BFH: Grenzgänger nach dem DBA-Schweiz 1971/2010 bei 24-Stunden-Diensten und geringfügiger Beschäftigung
- Der Grenzgängerbegriff ist in Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 unabhängig von örtlichen Voraussetzungen oder Grenzzonen definiert. Ob eine Rückkehr an den Wohnort aufgrund der großen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort zumutbar ist, betrifft die Frage, ob eine (schädliche) Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung vorliegt.
- Wenn sich bei Krankenhauspersonal regulärer Dienst und Rufbereitschaft lückenlos jeweils abwechseln, liegt ein mehrtägiger ununterbrochener Arbeitseinsatz vor, der als Einheit zu behandeln ist. Ob ein sog. Nichtrückkehrtag vorliegt, richtet sich unter diesen Umständen allein nach der Rückkehr oder Nichtrückkehr am Ende des mehrtägigen Arbeitseinsatzes (Bestätigung des Senatsurteils vom 13.11.2013 ‑ I R 23/12, BFHE 244, 270, BStBl II 2014, 508 = SIS 14 11 22).
- Der Grenzgängerbegriff des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 setzt keine Mindestanzahl an Grenzüberquerungen pro Woche oder Monat voraus. Die anders lautende Regelung in § 7 KonsVerCHEV verstößt gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes.
DBA-Schweiz 1971/2010 Art. 15a, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d
KonsVerCHEV § 7
BFH-Urteil vom 1.6.2022, I R 32/19 (veröffentlicht am 24.11.2022)
Vorinstanz: FG München vom 12.9.2018, 15 K 1010/18 = SIS 19 13 08
I. Die Beteiligten streiten über den Status als Grenzgänger i.S. des Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.08.1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 27.10.2010 (BGBl II 2011, 1092, BStBl I 2012, 513) ‑‑DBA-Schweiz 1971/ 2010‑‑.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten. Im Jahr 2014 (Streitjahr) wohnten sie in X (Bundesrepublik Deutschland ‑‑Deutschland‑‑). Der Kläger war als Honorararzt in einer Klinik in Y (Deutschland) tätig. Darüber hinaus erzielte er aus einer Vertretungstätigkeit in einer Klinik in Z (Schweiz) vom 24.08.2014 bis 14.09.2014, vom 28.09.2014 bis 05.10.2014 und vom 02.11.2014 bis 05.11.2014 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von … €. Der Kläger gab an, diese Einkünfte seien in der Schweiz besteuert worden.
Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) qualifizierte den Kläger als Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010 und erfasste die schweizerischen Einkünfte im Einkommensteuerbescheid 2014 als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der gegen diesen Bescheid erhobene Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) München gab der hiergegen gerichteten Klage mit Urteil vom 12.09.2018 ‑ 15 K 1010/18 (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2019, 1658) statt und unterwarf die streitigen Einkünfte lediglich dem Progressionsvorbehalt. Der Status eines Grenzgängers i.S. des Art. 15a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 scheide aus, da eine regelmäßige Rückkehr zum Wohnort wegen der großen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort (207 km), des hierbei zu überwindenden Passes und der Fahrzeit von drei bis vier Stunden unzumutbar sei. In der Folge komme es nicht mehr darauf an, ob die vereinbarten 24-Stunden-Dienste zu einem Ausschluss schädlicher Nichtrückkehrtage i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 geführt hätten. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass der Kläger während seiner Rufbereitschaft nicht in der Klinik habe anwesend sein müssen, sondern nur eine Rückkehr innerhalb von 45 Minuten erforderlich gewesen sei. Bei kürzerer Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort wäre damit eine tägliche Rückkehr an den Wohnort möglich gewesen. Deshalb seien die einzelnen Tage des Arbeitseinsatzes des Klägers in der Schweiz getrennt zu betrachten und der Status als Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010 entfalle auch wegen der Zahl schädlicher Nichtrückkehrtage. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass es sich um einen befristeten Einsatz in der Schweiz von 31 Tagen gehandelt habe.
Das FA macht mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat die in der Schweiz erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu Unrecht von der inländischen Besteuerung freigestellt; der Kläger war Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010.
- Die Kläger waren gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hatten sie im Streitjahr ihren alleinigen Wohnsitz im Inland und unterlagen daher mit sämtlichen Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG der inländischen Einkommensteuer. Hierzu gehörten auch die in der Schweiz erzielten Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG).
