BFH: Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG bei gewinnmindernder Ausbuchung einer unbesichert im Konzern begebenen Darlehensforderung
- Die Abgrenzung zwischen betrieblich veranlassten Darlehen und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Einlagen ist anhand der Gesamtheit der objektiven Verhältnisse vorzunehmen. Einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs ist dabei nicht die Qualität unverzichtbarer Tatbestandsvoraussetzungen beizumessen (Bestätigung des Senatsurteils vom 29.10.1997, I R 24/97, BFHE 184 S. 482, BStBl 1998 II S. 573 = SIS 98 08 34, unter II.2.).
- Die fehlende Darlehensbesicherung gehört zu den "Bedingungen" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Fremdunüblichkeit der Geschäftsbeziehung führen kann; Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 1 OECD‑MustAbk (hier: Art. 9 DBA‑Belgien 1967) ‑ Bestätigung der Senatsrechtsprechung.
- Ob ein unbesichertes Konzerndarlehen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls fremdvergleichskonform ist, hängt davon ab, ob auch ein fremder Dritter ‑‑ggf. unter Berücksichtigung möglicher Risikokompensationen‑‑ das Darlehen unter gleichen Bedingungen ausgereicht hätte (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).
- Wäre ein unbesichertes Konzerndarlehen nur mit einem höheren als dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz fremdüblich, hat eine Einkünftekorrektur vorrangig in Höhe dieser Differenz zu erfolgen (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).
- Im Rahmen von Feststellungen zum Fremdvergleich ist die Ausreichung unbesicherter Darlehen durch fremde Dritte an die Konzernobergesellschaft nicht geeignet, die Würdigung des einer (Tochter‑)Gesellschaft eingeräumten Darlehens am Maßstab einer fremdüblichen Kreditgewährung zu ersetzen (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).
AStG i.d.F. des StVergAbG § 1 Abs. 1, Abs. 4
AEUV Art. 267
DBA-Belgien 1967 Art. 9
OECD-MustAbk Art. 9 Abs. 1
BFH-Urteil vom 13.1.2022, I R 15/21 (veröffentlicht am 23.6.2022)
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 10.11.2015, 6 K 2095/13 K = SIS 17 04 72
I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Einkünftekorrektur nach § 1 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) i.d.F. des Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz ‑‑StVergAbG‑‑) vom 16.05.2003 (BGBl I 2003, 660, BStBl I 2003, 321) ‑‑AStG‑‑ im Hinblick auf die Teilwertabschreibung eines unbesicherten Darlehens (Schuld aus einem Verrechnungskonto).
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH mit Sitz im Inland, ist Alleingesellschafterin und zugleich Organträgerin der A GmbH mit ebenfalls inländischem Sitz. Letztere war zu 99,98 % an der B N.V., einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Belgien, beteiligt. Die restlichen Anteile an der B N.V. hielt die Klägerin selbst.
Die A GmbH führte für die B N.V. ein Verrechnungskonto (Zinsstaffelmethode), das ab dem 01.01.2004 mit 6 % p.a. verzinst wurde. Eine Besicherung wurde nicht vereinbart. Im Streitjahr (2005) belief sich die Verzinsung eines der Klägerin von einer Bank gewährten Betriebsmittelkredits auf 3,14 %.
Am 30.09.2005 schlossen die A GmbH und die B N.V. einen Vertrag über einen Forderungsverzicht gegen Besserungsschein (... €). Der Betrag entsprach dem nach Ansicht der Vertragsbeteiligten wertlosen Teil der gegen die B N.V. gerichteten Forderungen aus dem Verrechnungskonto. Er wurde zwar in der Bilanz der A GmbH gewinnmindernd ausgebucht, der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) hat jedoch die Gewinnminderung mit Rücksicht auf die fehlende Forderungsbesicherung nach § 1 Abs. 1 AStG durch eine außerbilanzielle Hinzurechnung neutralisiert.
Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. In seinem Urteil vom 10.11.2015 ‑ 6 K 2095/13 K (Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 553) folgte das Finanzgericht (FG) Düsseldorf der Rechtsprechung des erkennenden Senats in seinen Urteilen vom 17.12.2014 ‑ I R 23/13 (BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261) und vom 24.06.2015 ‑ I R 29/14 (BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258), wonach unter Geltung des Art. 9 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 11.04.1967 (BGBl II 1969, 18, BStBl I 1969, 39) ‑‑DBA-Belgien 1967‑‑ eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG nur dann möglich sei, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis seiner Höhe (seiner Angemessenheit) nach dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhalte. Soweit das FA vorgetragen habe, die zwischen der A GmbH und der B N.V. vereinbarte Zinshöhe sei fremdunüblich, habe es keine entsprechenden Nachweise vorgelegt. Außerdem habe es die Hinzurechnung nicht in Höhe der Differenz zwischen vereinbartem und fremdüblichem Zins, sondern in Höhe des gesamten Abschreibungsumfangs vorgenommen, was zeige, dass es die Hinzurechnung gerade nicht auf die Fremdunüblichkeit des vereinbarten Zinses gestützt habe. Angesichts des Zinsaufschlags in Höhe von 2,86 % auf den Refinanzierungszinssatz sei man von einer Fremdunüblichkeit der vereinbarten Zinshöhe nicht überzeugt.
Der Senat hat aufgrund mündlicher Verhandlung am 27.02.2019 die Revision des FA als begründet angesehen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.02.2019 ‑ I R 73/16, BFHE 263, 525, BStBl II 2019, 394). Mit Beschluss vom 04.03.2021 ‑ 2 BvR 1161/19 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑‑HFR‑‑ 2021, 504) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) der Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil stattgegeben, das Senatsurteil aufgehoben und die Sache an den Bundesfinanzhof (BFH) zurückverwiesen. Der Rechtsstreit hat das neue Az. I R 15/21 erhalten.
Das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Es unterstützt, ohne einen eigenen Antrag zu stellen, das Revisionsbegehren des FA.
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die bisherigen Feststellungen des FG zur Anwendbarkeit der Regelung des § 1 AStG auf den Streitfall im Hinblick auf die Teilwertabschreibung des unbesicherten Darlehens (Schuld aus einem Verrechnungskonto) reichen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht aus.
1. Die Vorinstanz ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass aufgrund der im Streitjahr bestehenden körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft zwischen der A GmbH (als Organgesellschaft) und der Klägerin (als Organträgerin) das Einkommen der A GmbH gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung der Klägerin zuzurechnen ist. Entsprechend sind die Einwendungen gegen die Höhe des zugerechneten Einkommens von der Klägerin als Organträgerin im Rechtsbehelfsverfahren gegen den an sie gerichteten Körperschaftsteuerbescheid geltend zu machen.
2. Die tatrichterlichen Feststellungen der Vorinstanz reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Gewinnminderung, die auf der Teilwertabschreibung des unbesicherten Darlehens beruht, gemäß § 1 Abs. 1 AStG außerbilanziell zu korrigieren ist.
a) Werden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen mit einer ihm nahestehenden Person dadurch gemindert, dass er im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen zum Ausland Bedingungen vereinbart, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten, sind seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften gemäß § 1 Abs. 1 AStG so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären. Geschäftsbeziehung in diesem Sinne ist gemäß § 1 Abs. 4 AStG jede den Einkünften zugrundeliegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 des Einkommensteuergesetzes anzuwenden sind oder im Fall eines ausländischen Nahestehenden anzuwenden wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde.
b) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 AStG könnten im Hinblick auf die Teilwertabschreibung im Inland erfüllt sein.
aa) Bei dem Darlehensverhältnis zwischen der A GmbH und der B N.V. handelt es sich um eine Geschäftsbeziehung i.S. von § 1 Abs. 4 AStG. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und bedarf keiner weitergehenden Ausführungen.
