BFH: Antidumpingzoll auf die Einfuhren von Schuhen mit Oberteil aus Leder aus der Volksrepublik China und Vietnam
1. Soweit die VO 1472/2006 und die DVO 1294/2009 durch den EuGH für ungültig erklärt wurden, weil die Europäische Kommission nicht über die Anträge einzelner ausführender Hersteller auf Marktwirtschafts- und individuelle Behandlung entschieden hatte, war die Europäische Kommission berechtigt, das Antidumpingverfahren wiederaufzunehmen, die Prüfung der Anträge nachzuholen und neue Antidumpingzollverordnungen zu erlassen. Die aufgrund der VO 1472/2006 und der DVO 1294/2009 entrichteten Abgaben blieben daher gesetzlich geschuldet i.S. von Art. 236 Abs. 1 ZK.
2. Eine nochmalige Mitteilung des festzusetzenden Antidumpingzolls ist nach Erlass der neuen Antidumpingzollverordnungen (DVO 2016/1647 und DVO 2016/2257) nicht erforderlich, weil die Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Antidumpingzolls nicht vollständig entfallen war, die Europäische Kommission gemäß Art. 266 AEUV zur Umsetzung des EuGH-Urteils verpflichtet war und die Höhe des Antidumpingzollsatzes auch nach nochmaliger Prüfung durch die Europäische Kommission unverändert geblieben ist.
ZK Art. 236 Abs. 1
VO 1472/2006
DVO 1294/2009
DVO 2016/1647
DVO 2016/2257
VO 384/96 Art. 2 Abs. 7 Buchst. b, Art. 9 Abs. 5
BFH-Urteil vom 13.12.2022, VII R 13/20 (veröffentlicht am 11.5.2023)
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 05.02.2020, 4 K 1099/14 Z = SIS 20 08 15
I. Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 10.05.2010 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) für mehrere Einfuhren von Schuhen, die die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im April 2010 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet hatte, Antidumpingzoll fest. Lieferantin und Herstellerin der aus der Volksrepublik China (China) eingeführten Schuhe war die A und der aus Vietnam eingeführten Schuhe die B. Die Klägerin entrichtete diese Antidumpingzölle.
Grundlage der Festsetzung von Antidumpingzoll war die Verordnung (EG) Nr. 1472/2006 des Rates vom 05.10.2006 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China und Vietnam ‑‑VO 1472/2006‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2006, Nr. L 275, 1), die am 07.10.2006 in Kraft getreten war. Die Antidumpingmaßnahmen blieben bis zum Auslaufen der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1294/2009 des Rates vom 22.12.2009 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in Vietnam und in der Volksrepublik China, ausgeweitet auf aus der Sonderverwaltungsregion Macau versandte Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder, ob als Ursprungserzeugnisse der Sonderverwaltungsregion Macau angemeldet oder nicht, nach einer Auslaufüberprüfung nach Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates ‑‑DVO 1294/2009‑‑ (ABlEU 2009, Nr. L 352, 1) bis zum 31.03.2011 in Kraft.
Im Rahmen des Antidumpingverfahrens hatten die Ausführer B und A Anträge auf Marktwirtschafts- und Individualbehandlung (MWB und IB) nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22.12.1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern ‑‑GrundVO‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1996, Nr. L 56, 1) gestellt, waren aber von der Europäischen Kommission (Kommission) nicht im Rahmen einer stichprobenhaften Prüfung berücksichtigt worden und hatten daher keinen unternehmensspezifischen Antidumpingzollsatz erhalten.
Mit den Urteilen Brosmann Footwear vom 02.02.2012 ‑ C‑249/10 P (EU:C:2012:53, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2012, 93) und Zhejiang Aokang Shoes/Rat vom 15.11.2012 ‑ C‑247/10 P (EU:C:2012:710) erklärte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die VO 1472/2006 hinsichtlich der Kläger dieser Verfahren ‑‑andere betroffene Ausführer als im vorliegenden Streitfall‑‑ für nichtig.
Mit Antrag vom 06.06.2012 (eingegangen beim HZA am 12.06.2012) beantragte die Klägerin die Erstattung des Antidumpingzolls. Das HZA lehnte dies mit Bescheid vom 15.11.2013 ab. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, das HZA habe zu Recht die Erstattung des Antidumpingzolls abgelehnt, weil dieser im Zeitpunkt der Zahlung gesetzlich geschuldet gewesen sei. Mit der Annahme der Zollanmeldungen sei der Antidumpingzoll aufgrund der DVO 1294/2009 entstanden. Da die ausführenden Hersteller B und A Anträge auf MWB und IB gestellt hätten, sei zu ihren Gunsten von einer Ungültigkeit der VO 1472/2006 auszugehen. Es bestünden jedoch keine Bedenken, dass die Kommission die bei den Zollbehörden der Mitgliedstaaten anhängigen Erstattungsverfahren bis zum Erlass neuer Durchführungsverordnungen, mit denen die Verletzung der Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und Art. 9 Abs. 5 GrundVO korrigiert werden sollte, ausgesetzt habe. Weiterhin bestünden keine Bedenken gegen die Wiederaufnahme der Verfahren und gegen die Beachtung des Rückwirkungsverbots. Es spreche auch nichts gegen die Gültigkeit der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1647 der Kommission vom 13.09.2016 zur Wiedereinführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in Vietnam, die von Best Royal Co. Ltd., Lac Cuong Footwear Co. Ltd., Lac Ty Co. Ltd., Saoviet Joint Stock Company (Megastar Joint Stock Company), VMC Royal Co. Ltd, Freetrend Industrial Ltd. und dem mit ihm verbundenen Unternehmen Freetrend Industrial A (Vietnam) Co, Ltd., Fulgent Sun Footwear Co., Ltd, General Shoes Ltd, Golden Star Co, Ltd, Golden Top Company Co., Ltd, Kingmaker Footwear Co. Ltd., Tripos Enterprise Inc. und Vietnam Shoe Majestiy Co., Ltd hergestellt werden, sowie zur Durchführung des EuGH-Urteils in den verbundenen Rechtssachen C‑659/13 und C‑34/14 ‑‑DVO 2016/1647‑‑ (ABlEU 2016, Nr. L 245, 16) und der Durchführungsverordnung (EU) 2016/2257 der Kommission vom 14.12.2016 zur Wiedereinführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter Schuhe mit Oberteil aus Leder mit Ursprung in der Volksrepublik China, die von Chengdu Sunshine Shoes Co. Ltd, Foshan Nanhai Shyang Yuu Footwear Ltd. und Fujian Sunshine Footwear Co. Ltd. hergestellt wurden, sowie zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C‑659/13 und C‑34/14 ‑‑DVO 2016/2257‑‑ (ABlEU 2016, Nr. L 340, 1).