- Die Ausübung des inländischen Besteuerungsrechts ist für diese Einkünfte nicht durch das DBA-Schweiz 1971/2010 eingeschränkt.
Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 sind Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragsstaat zu besteuern, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger ist jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010). Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt ihre Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn sie bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahrs an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010).
Dabei sind nach Nr. II.2. des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18.12.1991 (BGBl II 1993, 1889, BStBl I 1993, 929) ‑‑Verhandlungsprotokoll‑‑, das nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine verbindliche Vorgabe für die Auslegung des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 enthält (vgl. zuletzt Senatsurteil in BFHE 271, 120, m.w.N.), Arbeitstage i.S. des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 die in dem Arbeitsvertrag vereinbarten Tage. Insoweit sieht Nr. II.3. des Verhandlungsprotokolls vor, dass bei einem Arbeitnehmer, der nicht während des gesamten Kalenderjahrs in dem anderen Staat beschäftigt ist, die für die Grenzgängereigenschaft nicht schädlichen Tage der Nichtrückkehr in der Weise zu berechnen sind, dass für einen vollen Monat der Beschäftigung fünf Tage und für jede volle Woche der Beschäftigung ein Tag anzusetzen sind. Entsprechend regelt Nr. II.4. Satz 2 des Verhandlungsprotokolls, dass bei einem Teilzeitbeschäftigten, der nur tageweise im anderen Staat beschäftigt ist, die Anzahl von 60 unschädlichen Tagen der Nichtrückkehr durch proportionale Kürzung im Verhältnis der Arbeitstage herabzusetzen ist. Schließlich wird nach Nr. II.1. des Verhandlungsprotokolls die Annahme einer regelmäßigen Rückkehr an den Wohnsitz nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich die Arbeitsausübung bedingt durch betriebliche Umstände ‑‑wie z.B. bei Schichtarbeitern oder Krankenhauspersonal mit Bereitschaftsdienst‑‑ über mehrere Tage erstreckt.
b) Das FG ist in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, dass der Kläger im Streitjahr gemäß Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2010 in Deutschland ansässig war und für seine ärztliche Vertretungstätigkeit in der Schweiz abkommensrechtlich Einkünfte aus unselbständiger Arbeit erzielte. Insoweit sind keine Rechtsfehler erkennbar.c) Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Schlussfolgerung des FG, die Voraussetzungen des Grenzgängerbegriffs i.S. des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 seien schon wegen der großen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort und der daraus folgenden Unzumutbarkeit einer Rückkehr nicht erfüllt. Denn der Grenzgängerbegriff ist in Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 unabhängig von örtlichen Voraussetzungen oder Grenzzonen definiert (s. z.B. Brandis in Wassermeyer, Schweiz Art. 15a Rz 3 und 45).
aa) Der Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 erfordert die regelmäßige Rückkehr der Person an den Wohnort. Weiterhin wird bestimmt, unter welchen Voraussetzungen (für den Grenzgängerbegriff schädliche) sog. Nichtrückkehrtage vorliegen. Für eine örtliche Einschränkung als zusätzliches Tatbestandsmerkmal bestehen keine Anhaltspunkte.
Dies wird durch einen Vergleich mit der ursprünglichen Grenzgängerregelung in Art. 15 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.08.1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) bestätigt. Danach konnte Grenzgänger nur sein, wer in einem Vertragsstaat in der Nähe der Grenze ansässig ist und im anderen Vertragsstaat in der Nähe der Grenze seinen Arbeitsort hat. Dieser Ortsbezug ist aber nicht in Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 übernommen worden. Hierauf hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 26.04.1995 ‑ I B 166/94 (BFHE 177, 451, BStBl II 1995, 532) hingewiesen und hieraus den Schluss gezogen, dass die "Entfernung von Wohnung und Arbeitsstätte zur Grenze für den Grenzgängerbegriff ohne Bedeutung" ist. Entsprechendes muss auch für die Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort gelten.
bb) Die Erwägungen des FG, ob und inwieweit eine Rückkehr aufgrund der großen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort zumutbar ist, können somit erst dann eine Rolle spielen, wenn es darum geht, ob eine (schädliche) Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 vorliegt (vgl. allgemein Senatsurteile vom 15.09.2004 ‑ I R 67/03, BFHE 207, 452, BStBl II 2010, 155; vom 20.10.2004 ‑ I R 31/04, BFH/NV 2005, 840, jeweils unter Verweis auf die Verständigungsvereinbarung vom 24.06.1999, abgedruckt bei Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, B 15a.2 Nr. 11; für Veranlagungszeiträume ab 01.01.2019 vgl. auch die Konsultationsvereinbarung nach Art. 26 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/2010 vom 12.10.2018, BStBl I 2018, 1103).