bb) Die Besicherung bzw. Nichtbesicherung der Ansprüche gehört zu den "Bedingungen" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG (noch offen gelassen im Senatsurteil in BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261, Rz 15). Der Begriff der Bedingung ist zwar gesetzlich nicht definiert; im gewöhnlichen Geschäftsverkehr sind hierzu jedoch ‑‑neben Vereinbarungen über die Laufzeit, Art und Weise der Rückzahlung sowie die Höhe und den Zahlungszeitpunkt der Zinsen‑‑ üblicherweise auch Vereinbarungen über die zu stellenden Sicherheiten zu rechnen (vgl. Nr. 13 AGB‑Banken). Auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig und bedarf keiner weiteren Ausführungen.
cc) Der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 1 AStG knüpft daran an, dass "Einkünfte eines Steuerpflichtigen ... gemindert" werden. Der streitgegenständliche Fall einer Teilwertabschreibung im Inland wird nach der Rechtsprechung des Senats, an der festzuhalten ist, vom Begriff der Einkünfteminderung erfasst (Senatsurteil vom 09.06.2021 ‑ I R 32/17, BFHE 273, 475). Zur näheren Begründung wird auf das genannte Urteil verwiesen.
dd) Die Einkünfteminderung i.S. von § 1 Abs. 1 AStG kann auch durch ("dadurch") die fehlende Besicherung eingetreten sein. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass maßgeblich im Sinne des Veranlassungsprinzips das die gewinnmindernde Forderungsausbuchung "auslösende Moment" ist (vgl. hierzu die Nachweise im Senatsurteil in BFHE 273, 475). Bei der hierfür gebotenen wertenden Betrachtung ist im Streitfall vorrangig auf den Sicherungsverzicht abzustellen. Erst der Sicherungsverzicht hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass es bei der A GmbH zu einer Einkünfteminderung kommen konnte (vgl. allgemein zuletzt Senatsurteil in BFHE 273, 475).
ee) Die Einkünftekorrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG wird im Streitfall nicht durch Art. 9 DBA‑Belgien 1967 ausgeschlossen. Der Senat hat seine bisherige Rechtsprechung zur sog. Sperrwirkung der dem Art. 9 Abs. 1 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD‑Musterabkommen ‑‑OECD-MustAbk‑‑) nachgebildeten abkommensrechtlichen Vorschriften (vgl. Senatsurteile in BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258, und in BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261) mittlerweile aufgegeben. Zur näheren Begründung wird auf das Senatsurteil in BFHE 273, 475 verwiesen.
ff) Die Nichtbesicherung der Rückzahlungsforderung aus den Darlehen kann im Streitfall von den Bedingungen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten (sog. Fremdvergleich). Das FG hat hierzu allerdings keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
(1) Die Prüfung anhand dessen, was fremde Dritte vereinbart hätten, ist bei miteinander verbundenen Gesellschaften nicht bereits aufgrund des sog. Rückhalts im Konzern entbehrlich. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass der "Konzernrückhalt" lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung beschreibt und die Üblichkeit zum Ausdruck bringt, innerhalb eines Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern. Eine fremdübliche (werthaltige) Besicherung des Rückzahlungsanspruchs im Sinne einer aktiven Einstandsverpflichtung kann darin nicht gesehen werden. Hieran hat der Senat zuletzt nach nochmaliger Überprüfung festgehalten (Senatsurteil in BFHE 273, 475). Zur näheren Begründung wird wiederum auf diese Entscheidung verwiesen.
(2) Die Nichtbesicherung im Streitfall weicht vom Fremdüblichen ab, wenn ein fremder Gläubiger ‑‑ggf. unter Berücksichtigung möglicher Risikokompensationen‑‑ das Darlehen nicht unter gleichen Bedingungen ausgereicht hätte. Dies festzustellen ist Aufgabe des FG.
