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BFH: EuGH-Vorlage zur Besteuerung von Gutscheinen

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Auslegung von Art. 30a Nr. 2 und Art. 30b Unterabs. 2 MwStSystRL zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Liegt ein Einzweck-Gutschein i.S. von Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL vor, wenn
    • zwar der Ort der Erbringung von Dienstleistungen, auf die sich der Gutschein bezieht, insoweit feststeht, als diese Dienstleistungen im Gebiet eines Mitglied­staats an Endverbraucher erbracht werden sollen,
    • aber die Fiktion des Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MwStSystRL, nach der auch die Übertragung des Gutscheins zwischen Steuerpflichtigen zur Er­bringung der Dienstleistung, auf die sich der Gutschein bezieht, zu einer Dienstleistung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats führt?
  2. Falls die Frage 1 verneint wird (und damit im Streitfall ein Mehrzweck-Gut­schein vorliegt): Steht Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL, wonach die tatsächliche Erbringung der Dienstleistungen, für die der Erbringer der Dienst­leistungen einen Mehrzweck-Gutschein als Gegenleistung oder Teil einer sol­chen annimmt, der Mehrwertsteuer gemäß Art. 2 MwStSystRL unterliegt, wo­hingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Mehrwertsteuer unterliegt, einer anderweitig begründeten Steuer­pflicht (EuGH-Urteil Lebara vom 03.05.2012 ‑ C‑520/10, EU:C:2012:264) ent­gegen?

MwStSystRL Art. 30a Nr. 2, Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1, Abs. 2 Unterabs. 1
UStG § 3 Abs. 13, Abs. 14 Satz 1 und 2, § 3a Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Nr. 3
AEUV Art. 267 Abs. 3

BFH-Beschluss vom 3.11.2022, XI R 21/21 (veröffentlicht am 9.2.2023)

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG vom 10.3.2021, 4 K 62/19 = SIS 21 08 29

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Übertragung von Guthabenkarten oder Gutscheincodes für den Erwerb digitaler Inhalte für das X-Network (X), sogenannten (sog.) X‑Cards, der Umsatzsteuer unterliegt.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vertrieb im Besteuerungszeitraum 2019 (Streitjahr) über ihren Inter­netshop Guthabenkarten oder Gutscheincodes zum Aufladen von Nutzerkonten für X. Herausgeber der X‑Cards war im Streitjahr Y mit Sitz in London, Verei­nigtes Königreich. Die Gutscheincodes ermöglichten dem Erwerber die Aufla­dung seines X‑Nutzerkontos mit einem näher bestimmten Nennwert in Euro. Nach der Kontoaufladung konnten vom Kontoinhaber im X‑Store von Y digitale Inhalte zu den dort angeführten Preisen erworben werden.

Die X‑Cards wurden von Y mit unterschiedlicher Länderkennung über ver­schiedene Zwischenhändler vertrieben. Für Kunden mit Wohnsitz oder ge­wöhnlichem Aufenthaltsort im Inland und einem deutschen X‑Nutzerkonto war die Kennung DE vorgesehen. Im Internetshop der Klägerin ist hierzu ausge­führt:

"Sollten Sie sich entscheiden, [X‑Guthaben] aufladen zu wollen, müssen Sie sich im Vorfeld darüber informieren, in welchem Land Ihr [X‑Konto] registriert ist. So gilt bei [X‑Cards] eine strikte Ländertrennung, so dass Sie nur Guthaben aktivieren können, welches tatsächlich für das Land Ihres [X‑Kontos] bestimmt ist."

Die auf der Internetseite des X von Y veröffentlichten Nutzungsbedingungen für X‑Gutscheincodes bestimmten:

"Um einen Gutscheincode einzulösen, wird Folgendes benötigt: (i) die angegebene Hardware; (ii) ein Konto für das [X], das in dem Land re­gistriert ist, für das der Gutscheincode gilt; und (iii) eine Internetver­bindung ...".