d) Darüber hinaus ist das FG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die einzelnen Tage der Tätigkeit des Klägers in der Schweiz getrennt zu betrachten sind und dadurch die zulässige Anzahl schädlicher Nichtrückkehrtage i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 überschritten wird. Vielmehr sind die drei mehrtägigen Arbeitseinsätze in der Schweiz aufgrund der lückenlosen Verbindung über 24-Stunden-Bereitschaftsdienste jeweils als Einheit zu betrachten. Da der Kläger am Ende jeder dieser "Arbeitseinheiten" jeweils an seinen Wohnort zurückgekehrt ist, liegt im Streitfall kein einziger Nichtrückkehrtag vor, der den Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 eröffnen und zum Ausschluss des Status als Grenzgänger führen könnte.aa) Unter Berücksichtigung der Nr. II.1. des Verhandlungsprotokolls hat der Senat bereits entschieden, dass ein mehrtägiger ununterbrochener Arbeitseinsatz vorliegt, wenn sich ‑‑wie im Streitfall‑‑ bei Krankenhauspersonal regulärer Dienst und Rufbereitschaft lückenlos jeweils abwechseln (Senatsurteile vom 13.11.2013 ‑ I R 23/12, BFHE 244, 270, BStBl II 2014, 508; vom 27.08.2008 ‑ I R 64/07, BFHE 222, 553, BStBl II 2009, 97; I R 10/07, BFHE 222, 546, BStBl II 2009, 94; a.A. noch Senatsurteil in BFHE 207, 452, BStBl II 2010, 155). Daraus folgt, dass der jeweilige mehrtägige Arbeitseinsatz als Einheit zu behandeln ist und es für die Zahl der (schädlichen) Nichtrückkehrtage allein auf die Rückkehr oder Nichtrückkehr am Ende des mehrtägigen Arbeitseinsatzes ankommt (vgl. auch Neu, EFG 2019, 1658, 1661 zu etwaigen Besonderheiten bei der Berechnung der Nichtrückkehrtage). Ob ein mehrtägiger ununterbrochener Arbeitseinsatz vorliegt, richtet sich dabei nach den arbeitsvertraglichen Regelungen und nicht nach der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit einer durchgängigen Rufbereitschaft oder der Möglichkeit einer Übernachtung außerhalb des Krankenhausgeländes während der Rufbereitschaften. Dies lässt sich insbesondere aus Nr. II.2. des Verhandlungsprotokolls herleiten (Senatsurteil in BFHE 244, 270, BStBl II 2014, 508).
bb) An dieser Auffassung hält der Senat ungeachtet des Umstands fest, dass sie im Streitfall dazu führt, dass sich einer der mehrtägigen (und damit einheitlich zu betrachtenden) Arbeitseinsätze über insgesamt 22 Tage erstreckt. Zwar könnte ein solcher Fall Anlass zu weiteren Untersuchungen über die tatsächlich vereinbarten Arbeitszeiten geben. Auf Grundlage des Anstellungsvertrags und einer Bescheinigung der Klinik in Z gehen die Beteiligten aber übereinstimmend davon aus, dass der Kläger während seiner mehrtägigen Arbeitseinsätze in der Schweiz jeweils lückenlos 24-Stunden-Bereitschaftsdienste geleistet hat. Auch das FG hat dies in einer den Senat bindenden Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) angenommen.
cc) Der Kläger ist jeweils am Ende seiner mehrtägigen Arbeitseinsätze ‑‑und damit "jeweils nach Arbeitsende" i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010‑‑ an seinen Wohnort zurückgekehrt. Dies führt dazu, dass im Streitfall bereits die Eingangsvoraussetzungen des ersten Halbsatzes des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 nicht erfüllt sind. Entgegen der Annahme des FG liegt kein einziger Nichtrückkehrtag vor, der Anlass für eine weitere Prüfung geben könnte, ob die zulässige Anzahl (schädlicher) Nichtrückkehrtage überschritten wird und dadurch der Status des Klägers als Grenzgänger entfällt. Dadurch erübrigen sich auch weitere Ausführungen dazu, ob und inwieweit mehrtägige Arbeitseinsätze Einfluss auf die Berechnung der Höchstgrenze schädlicher Nichtrückkehrtage haben (vgl. hierzu allgemein Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15a Rz 41).