Für diese Feststellung ist auf das Verhalten eines fremden Dritten abzustellen (vgl. Senatsurteile vom 27.02.2019 ‑ I R 81/17, BFHE 264, 297, BStBl II 2020, 443; vom 27.02.2019 ‑ I R 51/17, BFHE 264, 292, BStBl II 2020, 440; vom 19.06.2019 ‑ I R 5/17, BFH/NV 2020, 183; vom 19.06.2019 ‑ I R 54/17, Internationales Steuerrecht ‑‑IStR‑‑ 2020, 230; vom 14.08.2019 ‑ I R 34/18, BFH/NV 2020, 757; vom 14.08.2019 ‑ I R 14/18, BFH/NV 2020, 755; vom 18.12.2019 ‑ I R 72/17, BFH/NV 2020, 1049; vom 19.02.2020 ‑ I R 19/17, BFHE 269, 243, BStBl II 2021, 223), wobei es sich hierbei nicht um "klassische Banken" handeln muss (vgl. Senatsurteile vom 18.05.2021 ‑ I R 62/17, BFHE 273, 457, und in BFHE 273, 475). Entscheidend ist, dass ein Markt für die vereinbarten Darlehen ermittelt werden kann, der dann den Maßstab für den vorzunehmenden Fremdvergleich bildet. Zur Ermittlung dieses Marktes sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen (s. hierzu Senatsurteile in BFHE 273, 457, und in BFHE 273, 475), wobei das Fehlen einer einzelnen "Bedingung" (hier: fehlende Besicherung) nicht unmittelbar dazu führt, dass eine hierdurch veranlasste Einkunftsminderung dem Berichtigungsbefehl des § 1 AStG unterfällt (ebenso BMF-Schreiben vom 14.07.2021 ‑ Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise, Grundsätze für die Korrektur von Einkünften gemäß § 1 AStG [BStBl I 2021, 1098], Rz 1.22). Ob ein unbesichertes Darlehen im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls fremdvergleichskonform ist, hängt damit davon ab, ob auch ein fremder Dritter ‑‑ggf. unter Berücksichtigung möglicher Risikokompensationen‑‑ das Darlehen unter gleichen Bedingungen ausgereicht hätte (in diesem Sinne bereits Senatsurteile in IStR 2020, 230; in BFHE 273, 457, und in BFHE 273, 475).
(3) Zu der Frage, ob die vereinbarten Darlehensbedingungen in ihrer Gesamtheit dem entsprechen, was fremde, nicht mit den nachgeordneten Gesellschaften verbundene Darlehensgeber (ex ante) vereinbart hätten, hat das FG keine Feststellungen getroffen. Es hat sich ‑‑aus seiner Sicht konsequent‑‑ mit der Fremdvergleichsproblematik nicht näher befasst, weil es der bisherigen Senatsrechtsprechung zu Art. 9 Abs. 1 OECD‑MustAbk (Urteile in BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261, und in BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258) gefolgt ist, an der der Senat aber nicht festhält (s. oben II.2.b ee).
3. Das angefochtene Urteil beruht auf einer anderen rechtlichen Beurteilung. Es ist daher aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird in einem ersten Schritt festzustellen haben, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Verrechnungskonto um ein betrieblich veranlasstes und damit steuerrechtlich anzuerkennendes Darlehen der A GmbH handelte oder ob dieses Konto durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Einlagen in das Vermögen der B N.V. ausweist (nachfolgend zu a). Sollte sich ergeben, dass es sich bei dem Verrechnungskonto um steuerrechtlich anzuerkennende Darlehen handelt, wird das FG die erforderlichen Feststellungen zum Fremdvergleich der unbesicherten Darlehen nachzuholen haben (nachfolgend zu b).
a) Bei der Beurteilung von Kapitalüberlassungen zwischen verbundenen Unternehmen bedarf es zunächst der Abgrenzung, ob das zugeführte Kapital dauerhaft in das Vermögen der empfangenden Gesellschaft übergehen sollte und eine Rückzahlung nicht beabsichtigt war (BFH-Urteil vom 06.11.2003 ‑ IV R 10/01, BFHE 204, 438, BStBl II 2004, 416) oder ob die Parteien ‑‑im Sinne einer ernstlichen Abrede‑‑ von der Überlassung von Kapital auf Zeit ausgegangen sind und davon ausgehen konnten, dass der Darlehensvertrag durchgeführt, insbesondere also das Darlehen zurückgezahlt wird (dazu Senatsurteil in BFHE 248, 170, BStBl II 2016, 261, Rz 26).