Der der Klägerin gegenüber ergangene Einfuhrabgabenbescheid vom 10.05.2010 sei darüber hinaus auch nicht deshalb nichtig, weil mit ihm Antidumpingzoll festgesetzt worden sei, der nur auf der DVO 1294/2009 beruht habe. Der Bescheid habe sich auch nicht erledigt, weil die rechtliche Grundlage, nunmehr in Form der DVOen 2016/1647 und 2016/2257, mit Wirkung für den Zeitpunkt seines Erlasses wieder geschaffen worden sei. Die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität seien ebenfalls nicht verletzt worden. Was die Frage nach der Mitteilung der durch die DVOen 2016/1647 und 2016/2257 bestimmten Antidumpingzölle angehe, habe der EuGH dazu nicht Stellung genommen. Zu Unrecht erhoben und damit zu erstatten wäre den Beteiligten jedoch nur die Differenz zwischen den festgesetzten Antidumpingzollsätzen und den Zollsätzen, die bei rechtmäßiger Handhabung hätten festgesetzt werden müssen. Da kein Erstattungsanspruch bestehe, müsse nicht mehr über dessen etwaige Verzinsung entschieden werden. Das Urteil ist in ZfZ 2020, 173 veröffentlicht.
Die Klägerin begründet ihre Revision mit einer Verletzung des Art. 236 des Zollkodex (ZK) und der unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und des effektiven Rechtsschutzes. Aufgrund der Nichtigerklärung der VO 1472/2006 durch den EuGH seien die darin festgesetzten Antidumpingzölle beseitigt worden, weshalb eine Zollschuld zu Lasten der Klägerin nicht habe entstehen können. Es sei auch nicht richtig, dass ihr allenfalls die Differenz zu erstatten sei. Denn bei seiner Feststellung, dass nur der Differenzbetrag zurückzuzahlen wäre, bestätige der EuGH nur für die Ebene des Unionsrechts, dass es der Kommission prinzipiell gestattet sei, ihre Fehler zu korrigieren, indem sie im Rahmen einer Durchführungsverordnung (DVO) Antidumpingzölle für die Geltungsdauer der ungültigen Verordnung neu einführe. Für die Ebene des nationalen Rechts hingen die rechtlichen und praktischen Wirkungen der Wiedereinführung von Antidumpingzöllen jedoch davon ab, wie die Antidumpingzölle erstattet und unter welchen Voraussetzungen die wiedereingeführten Antidumpingzölle erhoben würden. Die Bearbeitung der Erstattungsanträge liege zudem ausschließlich in der Zuständigkeit der nationalen Behörden. Außerdem habe das FG gegen Art. 221 Abs. 1 und 3 ZK verstoßen, weil der neu eingeführte Antidumpingzoll dem Zollschuldner durch die zuständigen nationalen Zollbehörden mitgeteilt werden müsse. Die mit den DVOen angeordnete Rückwirkung der neu festgesetzten Antidumpingzölle beinhalte nur eine zeitliche Vorverlegung, aber keine Ersetzungsregelung. Die neuen DVOen seien daher nicht einfach an die Stelle der für ungültig erklärten DVO 1294/2009 getreten. Der EuGH-Rechtsprechung könne nicht entnommen werden, dass Art. 236 Abs. 1 ZK in Verbindung mit den Regeln des Antidumpingrechts einen nachträglichen Austausch des gesetzlichen Schuldgrundes in der Weise zulasse, dass ein entstandener Erstattungsanspruch später entfalle.
Ein bestandskräftiger nationaler Einfuhrabgabenbescheid sei abgesehen davon kein Grund für einen Ausschluss des Anspruchs auf Erstattung von Antidumpingzöllen. Der mit Einfuhrabgabenbescheid vom 10.05.2010 der Klägerin mitgeteilte Antidumpingzoll sei durch das EuGH-Urteil C & J Clark International und Puma vom 04.02.2016 ‑ C‑659/13 und C‑34/14 (EU:C:2016:74, ZfZ 2016, 212) für ungültig erklärt worden. Dieser Bescheid enthalte nicht zugleich eine Mitteilung der in DVOen 2016/1647 und 2016/2257 wiedereingeführten und damit neuen Antidumpingzölle. Der Umstand, dass der Einfuhrabgabenbescheid vom 10.05.2010 nicht innerhalb der nationalen Rechtsmittelfristen angefochten und damit bestandskräftig geworden sei, sei für die Anwendung des Art. 236 Abs. 1 ZK unerheblich, weil der Erstattungsanspruch nicht von nationalem Recht abhänge. Selbst wenn man dem Einfuhrabgabenbescheid eine eigenständige Bedeutung im Hinblick auf die Durchführung des Erstattungsanspruchs beimessen würde, wäre er nichtig, anderweitig erledigt oder zumindest unerheblich nach Maßgabe des Grundsatzes der Effektivität.