Für die Teilnahme am X wurde durch Y unter anderem (u.a.) bestimmt:

"Der [X‑Store] ist über alle Konten aufrufbar. Wir sind Ihr Vertrags­partner für alle Käufe, die Sie im [X‑Store] tätigen, einschließlich Gut­haben und Produkte, die Sie mit Ihrem Guthaben erworben haben. ... Sie müssen ehrlich zu uns sein. Wir erwarten, dass Ihre personenbezo­genen Daten und die Ihrer minderjährigen Familienmitglieder vollstän­dig und korrekt sind. ... Der Grund dafür ist, dass wir uns auf die Rich­tigkeit der angegebenen Informationen verlassen. ... Wenn Sie Falsch­angaben machen, sperren wir möglicherweise die betroffenen Konten. Wir ergreifen diese Maßnahme beispielsweise dann, wenn Kinder ein Erwachsenenkonto nutzen. Die Konsequenzen für Sie sind, dass Sie nicht mehr auf [X] und bestimmte Produkte (auch solche, die Sie be­zahlt haben) zugreifen können ...".

Im Streitjahr bezog die Klägerin die X‑Cards der Y von Lieferanten aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet (L1 und L2) unter Angabe ihrer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. L1 und L2, die weder im Vereinigten Königreich noch im Inland, sondern in anderen Mitgliedstaaten ansässig waren, hatten die X‑Cards zuvor von X erworben. Die Klägerin erfasste in ihren Steueranmeldun­gen (Steuererklärungen) weder den Erwerb der X‑Cards von L1 und L2 noch die Übertragung der X‑Cards an die Endkunden (Endverbraucher). Sie ging da­bei davon aus, dass es sich bei den X‑Cards um Wert- oder Mehrzweck-Gut­scheine handele. Bei der Veräußerung der X‑Cards sei der Wohnsitz oder der Ansässigkeitsort des Endkunden nicht sicher bekannt, so dass der Leistungsort gemäß § 3a Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht sicher bestimmbar sei. Die von Y den jeweiligen Gutscheinen zugewiesene Länderkennung reiche zur sicheren Bestimmung des Leistungsorts nicht aus, da Y die Angaben der Kunden bei der Eröffnung der X‑Nutzerkonten und deren spätere Nutzung nicht überprüfe. Eine Vielzahl im Ausland ansässiger X‑Kunden hätte u.a. auf­grund von Preisvorteilen ein deutsches Nutzerkonto eröffnet und ebenfalls bei ihr, der Klägerin, Karten mit der Kennung DE eingekauft.

Das vormals für die Besteuerung der Klägerin zuständige Finanzamt (FA Z) sah nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Umsätze der Klägerin mit X‑Cards als im Inland steuerbar an, weil diese mit der Kennung DE von Y aus­schließlich für Endkunden mit Wohnsitz im Inland und einem deutschen Nut­zerkonto bestimmt seien, weshalb sich der Leistungsort gemäß § 3a Abs. 5 UStG im Inland befinde. Dass Erwerber mit Wohnsitz im Ausland die vorgege­bene regionale Nutzungsbeschränkung durch bewusst wahrheitswidrige Anga­ben, Missachtung der Nutzungsbedingungen von Y und/oder Verschleierung ih­rer IP-Adresse möglicherweise umgehen könnten, sei nicht ausschlaggebend für die steuerrechtliche Einordnung des Gutscheins; es sei vielmehr Sache der Klägerin dafür Sorge zu tragen, Karten mit der Kennung DE nicht an Kunden mit Wohnsitz im Ausland zu verkaufen. Für die Einordnung der Karten als Wa­ren- oder Einzweck-Gutscheine spreche auch, dass Y die Karten als solche in den Verkehr gebracht habe und diese in der weiteren Leistungskette von allen anderen Beteiligten auch so behandelt worden seien. Allerdings nahm das FA Z Umsätze von X‑Cards der Kennung DE, die an Kunden mit Wohnsitz im Aus­land ausgegeben wurden, von der Besteuerung aus.

Das FA Z setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Kalenderviertel­jahr des Streitjahres zuletzt mit Einspruchsentscheidung vom 23.12.2020 ent­sprechend fest. Das Finanzgericht (FG) wies mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1322 veröffentlichten Urteil die Klage ‑‑auch wegen des das vorliegende Verfahren nicht betreffenden Besteuerungszeitraums 2017‑‑ als unbegründet ab.