Hierbei ist nach der zu Verträgen zwischen Angehörigen ergangenen Rechtsprechung die Abgrenzung zwischen privater und betrieblicher Veranlassung im Anschluss an die BVerfG-Beschlüsse vom 07.11.1995 ‑ 2 BvR 802/90 (BStBl II 1996, 34, unter B.I.2.) und vom 15.08.1996 ‑ 2 BvR 3027/95 (Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1996, 2174) anhand der Gesamtheit der objektiven Verhältnisse mit der Maßgabe vorzunehmen, dass nicht jede Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Fremdüblichen im Sinne eines absolut wirkenden Tatbestandsmerkmals die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt. Vielmehr sind die einzelnen Kriterien des Fremdvergleichs im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung zu würdigen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.10.2018 ‑ X R 44‑45/17, BFHE 263, 11, BStBl II 2019, 203, m.w.N.). Nichts anderes kann für Vertragsverhältnisse zwischen Gesellschaften und ihren Gesellschaftern und damit für die Frage gelten, ob eine Kapitalüberlassung der eigenen betrieblichen Sphäre oder derjenigen des Gesellschaftsverhältnisses (hier: Beteiligung der A GmbH an der B N.V.) zuzuordnen ist.
Eine derartige Gesamtbetrachtung hat das FG nicht vorgenommen. Sie kann in der Revisionsinstanz auch nicht nachgeholt werden. Das FG wird zu berücksichtigen haben, dass zwar in der den Streitfall kennzeichnenden Nichtbesicherung des Schuldsaldos aus dem Verrechnungskonto einerseits ein möglicherweise nicht fremdüblicher Umstand zu sehen sein kann, da ein mit der B N.V. nicht verbundener Kreditgeber auf einer (fremdüblichen) Sicherheit bestanden hätte. Abweichendes kann auch dem Topos des (sog.) Konzernrückhalts nicht entnommen werden, da er ‑‑ohne Hinzutreten einer rechtlichen Verpflichtung, für die Rückzahlung des Darlehens einzustehen‑‑ lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung und die Üblichkeit zum Ausdruck bringt, innerhalb eines Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern (z.B. Greil, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2018/2019, 947, 963 ff.). Soweit den Urteilen des Senats in BFHE 250, 386, BStBl II 2016, 258 sowie vom 29.10.1997 ‑ I R 24/97 (BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573, unter II.3.d) Abweichendes zu entnehmen ist, wird hieran nicht festgehalten. Dies schließt es andererseits aber nicht aus, auch ertragsteuerrechtlich von einer ernstlichen, d.h. betrieblich veranlassten Darlehensabrede auszugehen (Senatsurteil in BFHE 184, 482, BStBl II 1998, 573, zu II.2.). Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung wird das FG hierbei vor allem die sonstigen Umstände des Vertragsschlusses (z.B. berechtigte Ertragserwartungen des Kreditnehmers, Einfluss des Kreditgebers auf dessen Geschäftstätigkeit, grundsätzliche Bereitschaft, die kreditnehmende Gesellschaft im Geschäftsverkehr nach außen zu stützen) indiziell mit Rücksicht darauf zu würdigen haben, ob ‑‑ungeachtet eines möglicherweise nicht fremdüblichen Verzichts auf die Einräumung einer werthaltigen Sicherung der Darlehensansprüche‑‑ die Parteien von einer Kapitalüberlassung auf Zeit und damit insbesondere von der Rückzahlung des Kreditkapitals ausgegangen sind und bei objektiver Würdigung ausgehen konnten.