Darüber hinaus seien (u.a. mit der DVO 2016/1647) für bestimmte Unternehmen Antidumpingzölle wieder neu eingeführt worden. Diese hätten innerhalb einer Frist von drei Jahren durch besondere Bescheide mitgeteilt werden müssen. Die buchmäßige Erfassung sei eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Mitteilung des neu festgesetzten Antidumpingzolls. Auch der EuGH gehe davon aus, dass ein wiedereingeführter Antidumpingzoll in jedem Fall den Zollschuldnern nach Maßgabe des Art. 221 Abs. 1 ZK mitgeteilt werden müsse. Zugleich sei der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes nur dann gewahrt, wenn die Klägerin die rechtliche Möglichkeit erhalte, sich gegen den Mitteilungsbescheid des neu festgesetzten Antidumpingzolls mit Rechtsmitteln zu wehren und einen Erstattungsanspruch geltend zu machen. Dies sei auch relevant für den Beginn der Verjährungsfrist. Die Mitteilungsfrist sei bereits im April 2013 ‑‑drei Jahre nach der Abfertigung der Waren zum freien Verkehr‑‑ verstrichen. Selbst wenn man auf die Veröffentlichung der maßgebenden DVOen abstelle, sei die Dreijahresfrist mittlerweile verstrichen.
Schließlich habe das FG unrichtigerweise nicht über eine etwaige Verzinsung entschieden. Gegebenenfalls komme eine Vorlage an den EuGH in Betracht.
Die Klägerin beantragt,
das HZA unter Aufhebung der Vorentscheidung und des Bescheids vom 15.11.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.03.2014 zu verpflichten, ihr einen Betrag in Höhe von … € zu erstatten,
sowie das HZA zu verpflichten, für zu erstattende Antidumpingzölle Zinsen nach § 238 der Abgabenordnung (AO) beginnend mit dem Tag ihrer Entrichtung bis zu ihrer Erstattung festzusetzen.
Das HZA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Im Hinblick auf eine eventuelle Erstattung seien sowohl der Tenor als auch die Gründe der die Ungültigkeit einer Verordnung aussprechenden EuGH-Entscheidung zu berücksichtigen. Demnach hätte im Streitfall eine IB allenfalls zu einem niedrigeren Zollsatz führen können. Der für alle übrigen Unternehmen geltende residuale Zollsatz werde jedoch nicht von der Ungültigkeit erfasst. Die etwaige Differenz zwischen den festgesetzten Antidumpingzollsätzen und den Zollsätzen, die hätten festgesetzt werden müssen, hätten die nationalen Behörden zum Zeitpunkt des EuGH-Urteils C & J Clark International und Puma (EU:C:2016:74, ZfZ 2016, 212) noch nicht bestimmen können. Erst mit dem Erlass der DVOen 2016/1647 und 2016/2257 habe sich die Differenz beziffern lassen. Im Streitfall bestehe jedoch kein Erstattungsanspruch, weil die Anwendung der ursprünglich festgesetzten residualen Antidumpingzollsätze für die A und die B bestätigt worden seien. Die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und des effektiven Rechtsschutzes seien nicht verletzt worden.
Die Zollbehörden hätten nicht die sofortige und vollständige Erstattung des Antidumpingzolls veranlassen müssen, weil es zulässig gewesen sei, das Verfahren zur Prüfung bestimmter, von ausführenden Herstellern aus China und Vietnam eingereichten Anträgen auf MWB und IB und zur Durchführung des EuGH-Urteils C & J Clark International und Puma (EU:C:2016:74, ZfZ 2016, 212) wiederaufzunehmen mit der Folge, dass das Erstattungsverfahren bis zur Klärung auszusetzen gewesen sei. Es seien auch keine neuen Antidumpingzölle eingeführt worden, sondern Zölle unter Behebung der festgestellten Verfahrensfehler lediglich wiedereingeführt worden unter gleichzeitiger Wiederholung aller übrigen Bestimmungen. Dementsprechend sei weiterhin eine Rechtsgrundlage dafür gegeben gewesen. Soweit der EuGH auf Art. 221 Abs. 3 ZK hinweise, komme diesem Hinweis Bedeutung nur für die Fälle zu, in denen noch keine buchmäßige Erfassung und keine Mitteilung der Antidumpingzölle erfolgt seien. Im Übrigen schließt sich das HZA den Ausführungen des FG an.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO), weil der Klägerin kein Anspruch auf Erstattung des gezahlten Antidumpingzolls und somit auch kein Anspruch auf Verzinsung zusteht.
1. Nach Art. 236 Abs. 1 ZK werden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder entgegen Art. 220 Abs. 2 ZK buchmäßig erfasst wurde. Die geltenden Zollvorschriften und somit auch Art. 236 Abs. 1 ZK sind gemäß Art. 1 Abs. 4 VO 1472/2006 bzw. Art. 1 Abs. 5 DVO 1294/2009 auf die in diesen Verordnungen festgelegten Antidumpingzölle anzuwenden.