Während des Revisionsverfahrens kam es aufgrund Sitzverlegung der Klägerin auf der Beklagtenseite zu einem Beteiligtenwechsel. Der nunmehr zuständige Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) hat am 31.05.2021 einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid für das Streitjahr erlassen, der gemäß § 121 Satz 1 in Verbindung mit (i.V.m.) § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Mit Beschluss vom 31.08.2021 ‑ XI R 11/21 hat der erkennende Senat das Verfahren wegen Umsatzsteuer für das Streitjahr abgetrennt und führt dieses nunmehr unter dem Aktenzeichen XI R 21/21 fort.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 3a Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 13 bis 15 UStG und begehrt, dass die Umsätze von X‑Cards als nicht steuerbar erfasst werden. Da der Leistungsort und die geschuldete Steu­er nicht feststünden, handele es sich um einen Mehrzweck-Gutschein, dessen Übertragung nicht der Umsatzsteuer unterliege. Die X‑Cards enthielten keine Kennzeichnung als Einzweck-Gutschein oder eine Beschränkung der mit ihnen zu beziehenden Leistung auf eine Gattung, sondern sie bezögen sich auf das gesamte Angebot des X, weshalb im Zeitpunkt der Übertragung der X‑Cards weder die Leistung hinreichend bestimmt sei noch der betreffende Steuersatz bestimmt werden könne. Falls im Übrigen sie, die Klägerin, auf ihre Umsätze Umsatzsteuer entrichten müsste, würde sie gegenüber Händlern mit Sitz im Ausland benachteiligt, die ‑‑soweit ihr bekannt‑‑ sämtlich ihre entsprechenden Umsätze ohne Umsatzsteuer auswiesen.

Das FA tritt der Revision entgegen und verteidigt die angefochtene Vorent­scheidung.

Durch Beschluss vom 16.08.2022 ‑ XI S 4/21 (AdV) (zur amtlichen Veröffentli­chung bestimmt, BFH/NV 2022, 1261), hat der vorlegende Senat wegen ernst­licher Zweifel an der Rechtmäßigkeit Aussetzung der Vollziehung gegen Si­cherheitsleistung gewährt.

B. Der Senat setzt das Verfahren aus und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die im Tenor genannten Fragen gemäß Art. 267 Abs. 3 des Ver­trags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur Vorabentschei­dung vor.

1. Die maßgeblichen Vorschriften und Bestimmungen

a) Unionsrecht
Art. 30a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der Fassung vom 27.06.2016 (MwStSystRL)

Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. "Gutschein" ist ein Instrument, bei dem die Verpflichtung besteht, es als Gegenleistung oder Teil einer solchen für eine Lieferung von Gegenständen oder eine Erbringung von Dienstleistungen anzunehmen und bei dem die zu liefernden Gegenstände oder zu erbringenden Dienstleistungen oder die Iden­tität der möglichen Lieferer oder Dienstleistungserbringer entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließ­lich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind;

2. "Einzweck-Gutschein" ist ein Gutschein, bei dem der Ort der Lieferung der Gegenstände oder der Erbringung der Dienstleistungen, auf die sich der Gut­schein bezieht, und die für diese Gegenstände oder Dienstleistungen geschul­dete Mehrwertsteuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins festste­hen;

3. "Mehrzweck-Gutschein" ist ein Gutschein, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt.

Art. 30b MwStSystRL

(1) Jede Übertragung eines Einzweck-Gutscheins durch einen Steuerpflichti­gen, der im eigenen Namen handelt, gilt als eine Lieferung der Gegenstände oder Erbringung der Dienstleistungen, auf die sich der Gutschein bezieht. Die tatsächliche Übergabe der Gegenstände oder die tatsächliche Erbringung der Dienstleistungen, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung oder Teil einer solchen von dem Lieferer oder Dienstleistungserbringer angenommen wird, gilt nicht als unabhängiger Umsatz.

Erfolgt eine Übertragung eines Einzweck-Gutscheins durch einen Steuerpflich­tigen, der im Namen eines anderen Steuerpflichtigen handelt, gilt diese Über­tragung als eine Lieferung der Gegenstände oder Erbringung der Dienstleis­tungen, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den anderen Steuerpflichti­gen, in dessen Namen der Steuerpflichtige handelt.

Handelt es sich bei dem Lieferer von Gegenständen oder dem Erbringer von Dienstleistungen nicht um den Steuerpflichtigen, der, im eigenen Namen han­delnd, den Einzweck-Gutschein ausgestellt hat, so wird dieser Lieferer von Ge­genständen bzw. Erbringer von Dienstleistungen dennoch so behandelt, als habe er diesem Steuerpflichtigen die Gegenstände oder Dienstleistungen in Bezug auf diesen Gutschein geliefert oder erbracht.

