BFH: Unzulässigkeit einer im Jahr 2022 lediglich per Telefax erhobenen Anhörungsrüge
Die Erhebung einer Anhörungsrüge durch einen Rechtsanwalt ist ab dem 01.01.2022 unzulässig, wenn sie nicht als elektronisches Dokument in der Form des § 52a FGO an den BFH übermittelt wird. Der Verstoß gegen § 52d FGO führt zur Unwirksamkeit des Antrags. Er gilt als nicht vorgenommen.
FGO § 52a, § 52d
BFH-Beschluss vom 23.8.2022, VIII S 3/22 (veröffentlicht am 15.9.2022)
Vorinstanz: Bundesfinanzhof vom 15.10.2021, VIII B 37/21
I. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision der Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Rügeführer) gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) München, Außensenate Augsburg, vom 19.01.2021 ‑ 6 K 2204/18 mit Beschluss vom 15.10.2021 ‑ VIII B 37/21 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschluss wurde den Rügeführern mit Zustellungsurkunde am 05.02.2022 zugestellt. Der Rügeführer zu 1., der als Rechtsanwalt tätig ist und als Prozessbevollmächtigter der Rügeführerin zu 2. auftritt, hat mit Telefax vom 21.02.2022 Anhörungsrüge für die Rügeführer erhoben. Mit Schreiben der Senatsvorsitzenden vom 25.02.2022 wurde der Rügeführer zu 1. darauf hingewiesen, dass vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen seit dem 01.01.2022 als elektronisches Dokument zu übermitteln sind (§ 52d Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) und dass das per Telefax übermittelte Schreiben vom 21.02.2022 diesen Anforderungen nicht genüge. Eine Übermittlung nach allgemeinen Vorschriften sei nur zulässig, wenn eine Übermittlung als elektronisches Dokument vorübergehend nicht möglich sei (§ 52d Satz 3 FGO). Die Rügeführer wurden um unverzügliche Mitteilung und Glaubhaftmachung gebeten, ob eine vorübergehende Unmöglichkeit vorgelegen habe (§ 52d Satz 4 FGO). Sollte dies nicht der Fall sein, wurden sie gebeten, den Schriftsatz vom 21.02.2022 elektronisch zu übermitteln. Das Schreiben der Vorsitzenden wurde den Rügeführern mit Zustellungsurkunde am 01.03.2022 zugestellt. Diese haben sich hierzu nicht mehr geäußert.
II. Die Anhörungsrüge ist unzulässig, weil es ihr an der gesetzlich vorgeschriebenen Form fehlt. Sie ist nicht als elektronisches Dokument übermittelt worden.
1. Nach § 52d Satz 1 FGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die Vorschrift gilt für alle Verfahren nach der FGO (Brandis in Tipke/Kruse, § 52a FGO Rz 3; Schmieszek in Gosch, FGO § 52a Rz 4; Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52a FGO Rz 20; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 52a Rz 2), somit auch für die Anhörungsrüge i.S. des § 133a FGO. Sie ist zum 01.01.2022 in Kraft getreten (Art. 26 Abs. 7 i.V.m. Art. 6 Nr. 4 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013, BGBl I 2013, 3786). Der Rügeführer zu 1., der als Rechtsanwalt in eigener Sache und als Prozessbevollmächtigter der Rügeführerin zu 2. auftrat, war daher verpflichtet, die Anhörungsrüge als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die Norm knüpft allein an den Status des Prozessbevollmächtigten als Rechtsanwalt an.
2. Das am 21.02.2022 eingegangene Telefax, bei dem es sich nicht um ein Computerfax handelt, ist bereits kein elektronisches Dokument. Ein elektronisches Dokument ist eine Datei, die mit Mitteln der Datenverarbeitung erstellt, auf einem Datenträger aufgezeichnet werden kann und (bereits) in dieser Form maßgeblich ist. Dies ist bei dem vorliegenden Telefax nicht der Fall, da der Papierausdruck beim Empfänger (BFH) lediglich den Inhalt des Dokuments wiedergibt, ohne selbst Rechtswirksamkeit zu erzeugen.
3. Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgt, und die Übermittlungsformen Telefax und Computerfax durch die Einführung der elektronischen Kommunikation nicht ausgeschlossen werden (so Schmieszek in Gosch, FGO § 52a Rz 6), wurde das Telefax zur Erhebung der Anhörungsrüge jedenfalls nicht gemäß den Anforderungen übermittelt, die § 52a FGO an die Übermittlung elektronischer Dokumente stellt. Nach § 52a Abs. 3 FGO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Nach § 52a Abs. 4 Satz 1 FGO sind sichere Übermittlungswege
- der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs. 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt (Nr. 1),
- der Übermittlungsweg zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts (Nr. 2),
- der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts (Nr. 3),
- der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfachs einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts (Nr. 4),
- der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Abs. 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts (Nr. 5),
- sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind (Nr. 6).
Von der Verordnungsermächtigung des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 FGO hat die Bundesregierung noch keinen Gebrauch gemacht.
Der Telefaxversand der Rügeführer erfüllt keinen der Tatbestände der Nrn. 1 bis 5. Sämtliche dieser Tatbestände setzen eine Identifizierbarkeit des Absenders durch eine Signatur samt einer sicheren Übermittlung voraus, die ein Telefaxversand nicht gewährleistet (vgl. Beschluss des FG Münster vom 22.02.2022 ‑ 8 V 2/22, Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2022, 592).
4. Es handelt sich auch nicht um einen Fall der sog. Ersatzeinreichung. Nach § 52d Satz 3 FGO bleibt, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wobei nach § 52d Satz 4 FGO die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen ist. Dass es sich bei dem am 21.02.2022 eingegangenen Fax um eine Ersatzeinreichung nach § 52d Satz 3 FGO handelt, ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht und auch nicht aus sonstigen Umständen ersichtlich. Die Rügeführer haben zu dem Hinweis der Senatsvorsitzenden auf die Möglichkeit der Ersatzeinreichung gemäß § 52d Satz 3 FGO im Schreiben vom 25.02.2022 keine Stellung genommen.
5. Der Verstoß gegen § 52d FGO führt zur Unwirksamkeit des Antrags; er gilt als nicht vorgenommen (vgl. Beschluss des FG Münster in EFG 2022, 592; Brandis in Tipke/Kruse, § 52a FGO Rz 14; Schmieszek in Gosch, FGO § 52d Rz 8; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 52a Rz 30).
6. Die Kostenpflicht der Anhörungsrüge folgt aus Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz ‑‑GKG‑‑ (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Es fällt eine Festgebühr von 66 € an.
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