Im Streitfall schuldete die Klägerin den entrichteten Antidumpingzoll, weil die von ihr im April 2010 aus China und Vietnam eingeführten und zum zollrechtlich freien Verkehr (vgl. Art. 201 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 ZK) angemeldeten Schuhe sowohl im Zeitpunkt der buchmäßigen Erfassung (Art. 217 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK) als auch der Zahlung einem Antidumpingzoll nach der VO 1472/2006, verlängert um einen Zeitraum von 15 Monaten durch Art. 2 DVO 1294/2009 bis 31.03.2011, unterlagen. Die Klägerin ist als Anmelderin nach Art. 201 Abs. 3 Satz 1 ZK Schuldnerin des Antidumpingzolls.
Das HZA hat der Berechnung des Antidumpingzolls zu Recht den allgemeinen Antidumpingzollsatz in Höhe von 16,5 % für die aus China eingeführten Schuhe und in Höhe von 10 % für die aus Vietnam eingeführten Schuhe auf den Nettopreis frei Grenze der Union, unverzollt, zugrunde gelegt (Art. 1 Abs. 3 VO 1472/2006, Art. 1 Abs. 3 VO 1294/2009). Ein unternehmensspezifischer Antidumpingzollsatz war für die beiden ausführenden Hersteller A und B nicht vorgesehen, weil die Kommission für die nicht in die Stichprobe einbezogenen Ausführer keine individuelle Entscheidung über MWB-Anträge nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. b GrundVO i.d.F. nach der Verordnung (EG) Nr. 2117/2005 des Rates vom 21.12.2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 384/96 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABlEU 2005, Nr. L 340, 17) getroffen (Erwägungsgründe 60 ff. VO 1472/2006) und auch keine individuelle Behandlung nach Art. 9 Abs. 5 GrundVO gewährt hatte (Erwägungsgründe 82 ff. VO 1472/2006).
Die Berechnung des Antidumpingzolls und die Tarifierung der eingeführten Waren wurden von der Klägerin nicht in Frage gestellt, weshalb der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht.
2. Für die Entstehung des streitgegenständlichen Antidumpingzolls besteht eine Rechtsgrundlage. Der Rechtsgrund für die Zahlung des Antidumpingzolls ist nicht infolge der Beanstandung der VO 1472/2006 und der DVO 1294/2009 durch den EuGH und der anschließenden Wiederaufnahme des Antidumpingverfahrens durch die Kommission nachträglich entfallen.
a) Mit den Urteilen Zhejiang Aokang Shoes/Rat (EU:C:2012:710) und Brosmann Footwear (EU:C:2012:53, ZfZ 2012, 93) erklärte der EuGH die VO 1472/2006 im Hinblick auf bestimmte ‑‑hier nicht betroffene‑‑ Ausführer für nichtig. Der Grund bestand darin, dass die Kommission gegen ihre Verpflichtung verstoßen hatte, die auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c GrundVO gestellten Anträge von nicht in die Stichprobe einbezogenen Wirtschaftsteilnehmern zu prüfen. Die Kommission konnte sich nicht auf die Prüfung einer Stichprobe beschränken, weil Art. 2 Abs. 7 GrundVO zu den Vorschriften gehört, die der Bestimmung des Normalwerts dienen, während Art. 17 GrundVO, in dem die Bildung einer Stichprobe geregelt ist, zu den Vorschriften zählt, die die Methoden für die Bestimmung der Dumpingspanne regeln. Somit handelt es sich um Vorschriften mit unterschiedlichem Inhalt und Regelungszweck mit der Folge, dass die Verpflichtung der Kommission zur Entscheidung über den Antrag eines Marktteilnehmers auf MWB nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. b GrundVO auch dann bestehen bleibt, wenn sich die Kommission im Zusammenhang mit der Bestimmung der Dumpingspanne für das Stichprobenverfahren entscheidet (EuGH-Urteil Brosmann Footwear, EU:C:2012:53, Rz 36 ff., ZfZ 2012, 93; vgl. auch EuGH-Urteil Zhejiang Aokang Shoes/Rat, EU:C:2012:710, Rz 29 ff.).
b) Mit Urteil C & J Clark International und Puma vom 04.02.2016 ‑ C‑659/13 und C‑34/14 (EU:C:2016:74, ZfZ 2016, 212) erklärte der EuGH die VO 1472/2006 und die DVO 1294/2009 für ungültig, soweit sie gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und Art. 9 Abs. 5 GrundVO verstieß, weil der Rat und die Kommission nicht über die Anträge auf MWB und IB der nicht in die gemäß Art. 17 GrundVO gebildete Stichprobe einbezogenen chinesischen und vietnamesischen ausführenden Hersteller entschieden hatten. Der Rat und die Kommission wären jedoch grundsätzlich auch im Falle einer Stichprobenbildung nach Art. 17 GrundVO verpflichtet gewesen, die Anträge auf MWB und IB, die auf der Grundlage von Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 2 GrundVO bei ihnen gestellt werden, zu prüfen und über sie zu entscheiden, wie sie es bei Anträgen auf MWB tun müssen (Rz 101 ff. und 113 ff.).
