Bezug auf die Beendigung der Anlaufhemmung sowohl für die Feststellungsfrist als auch für die Festsetzungsfrist Bedeutung. Durch den Feststellungbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG werden unter an­derem die Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs dem Grunde nach, die Steuer­schuldner und die Grundstücke, die von dem Erwerbsvorgang betroffen sind, festgestellt. Erst aufgrund dieses Bescheids kann die gesonderte Wertfeststel­lung gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes für die betrof­fenen Grundstücke erfolgen, weil vorher nicht feststeht, dass und für welche Grundstücke Werte festzustellen sind. Der Bescheid über die gesonderte Fest­stellung des Grundbesitzwerts für Grunderwerbsteuerzwecke ist dann auch (bindender) Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 AO für den Grunderwerbsteuerbescheid als Folgebescheid (BFH-Urteil vom 15.03.2017 ‑ II R 36/15, BFHE 257, 482, BStBl II 2017, 1215). Durch die Anzeigen sollen daher sowohl die für die Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen zuständi­gen Finanzämter als auch das für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zu­ständige Finanzamt in die Lage versetzt werden, die mögliche Grunderwerb­steuerbarkeit des angezeigten Rechtsvorgangs zu prüfen. Dem Feststellungsfi­nanzamt soll durch die Angaben in der Anzeige ermöglicht werden, die Besteu­erungsgrundlagen festzustellen, die das für die Festsetzung der Grunderwerb­steuer zuständige Finanzamt benötigt. Das Festsetzungsfinanzamt ist unab­hängig davon nach § 162 Abs. 1, 5 i.V.m. § 155 Abs. 2 AO berechtigt, auf­grund der Anzeige vor Erlass des Feststellungsbescheids einen Grunderwerb­steuerbescheid im Wege der Schätzung zu erlassen. Wenn das Festsetzungs­finanzamt einzelne von dem Rechtsvorgang betroffene Grundstücke aufgrund der unvollständigen Angabe der Grundstücke in der Anzeige aber gar nicht kennt, fehlt es bereits an einer verwendbaren Schätzungsgrundlage.

c) Der notwendige Inhalt der Anzeigen ergibt sich aus § 20 GrEStG. Unter an­derem verlangen § 20 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GrEStG die Bezeichnung des Grund­stücks nach Grundbuch, Kataster, Straße und Hausnummer sowie die Größe des Grundstücks und bei bebauten Grundstücken die Art der Bebauung. Gehö­ren zum Vermögen der Gesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG mehrere Grundstücke, gelten diese Anforderungen für jedes einzelne Grund­stück.

d) Danach kommt einer Anzeige nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GrEStG oder nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG bei einer Besteuerung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG jedenfalls dann keine die Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) beendende Wirkung für die Feststellungs- und für die Festsetzungs­frist der zu erlassenden Bescheide zu, wenn die nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG erforderlichen Angaben in Bezug auf ein Grundstück vollständig fehlen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17.08.2009 ‑ II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970, unter II.2.b cc und vom 26.01.2012 ‑ II B 98/11, Rz 5). Diese Rechtsfolge erstreckt sich auf alle von dem Rechtsvorgang der Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG betroffenen Grundstücke und nicht nur auf die nicht ange­gebenen Grundstücke, da die gesonderte Feststellung der Besteuerungs­grund­lagen nach § 17 Abs. 3 GrEStG bei einem Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG für alle zum Vermö­gen der Gesellschaft gehörenden Grund­stücke in nur einem Feststellungsbe­scheid zu erfolgen hat (vgl. BFH-Urteil vom 14.12.2022 ‑ II R 40/20, zur amt­lichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 15). Seiner Pflicht zur einheitlichen Fest­stellung kann das Feststellungsfinanzamt nur dann ordnungsgemäß nachkom­men, wenn in der Anzeige alle betroffenen Grundstücke vollständig aufgelistet sind. Dasselbe gilt für die Pflicht aller Fest­setzungsfinanzämter zur Festsetzung der Grunderwerbsteuer. Fehlt in der An­zeige ein Grundstück, ist weder das für die Feststellung zuständige Finanzamt in der Lage, die Besteuerungsgrundla­gen für alle von dem Rechtsvorgang er­fassten Grundstücke zutreffend festzu­stellen, noch kann das Festsetzungs­finanzamt die Grunderwerbsteuer gegebe­nenfalls schätzen, da es die von dem Rechtsvorgang der Anteilsvereinigung betroffenen Grundstücke nicht kennt.

e) Dem steht nicht die Rechtsprechung des BFH entgegen, nach der die An­laufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO auch durch eine unvollständi­ge Anzeige beendet werden kann. Ob eine unvollständige Anzeige die Anlauf­hemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beendet, ist entsprechend dem Normzweck dieser Vorschrift danach zu beurteilen, ob insoweit die der Finanz­behörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit verkürzt wurde. Entschei­dend ist, ob die Anzeige derart lückenhaft ist, dass dies praktisch auf das Nichteinreichen der Anzeige hinausläuft (vgl. BFH-Beschluss vom 17.08.2009 ‑ II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970, unter II.2.b bb).