e) Schließlich hat das FG die Ablehnung der Qualifizierung als Grenzgänger zu Unrecht auch darauf gestützt, dass der Kläger ausschließlich in dem Streitjahr und nur an insgesamt 31 Tagen in der Schweiz gearbeitet hat. Auch diese Einschränkung lässt sich dem Grenzgängerbegriff des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 nicht entnehmen.aa) Der Begriff "regelmäßig" in Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/ 2010 setzt keine Mindestanzahl an Grenzüberquerungen pro Woche oder Monat voraus (Brandis in Wassermeyer, Schweiz Art. 15a Rz 46; grundsätzlich auch Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 15a Rz 48, aber Hinweis auf die gegenteilige Regelung in § 7 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20.12.2010 ‑‑KonsVerCHEV‑‑, BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2011, 146; a.A. BMF-Schreiben vom 19.09.1994, BStBl I 1994, 683 Rz 10; Vogelgesang in Gosch/Kroppen/ Grotherr/Kraft, Art. 15a DBA-Schweiz Rz 16; Dumser/Enz/Günther, Die abkommensrechtlichen Grenzgängerbestimmungen zwischen den D‑A‑CH-Staaten, 2012, S. 23 Fn 66).
Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010, da sich die Voraussetzung "regelmäßig" ausdrücklich nur auf das Verb "zurückkehrt" bezieht. In der Folge kommt als Bezugsgröße grundsätzlich nur die Gesamtzahl der Tätigkeitstage in Betracht, d.h. (nur) bezogen auf diese Tätigkeitstage ‑‑und nicht bezogen auf das gesamte Jahr‑‑ muss eine regelmäßige und nicht nur gelegentliche Rückkehr vorliegen. Aus dem Zusatz "von dort" könnte allenfalls geschlossen werden, die Bezugsgröße noch enger auf die Tage der tatsächlichen Arbeitsausübung in der Schweiz zu beschränken (so Brandis in Wassermeyer, Schweiz Art. 15a Rz 46). Dies hätte im Streitfall aber keine entscheidungserhebliche Auswirkung, da der Kläger nach den Feststellungen des FG kein einziges Mal in der Schweiz geblieben ist.
Dass eine Mindestzahl an Grenzüberquerungen nicht erforderlich ist, ergibt sich zudem aus dem Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010, der definiert, was unter "regelmäßig" i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 zu verstehen ist. Danach ist allein maßgebend, dass der Steuerpflichtige "nicht jeweils nach Arbeitsende" an den Wohnort zurückkehrt, ohne die Grenze von 60 schädlichen Nichtrückkehrtagen zu überschreiten. Anhaltspunkte für eine absolute Mindestzahl der Einsatztage am Arbeitsort in dem anderen Vertragsstaat lassen sich diesem Wortlaut nicht entnehmen. Dies wird durch Nr. II.3. und Nr. II.4. Satz 2 des Verhandlungsprotokolls bestätigt, die sowohl für Teilzeitbeschäftigte als auch bei einer nur zeitweisen Beschäftigung im Kalenderjahr lediglich eine proportionale Kürzung der Höchstgrenze schädlicher Nichtrückkehrtage vorsehen.
Im Übrigen entspricht diese Sichtweise auch dem Zweck der Grenzgängerregelung, der aus den Kriterien des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 deutlich wird und darauf gerichtet ist, einer engeren Bindung des Steuerpflichtigen zum Ansässigkeitsstaat Rechnung zu tragen. Im Zusammenhang mit einer Rückkehr des Arbeitnehmers von Geschäftsreisen aus einem Drittland hat der Senat hierzu ausgeführt, dass eine tatsächliche Rückkehr an den Wohnsitz nicht zu einer Lockerung dieser Bindung führen kann. Vielmehr hat jede tatsächliche Rückkehr an den Wohnsitz ‑‑unabhängig von ihrem Ausgangspunkt‑‑ eine Stärkung der Bindung zum Ansässigkeitsstaat zur Folge (vgl. Senatsurteil in BFHE 271, 120, m.w.N.). Hiervon ausgehend kann allein der Umstand, dass der Arbeitsort in dem anderen Vertragsstaat nur selten aufgesucht wird, ebenfalls nicht zu einer Lockerung der Bindung an den Ansässigkeitsstaat und damit nicht zu einem Ausschluss der Anwendung der Grenzgängerregelung führen.