Weiterhin nahm der EuGH in seinem Urteil C & J Clark International und Puma (EU:C:2016:74, ZfZ 2016, 212) zur rechtlichen Reichweite einer Nichtigkeitsklage ‑‑vorliegend (s. Rz 43 und 46) die Rechtssachen Zhejiang Aokang Shoes/Rat (EU:C:2012:710) und Brosmann Footwear (EU:C:2012:52, ZfZ 2012, 93)‑‑ Stellung und urteilte, dass eine teilweise Nichtigkeit einer Antidumpingzollverordnung nicht auf andere betroffene Unternehmen übertragbar ist. Denn erklärt der Unionsrichter im Rahmen einer Nichtigkeitsklage, die von einer Person eingereicht wurde, die von einem Rechtsakt mit allgemeiner Geltung wie einer Verordnung, durch die Antidumpingzölle erhoben werden, unmittelbar und individuell betroffen ist, diesen Rechtsakt für nichtig, soweit er diese Person betrifft, berührt diese Nichtigerklärung nicht die übrigen Bestimmungen dieses Rechtsakts, insbesondere die Bestimmungen, mit denen Antidumpingzölle auf andere als von der betreffenden Person hergestellte, ausgeführte oder eingeführte Waren eingeführt wurden (EuGH-Urteil C & J Clark International und Puma, EU:C:2016:74, Rz 183, m.w.N., ZfZ 2016, 212). Vielmehr sind diese Bestimmungen, wenn sie nicht innerhalb der Frist des Art. 263 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) von den Personen angefochten wurden, die befugt gewesen wären, ihre Nichtigerklärung zu beantragen, diesen gegenüber bestandskräftig (Rz 184, m.w.N.). Weiterhin wies der EuGH darauf hin, dass die Antidumpingzölle i.S. von Art. 236 Abs. 1 ZK gesetzlich geschuldet blieben, auch wenn diese Verordnung nicht von dem Organ, das sie erlassen hat, zurückgenommen, vom Unionsrichter für nichtig erklärt oder vom Gerichtshof für ungültig erklärt wurde, soweit auf die Waren dieser anderen ausführenden Hersteller Antidumpingzölle erhoben werden (Rz 185).
Mit diesen Ausführungen hat der EuGH die begrenzte rechtliche Wirkung einer Nichtigkeitsklage bestätigt. Da diese im Fall einer Klage durch eine natürliche oder juristische Person an strengere Voraussetzungen geknüpft ist, wie die unmittelbare und individuelle Betroffenheit (s. Art. 263 Unterabs. 4 AEUV), als im Fall anderer Kläger, sind auch die rechtlichen Wirkungen auf diese Personen beschränkt, weil der EuGH im Nichtigkeitsverfahren nur deren Situation überprüft.
Demgegenüber entfaltet ein EuGH-Urteil in Beantwortung eines Vorabentscheidungsersuchens erga-omnes-Wirkung, wenn ein Rechtsakt der Organe durch eine Vorabentscheidung für ungültig erklärt wurde, d.h. das Urteil ist nicht auf den Rechtsmittelführer vor den nationalen Gerichten beschränkt. Die Kommission ist folglich in einer derartigen Situation verpflichtet, das Urteil in Bezug auf alle Parteien umzusetzen, die von der Rechtswidrigkeit betroffen sind, die zur Nichtigerklärung der Maßnahme geführt hat (Erwägungsgrund 20 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/223 vom 17.02.2016 zur Einführung eines Verfahrens zur Prüfung bestimmter, von ausführenden Herstellern aus China und Vietnam eingereichter Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung und individuelle Behandlung, und zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C‑659/13 und C‑34/14 ‑‑DVO 2016/223‑‑ (ABlEU 2016, Nr. L 41, 3); EuGH-Urteil International Chemical Corporation vom 13.05.1981 ‑ C‑66/80, EU:C:1981:102, Rz 12 f. und 15, ZfZ 1982, 46).
Davon ausgehend kommt dem EuGH-Urteil C & J Clark International und Puma (EU:C:2016:74, ZfZ 2016, 212) erga-omnes-Wirkung zu, weil es auf Vorlage des First-tier Tribunal (Tax Chamber) und des FG München (Beschluss vom 24.10.2013 ‑ 14 K 3714/12, ZfZ 2014, Beilage 2014, Nr. 4, 49) ergangen ist.
c) Infolge der Entscheidung C & J Clark International und Puma (EU:C:2016:74, ZfZ 2016, 212) nahm die Kommission entsprechend ihrer Verpflichtung aus Art. 266 AEUV das Antidumpingverfahren in dem Stadium wieder auf, in dem die Regelwidrigkeit eingetreten war, und erließ die DVO 2016/223. Um die MWB- und IB-Anträge nicht in die Stichprobe einbezogener Ausführer nachträglich prüfen zu können, wies die Kommission die nationalen Zollbehörden an, bei ihnen eingereichte Erstattungsanträge nach Art. 236 ZK bzw. Art. 116 Abs. 1 Buchst. a des Unionszollkodex an sie weiterzuleiten und mit der Entscheidung über diese Erstattungsanträge zu warten, bis eine neue Durchführungsverordnung zur Wiedereinführung der Antidumpingzölle veröffentlicht worden sei (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 3 DVO 2016/223).