(2) Die tatsächliche Übergabe der Gegenstände oder die tatsächliche Erbrin­gung der Dienstleistungen, für die der Lieferer der Gegenstände oder Erbringer der Dienstleistungen einen Mehrzweck-Gutschein als Gegenleistung oder Teil einer solchen annimmt, unterliegt der Mehrwertsteuer gemäß Artikel 2, wohin­gegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Mehrwertsteuer unterliegt.

Wird ein Mehrzweck-Gutschein von einem anderen Steuerpflichtigen als dem Steuerpflichtigen, der den gemäß Unterabsatz 1 der Mehrwertsteuer unterlie­genden Umsatz erbringt, übertragen, so unterliegen alle bestimmbaren Dienstleistungen wie etwa Vertriebs- oder Absatzförderungsleistungen der Mehrwertsteuer.

Art. 44 MwStSystRL

Als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, gilt der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tä­tigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch an eine feste Niederlassung des Steuerpflichtigen, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleis­tungen der Sitz der festen Niederlassung. In Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung gilt als Ort der Dienstleistung der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des steuerpflichtigen Dienstleis­tungsempfängers.

Art. 58 MwStSystRL

(1) Als Ort der folgenden Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige gilt der Ort, an dem dieser Nichtsteuerpflichtige ansässig ist, seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat:
...
c) elektronisch erbrachte Dienstleistungen, insbesondere die in Anhang II genannten Dienstleistungen.

Art. 65 MwStSystRL

Werden Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenständen be­wirkt oder die Dienstleistung erbracht ist, entsteht der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag.

Art. 7 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15.03.2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ‑‑MwSt‑DVO‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑2011, Nr. L 77, 1)

(1) "Elektronisch erbrachte Dienstleistungen" im Sinne der Richtlinie 2006/112/EG umfassen Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähn­liches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Betei­ligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre. ...

b) Nationales Recht

§ 3 Abs. 13 bis 15 UStG

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem
1. die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2. der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leis­tenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zu­sammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nut­zung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gut­scheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gut­scheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer ei­nen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gut­scheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. ... Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gut­schein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teil­weise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

§ 3a UStG

(2) Eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Absätze 3 bis 8 ... an dem Ort ausge­führt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt.
...
(5) Ist der Empfänger einer der in Satz 2 bezeichneten sonstigen Leistungen
1. kein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, ...
wird die sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, an dem der Leistungsemp­fänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat. Sonstige Leistungen im Sinne des Satzes 1 sind:
...
3. die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen.

§ 27 Abs. 23 UStG

(23) § 3 Absatz 13 bis 15 ... sind erstmals auf Gutscheine anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2018 ausgestellt werden.

2. Vorbemerkungen zur ersten Vorlagefrage

a) Einmalige Übertragung des Gutscheins

Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL ist unproblematisch anwendbar, wenn zum Beispiel der im Inland ansässige Steuerpflichtige (A), der eine Dienstleistung (oder dem gleichgestellt eine Lieferung) zu erbringen beabsichtigt, hierüber einen Gutschein auf den gleichfalls im Inland ansässigen Empfänger (C) überträgt, der diese Dienstleistung als Endverbraucher zu beziehen beabsichtigt. Stehen der Ort und die Mehrwertsteuer im Sinne (i.S.) des Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL für diese Dienstleistung fest, liegt ein sogenannter Einzweck-Gutschein vor, auf den Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL anzuwenden ist. Durch diese Bestimmung wird der Steuertatbestand vorverlagert. Denn danach gilt bereits die Übertragung des Gutscheins als Erbringung der Dienstleistung, so dass die (gegebenenfalls ‑‑ggf.‑‑ später erfolgende) tatsächliche Erbringung der Dienstleistung "nicht als unabhängiger Umsatz" gilt und damit im Hinblick auf die bereits zuvor erfolgte Besteuerung der Gutscheinübertragung nicht mehr zu besteuern ist.

b) Mehrfache Übertragung des Gutscheins

aa) Abwandlung des Beispiels

Demgegenüber bestehen Auslegungsschwierigkeiten für den Fall, dass A den Gutschein im eigenen Namen auf den in einem anderen Mitgliedstaat ansässi­gen Steuerpflichtigen B (als Zwischenhändler) überträgt, der diesen seiner­seits im eigenen Namen auf C überträgt. Nach Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL kommt es dann zu einer Umsatzverdoppelung. Es gelten dann so­wohl die Übertragung des Gutscheins von A auf B als auch die Übertragung von B auf C als Erbringung der Dienstleistung, auf die sich der Gutschein be­zieht, während die (ggf. später erfolgende) tatsächliche Erbringung der Dienst­leistung wiederum nicht mehr zu besteuern ist.