b) Sollte die Prüfung ergeben, dass es sich bei dem Verrechnungskonto in der Sache um steuerrechtlich anzuerkennende Darlehen handelt, wird das FG mit Blick auf eine Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG zu untersuchen haben, ob die fehlende Besicherung der Darlehensrückzahlungsforderung dem entspricht, was fremde, nicht mit der nachgeordneten Gesellschaft verbundene Darlehensgeber (ex ante) vereinbart hätten. Es wird dabei zu ermitteln haben, ob ein Markt für die ‑‑ohne Sicherheiten‑‑ vereinbarten Darlehen existiert, der dann den Maßstab für den vorzunehmenden Fremdvergleich abbildet. Zur Ermittlung dieses Marktes wird es alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen haben. Insbesondere wird zu prüfen sein, ob ein fremder Dritter angesichts der konkreten Ertragssituation der B N.V. als darlehensnehmenden Gesellschaft bereit gewesen wäre, eine entsprechende Vereinbarung mit dieser einzugehen. Der Fremdvergleich hat sich an der konkreten darlehensnehmenden Gesellschaft ‑‑und insbesondere deren Ertragssituation‑‑ zu orientieren. Die Ausreichung von Darlehen durch fremde Dritte an die Konzernobergesellschaft vermag eine Würdigung des einer (Tochter‑)Gesellschaft eingeräumten Darlehens am Maßstab der fremdüblichen Kreditgewährung nicht zu ersetzen (vgl. hierzu zuletzt Senatsurteil in BFHE 273, 475).
Sollte die Prüfung ergeben, dass ein entsprechender Markt für die ‑‑ohne Sicherheiten‑‑ vereinbarten Darlehen vorhanden ist und ein fremder Dritter dieses Marktes bereit gewesen wäre, beispielsweise gegen Vereinbarung eines Zinszuschlags das durch die Nichtbesicherung erhöhte Ausfallrisiko zu kompensieren, wird das FG zu prüfen haben, ob die im Streitfall konkret vereinbarte Verzinsung eine solche Kompensation beinhalten kann und damit fremdüblich ist. Das FG wird in diesem Zusammenhang insbesondere zu beachten haben, dass der von einer Bank der Klägerin (als Konzernobergesellschaft) gewährte Betriebsmittelkredit von 3,14 % nicht ohne weiteres herangezogen werden kann, um die Fremdüblichkeit einer möglichen Kompensation der fehlenden Besicherung des von der A GmbH der B N.V. gewährten Darlehens darzulegen (s. insoweit auch BVerfG-Beschluss in HFR 2021, 504, Rz 49).
Sollte die Prüfung ergeben, dass im Streitfall insgesamt fremdübliche "Bedingungen" vereinbart worden sind, ist für den Berichtigungsbefehl der Norm des § 1 AStG kein Raum. Ergibt die Prüfung, dass die vereinbarten Bedingungen nicht fremdüblich waren, weil keine ausreichende Risikokompensation vereinbart wurde, ist eine Korrektur der Teilwertabschreibung nach § 1 AStG allerdings ebenfalls ausgeschlossen. Denn wenn ein entsprechender Markt vorhanden ist, hat die Einkünftekorrektur vorrangig veranlagungszeitraumbezogen in Höhe der Differenz zwischen den tatsächlich erzielten und den fremdüblichen Zinseinnahmen zu erfolgen; dies gilt auch für den Fall, dass die Einkommensermittlung früherer Veranlagungszeiträume bereits bestandskräftig erfolgt sein sollte (vgl. hierzu Senatsurteil in BFHE 273, 475). Mithin kommt eine Korrektur der Teilwertabschreibung nach § 1 AStG in Betracht, wenn unter den besonderen Umständen des Einzelfalls kein entsprechender Markt für unbesicherte Darlehen ermittelt werden kann.
4. Der Senat sieht angesichts der tatsächlichen Ungewissheit, ob § 1 AStG im Streitfall in diesem Zusammenhang überhaupt zur Anwendung kommen kann, von einer Prüfung ab, ob das Unionsrecht einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG entgegensteht. Entsprechend sieht er nach derzeitigem Verfahrensstand auch von einer möglichen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ab (vgl. hierzu BVerfG-Beschluss in HFR 2021, 504).
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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