aa) Diese Vorgehensweise hält der erkennende Senat im Lichte der bestehenden Rechtsprechung des EuGH für unionsrechtskonform. Denn danach wird die Vereinbarkeit eines Rechtsakts mit einem Urteil des EuGH dadurch hergestellt, dass der für nichtig bzw. ungültig erklärte Rechtsakt durch einen neuen Rechtsakt ersetzt wird, in dem die vom EuGH festgestellte Rechtswidrigkeit beseitigt ist. Das Verfahren kann zum Ersetzen des für nichtig erklärten Rechtsakts genau an dem Punkt wiederaufgenommen werden, an dem die Rechtswidrigkeit eingetreten ist (Erwägungsgründe 13 und 14 DVO 2016/223; EuGH-Urteile Asteris AE et al. vom 26.04.1988 ‑ 97, 193, 99 und 215/86, Slg. 1988, 2181; Spanien/Kommission vom 12.11.1998 ‑ C‑415/96, EU:C:1998:533, Rz 31, Slg. 1998, I‑6993, und Industrie des poudres sphérique/Rat vom 03.10.2000 ‑ C‑458/98 P, EU:C:2000:531, Rz 81 f., Slg. 2000, I‑8147). Die durch die Urteile Zhejiang Aokang Shoes/Rat (EU:C:2012:710) und Brosmann Footwear (EU:C:2012:53, ZfZ 2012, 93) erklärte Nichtigkeit und durch das Urteil C & J Clark International und Puma (EU:C:2016:74, ZfZ 2016, 212) erklärte Ungültigkeit der VO 1472/2006 und der DVO 1294/2009 nahm die Kommission zum Anlass, das Antidumpingverfahren wiederaufzunehmen, weil die Rechtswidrigkeit in diesem Fall nach der Einleitung des Verfahrens aufgetreten war und somit alle anderen Feststellungen in diesen Verordnungen weiterhin gültig geblieben sind (vgl. Erwägungsgründe 8, 12, 15 und 16 DVO 2016/223).
bb) Abgesehen davon hat der EuGH die Gültigkeit der DVO 2016/223 mit Urteil Deichmann vom 15.03.2018 ‑ C‑256/16 (EU:C:2018:187, ZfZ 2018, 160) bestätigt. Insbesondere kann dieser Entscheidung entnommen werden, dass die angefochtenen Antidumpingverordnungen nicht insgesamt für ungültig erklärt worden sind, sondern dass lediglich ein Verstoß gegen die Verpflichtung des Rates und der Kommission auf Prüfung der Anträge auf MWB (Art. 2 Abs. 7 Buchst. b GrundVO) und auf IB (Art. 9 Abs. 5 GrundVO) festgestellt wurde (Rz 65). Somit hatte die Kommission die Befugnis, im Rahmen ihrer Pflicht zur Durchführung des EuGH-Urteils C & J Clark International und Puma (EU:C:2016:74, ZfZ 2016, 212) die von den betreffenden ausführenden Herstellern gestellten Anträge zu prüfen, um zu klären, ob die für sie nach der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung geltenden Antidumpingzölle zu niedrigeren als den in diesen beiden Verordnungen vorgesehenen Sätzen hätten festgesetzt werden müssen (Rz 68). Die sofortige und vollständige Erstattung der betreffenden Antidumpingzölle war demzufolge nicht geboten (Rz 70) und die Kommission war berechtigt, das der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung zugrunde liegende Verfahren in dem Stadium wiederaufzunehmen, in dem die Regelwidrigkeit begangen wurde (Rz 73 ff.).
Weiterhin hat der EuGH klargestellt, dass kein Verstoß gegen das Rückwirkungsgebot vorliegt, wenn das Verfahren wiederaufgenommen und eine neue Verordnung erlassen wird, nachdem die Antidumpingzölle bereits ausgelaufen sind, und die Zölle während ihres ursprünglichen Geltungszeitraums wiedereingeführt werden (vgl. Rz 78 f.).
Im Hinblick auf Art. 221 Abs. 3 ZK hat der EuGH außerdem entschieden, dass im vorliegenden Fall die nationalen Zollbehörden erst dann die entsprechenden Zölle bestimmen und den Schuldnern mitteilen können, wenn die Kommission das mit der streitigen Verordnung wiederaufgenommene Verfahren durch die Wiedereinführung der mit der endgültigen Verordnung und der Verlängerungsverordnung eingeführten Antidumpingzölle zu angemessenen Sätzen beendet hat. Diesen Behörden obliegt es dabei, unter der Kontrolle der zuständigen nationalen Gerichte im Einzelfall die Beachtung von Art. 221 Abs. 3 ZK sicherzustellen, indem sie prüfen, ob eine solche Mitteilung angesichts der in Art. 221 Abs. 3 Satz 1 vorgesehenen Dreijahresfrist und ihrer etwaigen Aussetzung nach Art. 221 Abs. 3 Satz 2 noch erfolgen darf (EuGH-Urteil Deichmann, EU:C:2018:187, Rz 84, ZfZ 2018, 160).
d) Mit der DVO 2016/1647 hat die Kommission u.a. für B und mit der DVO 2016/2257 u.a. für die A einen endgültigen Antidumpingzoll in Höhe von 10 % (Art. 1 Abs. 3 DVO 2016/1647 i.V.m. Anh. II zu DVO 2016/1647) bzw. 16,5 % (Art. 1 Abs. 3 i.V.m. Anh. II DVO 2016/2257) auf den Nettopreis frei Grenze der Union, unverzollt, eingeführt. Diese Zollsätze entsprechen den Zollsätzen, die mit der vom EuGH beanstandeten Antidumpingverordnung festgesetzt worden waren. Mit dem Erlass der DVO 2016/1647 und der DVO 2016/2257 hat die Kommission die vom EuGH festgestellten Mängel des Antidumpingverfahrens beseitigt und dieses endgültig abgeschlossen.
aa) Auch im Hinblick auf diese Antidumpingverordnungen sieht der erkennende Senat keinen Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 AEUV, weil der EuGH mit Urteil C & J Clark International Ltd. vom 19.06.2019 ‑ C‑612/16 (EU:C:2019:508) die Gültigkeit u.a. der DVO 2016/1647 bereits bestätigt hat. In seiner Begründung hat der EuGH insbesondere darauf hingewiesen, dass diese Verordnung der Umsetzung des EuGH-Urteils C & J Clark International und Puma (EU:C:2016:74, ZfZ 2016, 212) diente und Antidumpingzölle nicht erstmalig, sondern nur wiedereingeführt wurden (Rz 66 ff.). Weiterhin hat der EuGH klargestellt, dass die ursprünglichen Antidumpingverordnungen infolge des genannten Urteils nur insoweit ungültig geworden sind, als er Verstöße gegen die GrundVO festgestellt hat (Rz 80 ff.; vgl. auch Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) Puma u.a./Kommission vom 09.06.2021 ‑ T‑781/16, EU:T:2021:328). Anhaltspunkte dafür, dass der EuGH trotz des genannten Urteils die DVO 2016/2257 beanstanden würde, sieht der erkennende Senat nicht.