Fraglich ist für den Fall der Abwandlung, welche Folgen sich aus Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MwStSystRL für Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL ergeben. Denn damit ein Einzweck-Gutschein i.S. von Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL vor­liegt, muss der Ort der Dienstleistung, auf den sich der Gutschein bezieht, feststehen. Für den Fall der mehrfachen Gutscheinübertragung folgt aus Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MwStSystRL aber, dass die Dienstleistung, auf die sich der Gutschein bezieht, als mehrfach erbracht gilt.

Damit stellt sich die Frage, ob es aufgrund einer derart mehrfachen Leistungs­erbringung für Zwecke des Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL nur einen oder auch mehrere Leistungsorte geben kann.

bb) Auslegungsmöglichkeiten

(1) Erste Auslegung

Bezieht sich die Fiktionswirkung des Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MwStSystRL auf die im Gutschein in Bezug genommene Dienstleistung nur ihrer Art nach, kann es zu unterschiedlichen Leistungsorten kommen, wenn sich die Ortsbestimmung für die im Gutschein in Bezug genommene Dienst­leistung nach dem Empfängerort richtet.

Auf dieser Grundlage könnte ein Einzweck-Gutschein zu verneinen sein. Denn die Dienstleistung, auf die sich der Gutschein bezieht, wird zweimal und dann (je nach Ansässigkeit des Zwischenhändlers) möglicherweise an unterschiedli­chen Orten erbracht. Für diese Sichtweise könnte eine wörtliche Auslegung von Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MwStSystRL sprechen. Diese Ausle­gung würde dazu führen, dass sich der Anwendungsbereich des Einzweck-Gutscheins im Dienstleistungsbereich erheblich verkleinert. Denn ein Ein­zweck-Gutschein wäre zu verneinen, wenn er sich auf eine Dienstleistung be­zieht, die bei ihrer Erbringung an einen Steuerpflichtigen dem Empfängerort­prinzip des Art. 44 MwStSystRL unterliegt. Eine derartige Einschränkung könn­te als vom Unionsgesetzgeber nicht gewollt anzusehen sein.

(2) Zweite Auslegung

Die vorstehende Auslegung erscheint allerdings nicht zwingend. Zum einen kommt in Betracht, für das Feststehen des Orts der Dienstleistung i.S. von Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL die Fiktion, dass die Übertragung des Gutscheins zur Erbringung der Dienstleistung führt, auf den sich der Gutschein bezieht, bei der Prüfung des Leistungsorts von vornherein außer Betracht zu lassen. Die Möglichkeit, dass der Gutschein auch an einen Zwischenhändler in einem anderen Mitgliedstaat übertragen werden darf beziehungsweise wird, wäre dann für die Anwendung von Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL von vornherein ohne Bedeutung.

Zum anderen könnte der Fiktionswirkung des Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 MwStSystRL eine weitergehende Bedeutung beizumessen sein. So könnte zu erwägen sein, ob bei einem Gutschein, der sich auf eine an einen Endverbraucher zu erbringende Dienstleistung bezieht, auch bei einer Übertra­gung zwischen zwei Steuerpflichtigen der Leistungsort der Übertragungsleis­tung am Ort der an den Endverbraucher zu erbringenden Dienstleistung liegt. Im Fall der Abwandlung befände sich danach der Ort der Übertragung von A an B im Inland, da hier die Dienstleistung erbracht werden soll, auf die sich der Gutschein bezieht. Ein nicht im Inland ansässiger Zwischenhändler könnte sich dann im Inland registrieren, inländische Umsatzsteuer im Inland anmel­den und ggf. einen Vorsteuerabzug vornehmen oder Vorsteuer-Vergütung be­antragen müssen.