bb) Die Regelung des § 7 KonsVerCHEV, wonach bei geringfügigen Arbeitsverhältnissen eine regelmäßige Rückkehr i.S. des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 ausscheidet, wenn sich der Arbeitnehmer nicht mindestens an einem Tag pro Woche oder fünf Tagen pro Monat von seinem Wohnsitz an seinen Arbeitsort und zurück begibt, steht dem nicht entgegen. Unabhängig davon, ob die Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung hinreichend bestimmt ist (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes ‑‑GG‑‑, vgl. Senatsurteil in BFHE 271, 120, m.w.N.), verstößt § 7 KonsVerCHEV gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) und ist daher vom Senat zu verwerfen.
Durch die im Rang einer Rechtsverordnung stehende KonsVerCHEV kann keine Regelung getroffen werden, die dem im Rang eines Gesetzes stehenden DBA-Schweiz 1971/2010 widerspricht oder dessen Lücken ergänzt. Vielmehr ist die "Grenzmarke" des Wortlauts des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010 zu beachten (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil in BFHE 271, 120, m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird § 7 KonsVerCHEV nicht gerecht. Wie bereits ausgeführt, stützt der Senat sein von § 7 KonsVerCHEV abweichendes Verständnis gerade auf den Wortlaut der Definition des Grenzgängers in Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 sowie auf die ausdrücklichen Regelungen in Nr. II.3. und Nr. II.4. Satz 2 des Verhandlungsprotokolls, auf die im Zustimmungsgesetz vom 30.09.1993 (BGBl II 1993, 1886, BStBl I 1993, 927) Bezug genommen wird. Hiermit ist § 7 KonsVerCHEV nicht vereinbar. Die Grenze von einem Tag in der Woche oder fünf Tagen im Monat ist lediglich in Nr. II.3. des Verhandlungsprotokolls vorgesehen. Diese Vorschrift regelt aber nur die Berechnung der Höchstgrenze schädlicher Nichtrückkehrtage bei zeitweiser Tätigkeit in dem anderen Vertragsstaat und gerade keine Mindestzahl der Einsatztage am Arbeitsort in dem anderen Vertragsstaat.
- Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Daher war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif und die Klage abzuweisen.
Auf Grundlage der den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) erfüllt der Kläger die Voraussetzungen eines Grenzgängers i.S. des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010, da er regelmäßig an seinen Wohnort zurückgekehrt ist. Im Streitjahr ist es zu drei mehrtägigen Arbeitseinsätzen in der Schweiz gekommen, die nach Nr. II.1. des Verhandlungsprotokolls wegen durchgängiger 24-Stunden-Bereitschaftsdienste jeweils als Einheit zu betrachten sind und an deren Ende der Kläger jeweils an seinen Wohnort in Deutschland zurückgekehrt ist. Es liegt kein einziger Nichtrückkehrtag vor, der zu einer Anwendung des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 führen könnte.
b) Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist die gemäß Art. 15a Abs. 1 Satz 3 DBA-Schweiz 1971/2010 in der Schweiz erhobene Quellensteuer in Höhe von 4,5 % auf die inländische Einkommensteuer anzurechnen (Art. 15a Abs. 3 Buchst. a DBA-Schweiz 1971/2010 i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG).Das FG hat zwar keine ausdrücklichen Feststellungen zur Anrechnung schweizerischer Quellensteuer getroffen. Zwischen den Beteiligten besteht hierüber aber kein Streit. Dass das FA die in Art. 15a Abs. 3 Buchst. a DBA-Schweiz 1971/2010 vorgesehene Anrechnung im angefochtenen Bescheid vorgenommen hat, ergibt sich zudem aus den Akten. Eine zusätzliche Anwendung des § 34c EStG ist selbst dann ausgeschlossen, wenn die Schweiz entgegen Art. 15a Abs. 1 Satz 3 DBA-Schweiz 1971/2010 mehr als 4,5 % Quellensteuer einbehalten haben sollte (vgl. Senatsurteil vom 02.03.2010 ‑ I R 75/08, BFH/NV 2010, 1820; Brandis in Wassermeyer, Schweiz Art. 15a Rz 62, m.w.N.).
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
- Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Kläger und des FA im schriftlichen Verfahren (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO). Das Einverständnis des beigetretenen BMF war hierfür nicht erforderlich (s. allgemein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11.11.2010 ‑ VI R 17/09, BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969).
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