Darüber hinaus hat der EuGH die Anwendbarkeit von Art. 221 Abs. 3 ZK grundsätzlich bestätigt, aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die nationalen Zollbehörden und Gerichte im Einzelfall zu entscheiden haben, ob die Antidumpingzölle auf der Grundlage der neuen Antidumpingverordnungen noch mitgeteilt werden können oder dies infolge des Ablaufs der dreijährigen Frist gemäß Art. 221 Abs. 3 ZK nicht mehr erfolgen darf (EuGH-Urteil C & J Clark International Ltd., EU:C:2019:508, Rz 84 ff.).
bb) Infolge des Erlasses der unionsrechtskonformen DVO 2016/1647 und DVO 2016/2257 wurden die VO 1472/2006 und die DVO 1294/2009 insofern ersetzt, als ein endgültiger Antidumpingzoll auf die während der Geltungsdauer jener beiden Verordnungen erfolgten Einfuhren von bestimmten Schuhen mit Oberteil aus Leder oder rekonstituiertem Leder, die u.a. von den ausführenden Herstellern A und B hergestellt worden sind, wiedereingeführt wurde und die vom EuGH beanstandeten Verfahrensfehler geheilt worden sind. Somit beruhte die Entstehung der Antidumpingzölle infolge der Annahme der Zollanmeldungen zum zollrechtlich freien Verkehr nach Art. 201 Abs. 2 ZK für die von der Klägerin eingeführten Schuhe und die Festsetzung des Antidumpingzolls mit Einfuhrabgabenbescheid vom 10.05.2010 auf einer wirksamen Rechtsgrundlage mit der Folge, dass der Antidumpingzoll i.S. von Art. 236 ZK gesetzlich geschuldet war.
Auch eine teilweise Erstattung kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil die Höhe der festgesetzten Antidumpingzollsätze im Vergleich zur VO 1472/2006 und der DVO 1294/2009 unverändert geblieben ist.
e) Die Wiedereinführung der Antidumpingzölle verstößt nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Rückwirkungsverbot.
Die Kommission hat die DVOen 2016/1647 und 2016/2257 erlassen, um ihrer Pflicht zur Umsetzung des EuGH-Urteils C & J Clark International und Puma (EU:C:2016:74, ZfZ 2016, 212) gemäß Art. 266 AEUV nachzukommen (jeweils dort die Erwägungsgründe 12 ff.). Denn die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, denen das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt oder deren Untätigkeit als vertragswidrig erklärt worden ist, sind gemäß Art. 266 AEUV verpflichtet, die sich aus einem EuGH-Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen (vgl. auch EuG-Urteil Roland vom 09.06.2021 ‑ T‑132/18, EU:T:2021:329, Rz 106). Für betroffene Ausführer und Einführer wie die Klägerin war daher absehbar, dass die bisher zu Unrecht nicht geprüften MWB- und IB-Anträge nun geprüft werden würden und korrigierte Antidumpingverordnungen zu erwarten waren. Ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend, dass die Beanstandung der Antidumpingverordnungen durch die o.g. EuGH-Urteile zu einer vollständigen Erstattung des gezahlten Antidumpingzolls führen würde, konnte die Klägerin somit nicht haben.
Im Übrigen hat der EuGH mit seinem Urteil C & J Clark International und Puma (EU:C:2016:74, ZfZ 2016, 212) lediglich die unterbliebene Prüfung der MWB- und IB-Anträge der nicht in die Stichprobe einbezogenen Ausführer beanstandet und nicht die Einführung der Antidumpingzölle als solche. Die VO 1472/2006 und die DVO 1294/2009 wurden daher nur insoweit für ungültig erklärt, als sie gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und Art. 9 Abs. 5 GrundVO verstießen (EuGH-Urteil C & J Clark International und Puma, EU:C:2016:74, Rz 112, 135 und 174, ZfZ 2016, 212), während alle übrigen Regelungen (z.B. bezüglich des allgemeinen Antidumpingzollsatzes und der betroffenen Waren) wirksam geblieben sind. Die Berücksichtigung von MWB- und IB-Anträgen hätte sich jedoch allenfalls auf die Höhe des Antidumpingzollsatzes auswirken können, wenn für die antragstellenden Unternehmen ‑‑im Streitfall B und A‑‑ eventuell ein niedrigerer unternehmensspezifischer Antidumpingzollsatz eingeführt worden wäre. Daher konnten betroffene Einführer jedenfalls nicht davon ausgehen, dass die Einfuhren überhaupt keinem Antidumpingzoll mehr unterliegen würden. Vielmehr blieben die beanstandeten Verordnungen dem Grunde nach wirksam (vgl. EuG-Urteil Union Roland, EU:T:2021:329, Rz 84 und 108).