3. Anwendung der beiden möglichen Auslegungen auf den Streitfall

a) Zeitliche Anwendung der Neuregelung

Durch Art. 9 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuer­ausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steu­erlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (Bundesgesetzblatt I 2018, 2338, Bun­dessteuerblatt ‑‑BStBl‑‑ I 2018, 1377) wurden auf der Grundlage von Art. 30a MwStSystRL § 3 UStG die Absätze 13 bis 15 angefügt, die gemäß § 27 Abs. 23 UStG erstmals auf Gutscheine anzuwenden sind, die nach dem 31.12.2018 ausgestellt werden.

b) Vorliegen von Einzweck-Gutscheinen fraglich

Soweit die Klägerin im Streitjahr nach dem 31.12.2018 ausgestellte Gutschei­ne übertrug und damit gemäß § 27 Abs. 23 UStG die Vorschriften des § 3 Abs. 13 bis 15 UStG Anwendung finden, ist fraglich, ob es sich bei diesen Gut­scheinen um Einzweck-Gutscheine i.S. des § 3 Abs. 14 UStG handelt, deren Übertragung jeweils als Lieferung oder sonstige Leistung gilt. Denn hierfür müssten der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeit­punkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen (Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL, § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG).

aa) Vorliegen elektronischer Dienstleistungen

Die X‑Cards beziehen sich auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen i.S. des Art. 58 Unterabs. 1 Buchst. c MwStSystRL, Art. 7 MwSt‑DVO, § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG.

bb) Ortsbestimmung

Nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG wird eine sonstige Leistung, die an einen Unter­nehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt, das heißt (d.h.) vorliegend am Sitz von L1 und L2 im übrigen Gemeinschaftsgebiet. Ist der Empfänger der in § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG bezeichneten sonstigen Leistung hingegen kein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird ‑‑wie im Streitfall die Kunden der Klägerin‑‑, wird die sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat (§ 3a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UStG). Daraus folgt, dass für Leistungen an Unternehmer, die als solche handeln, und für Leistungen an Nichtunternehmer sowie an Un­ternehmer, die nicht als solche handeln, unterschiedliche Leistungsorte vorge­sehen sind.

c) Unionsrechtliche Zweifel

Ausgehend davon ist unionsrechtlich zweifelhaft, ob zum Zeitpunkt der Aus­stellung der X‑Cards der Ort der sonstigen Leistung und die geschuldete Steu­er feststanden. Denn fraglich ist, ob sich das für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins bestehende Erfordernis, dass der Ort der Leistung feststehen muss (Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL, § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG), nur auf die Ausgabe ("Verkauf eines Gutscheins an Kunden" i.S. von Abschn. 3.17 Abs. 1 Satz 11 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses ‑‑UStAE‑‑) oder auch auf eine dem vo­rausgehende Übertragung nach Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL, § 3 Abs. 14 Satz 2 UStG ("Verkauf eines Gutscheins zwischen Unternehmern" i.S. von Abschn. 3.17 Abs. 1 Satz 10 UStAE) bezieht.

aa) Feststehen des Orts in Bezug auf tatsächlich erbrachte Leistung

Bezieht sich das Erfordernis, dass der Ort der Leistung feststehen muss, nur auf die tatsächlich erbrachte Dienstleistung (im Sinne eines "Verkaufs eines Gutscheins an Kunden"), d.h. i.S. des Art. 30a MwStSystRL auf die elektroni­sch erbrachte Dienstleistung, auf die sich die X‑Cards beziehen, liegt im Streit­fall ein Einzweck-Gutschein vor. Denn der Ort der elektronischen Dienstleis­tung, auf die sich der Gutschein bezieht, wird sich bei Einlösung nicht nach Art. 44 MwStSystRL bestimmen, da selbst dann, wenn die einlösende Person an sich ein Steuerpflichtiger i.S. der Art. 2 und 9 MwStSystRL wäre, sie nicht i.S. des Art. 44 MwStSystRL als solcher handeln wird, weil sie die elektronisch erbrachte Dienstleistung der Y für private Zwecke beziehen wird (siehe ‑‑s.‑‑ Art. 19 MwSt‑DVO sowie EuGH-Urteil Wellcome Trust vom 17.03.2021 ‑ C‑459/19, EU:C:2021:209, Rz 39 f.). Der Leistungsort bei Einlösung wird da­her nach Art. 58 Unterabs. 1 Buchst. c MwStSystRL zu bestimmen sein.