Danach mag im Einzelfall eine unvollständige oder unrichtige Anzeige den An­lauf der Festsetzungsfrist dann nicht hemmen, wenn alle von dem Erwerbsvor­gang betroffenen Grundstücke in der Anzeige aufgelistet wurden, aber bei­spielsweise eine der Pflichtangaben nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GrEStG wie die Katasterbezeichnung oder die Angabe von Straße und Hausnummer des aufgelisteten Grundstücks unvollständig oder unrichtig sind. In solchen Fällen ist es ohne weiteres möglich, das Grundstück zu identifizieren und in das Fest­stellungs- sowie Festsetzungsverfahren einzutreten. Davon zu unterscheiden ist die Ausgangssituation, in der einzelne Grundstücke in der Auflistung voll­ständig fehlen. In einem solchen Fall ist es ungewiss, ob und wann das Finanz­amt von den fehlenden betroffenen Grundstücken Kenntnis erlangt. Das gilt umso mehr, wenn sich die fehlenden Grundstücke nicht im Bezirk des Finanz­amts befinden, sondern sich über mehrere Finanzamtsbezirke verteilen, so­dass sie auch in den Datensätzen des Finanzamts nicht aufzufinden sind.

f) Schließlich ist auch der Anlauf der Festsetzungsfrist nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen unendlich gehemmt. Denn nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist. Hierdurch wird ein fairer Ausgleich zwischen dem Interesse der Finanzverwaltung hin­sichtlich einer angemessenen Bearbeitungszeit und dem Interesse des Steuer­pflichtigen an Bestandskraft und Rechtsfrieden erreicht.

g) Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das FG im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Grunderwerbsteuerbescheid vom 23.01.2018 innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen ist. Weder die notarielle Anzeige vom 26.03.2013 noch die klägerische Anzeige vom 27.03.2013 waren ordnungsge­mäß im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 20 GrEStG. In beiden Anzeigen fehlten zwei von der Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG betroffene Grundstücke. Die vierjährige Festsetzungsfrist begann daher nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO erst am 31.12.2016 zu laufen und war bei Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids im Jahr 2018 nicht abgelaufen. Unerheblich ist danach, ob der bestandskräftig ge­wordene Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert auf den 13.02.2013 vom 19.12.2017 die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO für den gesam­ten Inhalt des Grunderwerbsteuerbescheids auslöste (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15.03.2017 ‑ II R 36/15, BFHE 257, 482, BStBl II 2017, 1215, Rz 21).

2. Das FG ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Grunderwerbsteuer­bescheid nicht aus anderen Gründen rechtswidrig oder nichtig ist. Er setzt die bestandskräftig gewordenen bindenden Feststellungen des geänderten Fest­stellungsbescheids über die Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3a GrEStG vom 07.10.2014 und der Feststellungsbescheide über den Grundbesitzwert auf den 13.03.2013 vom 19.12.2017 zutreffend um. Ein wirksamer Feststellungsbescheid löst nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO in Be­zug auf seine Feststellungen Bindungswirkung für den Folgebescheid aus (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.07.2012 ‑ X R 28/10, BFHE 238, 484, BStBl II 2013, 444, Rz 22).

a) Der Grunderwerbsteuerbescheid nimmt unter der Rubrik "Sachverhalt" zu­treffend auf die Feststellungen im geänderten Feststellungsbescheid vom 07.10.2014 Bezug. Er bezeichnet in Umsetzung des geänderten Feststellungs­bescheids den Anteilsübertragungsvertrag vom 13.03.2013 als den der Be­steuerung zugrundeliegenden Erwerbsvorgang.

b) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Feststellungsbescheid vom 07.10.2014 mit dem 13.03.2013 den zutreffenden Steuerstichtag bezeichnet oder ob es sich hierbei um eine falsche Datumsangabe handelt, da die erfor­derliche Genehmigung der Anteilsübertragung durch das Landeskirchenamt erst am 18.04.2013 erteilt wurde und die Steuer für den Erwerbsvorgang nach § 14 Nr. 2 GrEStG jedenfalls nicht vor dem Datum der Genehmigung entstan­den ist (zum Tag der Bekanntgabe der Genehmigung an den Notar als maß­geblicher Zeitpunkt nach § 14 Nr. 2 GrEStG vgl. BFH-Urteil vom 21.04.1999 ‑ II R 44/97, BFHE 188, 448, BStBl II 1999, 493). Die falsche Datumsangabe macht den Feststellungsbescheid allenfalls rechtswidrig nicht aber nichtig (vgl. BFH-Urteil vom 04.03.2020 ‑ II R 35/17, BFHE 268, 545, BStBl II 2020, 514, Rz 15).