3. Das HZA war nach Erlass der DVOen 2016/1647 und 2016/2257 nicht zu einer erneuten Festsetzung des Antidumpingzolls durch Erlass eines neuen Einfuhrabgabenbescheids gegenüber der Klägerin verpflichtet.
a) Gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK ist der Abgabenbetrag dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist. Diese Mitteilung an den Zollschuldner darf gemäß Art. 221 Abs. 3 ZK nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist ist während der Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens ausgesetzt.
Das HZA hat der Klägerin den Antidumpingzoll mit mittlerweile bestandskräftigem Einfuhrabgabenbescheid vom 10.05.2010 und damit innerhalb der Frist nach Art. 221 Abs. 3 ZK mitgeteilt. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des Einfuhrabgabenbescheids i.S. von § 125 AO bestehen nicht.
b) Eine nochmalige Mitteilung des auf die Einfuhren der Klägerin entfallenden Antidumpingzolls war aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Streitfalls (s. EuGH-Urteil C & J Clark International Ltd., EU:C:2019:508, Rz 84 ff.) nach Überzeugung des erkennenden Senats nicht geboten.
aa) Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Antidumpingzolls dem Grunde nach nicht entfallen war (s. oben), weil die VO 1472/2006 abgesehen von den punktuellen Beanstandungen durch den EuGH grundsätzlich wirksam geblieben war. Durch den Erlass der DVOen 2016/1647 und 2016/2257 hat die Kommission die ihr unterlaufenen Verfahrensfehler behoben, aber keine inhaltliche Änderung an der VO 1472/2006 vorgenommen und insbesondere entgegen der Auffassung der Klägerin keinen neuen Antidumpingzoll eingeführt. Insbesondere hat die Kommission auch nach nochmaliger Prüfung der MWB- und IB-Anträge der hier in Rede stehenden Ausführer A und B keinen unternehmensspezifischen Antidumpingzollsatz für diese eingeführt, so dass der Antidumpingzollsatz und dementsprechend die Höhe des geschuldeten Antidumpingzolls unverändert geblieben. Somit kommt auch eine teilweise Erstattung ‑‑unabhängig davon, ob diese überhaupt zulässig wäre‑‑ nicht in Betracht.
bb) Abgesehen davon ist die Entstehung der Zollschuld von der Mitteilung ihres Betrages unabhängig; die Mitteilung hat keinen Einfluss auf die Existenz der Zollschuld. Der Betrag der Einfuhrabgaben bleibt daher i.S. von Art. 236 Abs. 1 ZK auch dann gesetzlich geschuldet, wenn er dem Zollschuldner nicht gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK mitgeteilt wurde (vgl. EuGH-Urteil Transport Maatschappij Traffic vom 20.10.2005 ‑ C‑247/04, EU:C:2005:628, Rz 26 ff., ZfZ 2005, 411).
c) Die teilweise Ungültigerklärung der VO 1472/2006 und der DVO 1294/2009 begründete auch keine Verpflichtung der nationalen Zollbehörden zur vorübergehenden Erstattung sowie zur erneuten Mitteilung des Antidumpingzolls. In dem EuGH-Urteil C & J Clark International und Puma (EU:C:2016:74, ZfZ 2016, 212) wurde eine solche Verpflichtung nicht formuliert. Vielmehr ergab sich daraus lediglich die Verpflichtung der Europäischen Kommission, die zu Unrecht nicht berücksichtigten MWB- und IB-Anträge nachträglich zu prüfen und das Antidumpingverfahren an der Stelle wiederaufzunehmen, an welcher der Fehler aufgetreten ist. Darüber hinaus stand einer vorübergehenden Erstattung die DVO 2016/223 entgegen, deren Gültigkeit der EuGH wie bereits ausgeführt, mit Urteil Deichmann (EU:C:2018:187, ZfZ 2018, 160) bestätigt hatte.
d) Da im Streitfall aufgrund der DVO 2016/223 der von der Klägerin gezahlte Antidumpingzoll nicht (vorübergehend) erstattet wurde, liegt der Sachverhalt auch anders als in den Verfahren Brosmann Footwear (EU:C:2012:53, ZfZ 2012, 93) und Zhejiang Aokang Shoes/Rat (EU:C:2012:710), in denen aufgrund der Nichtigerklärung der Antidumpingverordnungen im Hinblick auf diese Ausführer eine Erstattung erfolgt war (vgl. dazu Erwägungsgrund 10 DVO 2016/223 mit Verweis auf Durchführungsbeschluss 2014/149/EU).
4. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verzinsung, weil ihr bereits kein Anspruch auf Erstattung des entrichteten Antidumpingzolls zusteht.
5. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht ‑‑wie bereits ausgeführt‑‑ nicht, weil der erkennende Senat die hier zu beurteilenden Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einführung und Ergänzung der Antidumpingzölle durch die o.g. EuGH-Entscheidungen als geklärt ansieht (vgl. EuGH-Urteile CILFIT vom 06.10.1982 ‑ 283/81, Slg. 1982, 3415, Rz 16, und Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi vom 06.10.2021 ‑ C‑561/19, EU:C:2021:799, ABlEU 2021, Nr. C 481, 11, ZfZ 2022, 12).
Auch aus dem Urteil des District Court for North Holland vom 17.01.2019 ‑ A WB ‑ 16_3076 (Viditax (FutD), 18‑02‑2019, FutD 2019‑0527) ergibt sich keine Pflicht zur Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH, weil die Frage, ob der Erlass eines neuen Einfuhrabgabenbescheids erforderlich ist, nach Ansicht des erkennenden Senats durch das EuG-Urteil Roland (EU:T:2021:329) und die oben dargestellte EuGH-Rechtsprechung bereits geklärt ist.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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