c) Der Feststellungsbescheid ist auch nicht deshalb nichtig, weil er unbestimmt oder nicht zu befolgen wäre. Ihm ist eindeutig zu entnehmen, dass er sich an den Kläger als Adressaten der Feststellung richtet. Auch der Umstand, dass das FA in dem Feststellungsbescheid die Spalten zur Steuerbefreiung durchge­strichen hat (zur notwendigen Entscheidung über eine Steuerbefreiung im Feststellungsbescheid vgl. BFH-Urteil vom 12.01.2022 ‑ II R 4/20, BFHE 275, 380, BStBl II 2022, 521, Rz 12), führt nicht zur Unbestimmtheit des Feststel­lungsbescheids. Es wurde für den Adressaten des Bescheids erkennbar vom FA keine positive Entscheidung über eine Steuerbefreiung getroffen.

3. Schließlich ist das FG auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung der Grunderwerb­steuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO hat.

a) Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuer erhöhen, bei der Festsetzung der Steuern unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

b) Die Unbilligkeit der Erhebung einer Steuer, an die § 163 AO die Möglichkeit einer abweichenden Steuerfestsetzung knüpft, kann sich aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen ergeben. Sachlich unbillig ist die Erhebung vor al­lem dann, wenn sie im Einzelfall nach dem Zweck des zugrunde liegenden Ge­setzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Eine sachliche Billigkeitsmaßnahme stellt immer auf den Einzelfall ab und ist atypischen Ausnahmefällen vorbehalten (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28.11.2016 ‑ GrS 1/15, BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393, Rz 112). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber be­wusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt keine Billigkeits­maßnahme (BFH-Urteil vom 09.05.2019 ‑ VI R 48/16, Rz 29).

c) Abweichende Steuerfestsetzung und Erlass sind Maßnahmen der finanzbe­hördlichen Billigkeit im Steuerschuldverhältnis, über die in einem vom Steuer­festsetzungsverfahren gesonderten Verfahren durch eigenständigen Verwal­tungsakt zu entscheiden ist. Dieser Verwaltungsakt unterliegt, wenn die be­gehrte Billigkeitsmaßnahme abgelehnt wurde, nur einer eingeschränkten ge­richtlichen Überprüfung (§ 102 FGO); diese beschränkt sich darauf, ob die ge­setzlichen Grenzen des Ermessens nicht beachtet wurden oder Ermessen feh­lerhaft ausgeübt wurde. Bestandskräftig festgesetzte Steuern können dann er­lassen werden, wenn die Festsetzung eindeutig und offensichtlich unrichtig ist und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit zu wehren (vgl. BFH-Entscheidungen vom 04.08.2009 ‑ V B 26/08, BFH/NV 2009, 1784, unter II.1.a, m.w.N. und vom 21.01.2015 ‑ X R 40/12, BFHE 248, 485, BStBl II 2016, 117, Rz 29). Darüber hinaus wird Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO für den Fall berücksich­tigt, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes, die bei der bisherigen Festsetzung durch die Finanzbehörde angewandt worden ist, geändert hat. Bei einer durch die Rechtsprechung noch nicht geklärten Rechtslage liegt demgegenüber kein Vertrauenstatbestand vor (vgl. BFH-Urteil vom 07.10.2010 ‑ V R 17/09, Rz 23).

d) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG einen Ermessensfehler des FA bei der Ablehnung einer abweichenden Festsetzung aus sachlichen Billig­keitsgründen nach § 163 Satz 1 AO zutreffend vereint. Der Kläger durfte auf­grund einer ungeklärten Rechtslage nicht darauf vertrauen, dass über die Fra­ge der Steuerbefreiung für den steuerbaren Erwerbsvorgang erst im Grunder­werbsteuerbescheid und nicht bereits im Feststellungsbescheid vom 25.09.2013/07.10.2014 entschieden würde. Der BFH hat die Rechtsfrage, dass die Entscheidung über die Steuerbefreiung von Erwerbsvorgängen nach dem Grunderwerbsteuergesetz im Feststellungs- und nicht im Festsetzungsverfah­ren über die Höhe der Grunderwerbsteuer zu treffen ist, erst im Jahre 2022 mit BFH-Urteil vom 12.01.2022 ‑ II R 4/20 (BFHE 275, 380, BStBl II 2022, 521, Rz 12) höchstrichterlich entschieden. Zuvor war die Rechtslage höchst­richterlich ungeklärt, sodass kein Vertrauenstatbestand vorlag, auf den sich der Kläger im Billigkeitsverfahren berufen könnte, zumal das FG Hamburg be­reits in seinem Urteil vom 07.01.2011 ‑ 3 K 60/10, Rz 36 entschieden hatte, dass über die Steuerbefreiung eines Erwerbsvorgangs nach dem Grunderwerb­steuergesetz im Feststellungsverfahren zu entscheiden ist. Auch aus diesem Grund wäre es dem Kläger zumutbar gewesen, den geänderten Feststellungs­bescheid vom 07.10.2014 anzufechten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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