Der Ort dieser Leistung steht fest, da nur eine Einlösung durch im Inland an­sässige Endverbraucher in Betracht kommt. Denn nach den vom FG festge­stellten Bedingungen für die Nutzung der X‑Cards besteht eine strikte Länder­trennung. Bei der Eröffnung eines Nutzerkontos sind Identität und Wohnsitz des Nutzers wahrheitsgemäß anzugeben; für den Fall einer Identitäts- oder Wohnsitztäuschung ist ausdrücklich die Sperrung des Nutzerkontos mit dem Verfall des eingezahlten Guthabens angedroht. Für Kunden mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort im Inland und einem deutschen X‑Konto ist die Kennung DE vorgesehen. Diese Konten können nur mit einer Guthabenkarte mit der Länderkennung DE aufgeladen werden. Auf dieser Grundlage stehen für den Regelfall einer vertragsgemäßen Nutzung des X sowohl der Leistungs­ort als auch die Steuerschuld fest. Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Insbesondere ändert § 3 Abs. 14 Satz 5 UStG wegen der Fiktion des § 3 Abs. 14 Satz 2 UStG daran nichts.

Wenn die X‑Cards deshalb Einzweck-Gutscheine wären, hätte Y als Ausstellerin der Gutscheine (über eine elektronisch erbrachte Dienstleistung), indem sie diese an Vertriebshändler entgeltlich übertrug, diesen gegenüber eine entgelt­liche auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistung (§ 3 Abs. 14 Satz 2 UStG; vgl. zu Telekommunikationsdienstleistungen EuGH-Urteil Lebara vom 03.05.2012 ‑ C‑520/10, EU:C:2012:264, Rz 43) im Inland erbracht. Ebenso wäre jede weitere Übertragung (von L1 an L2, von L2 an die Klägerin und von der Klägerin an ihre Kunden) eine auf elektronischem Weg erbrachte Dienst­leistung im Inland. Dass die Übertragung unternehmerisch erfolgen kann, än­dert daran, dass die Einlösung privat erfolgen wird, nichts.

bb) Feststehen des Orts in Bezug auf Übertragungen, die als tatsächli­che Leistungserbringung gelten

Bezieht sich das Erfordernis, dass der Ort der Leistung feststehen muss, dem­gegenüber auch auf die Übertragung zwischen Steuerpflichtigen ("Verkauf ei­nes Gutscheins zwischen Unternehmern"), erscheint die Annahme eines Ein­zweck-Gutscheins hingegen fraglich.

Wäre für die Übertragung von Y an L1, von L1 an L2 und von L2 an die Kläge­rin eigenständig ein Leistungsort nach den Art. 43 ff. MwStSystRL zu bestim­men, handelten sowohl L1 und L2 als auch die Klägerin bei Erwerb der X‑Cards "als solche" i.S. des Art. 44 MwStSystRL; denn sie haben die X‑Cards nicht er­worben, um sie selbst für private Zwecke einzulösen, sondern um sie im Rah­men ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit gegen Entgelt an ihre Kunden weiterzuver­kaufen. Fände Art. 44 MwStSystRL daher auf die Übertragungsumsätze von Y an L1, von L1 an L2 und von L2 an die Klägerin Anwendung, läge der Leis­tungsort der Übertragung von Y an L1 und von L1 an L2 nicht im Inland und der von L2 an die Klägerin im Inland. Der Leistungsort hätte dann bei Ausstel­lung des Gutscheins durch Y nicht festgestanden, weil es an einer Einschrän­kung in Bezug auf den Empfängerkreis (Unternehmer oder Nichtunternehmer) sowie deren Ansässigkeit fehlt, wie der Streitfall zeigt.

cc) Verwaltungsauffassung

Die nationale Verwaltungspraxis geht in Abschn. 3.17 Abs. 2 Satz 1 UStAE da­von aus, dass ein Einzweck-Gutschein nach § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG dadurch gekennzeichnet ist, dass der Ort der Lieferung oder sonstigen Leistung, zu de­ren Bezug der Gutschein berechtigt, sowie die geschuldete Umsatzsteuer, bei dessen Ausgabe oder dessen erstmaliger Übertragung durch den Aussteller des Gutscheins feststehen. Dies entspricht dem Wortlaut des Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL, § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG, nach dem es darauf ankommt, dass der Ort der Lieferung der Gegenstände oder der Erbringung der Dienstleistun­gen, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen.

d) Mögliche Bejahung der ersten Frage

Damit könnte im Streitfall für eine Bejahung der ersten Vorlagefrage der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie (EU) 2016/1065 des Rates vom 27.06.2016 zur Änderung der Richtlinie 2016/112/EG hinsichtlich der Behandlung von Gut­scheinen (ABlEU 2016, Nr. L 177, 9) sprechen. Dort heißt es: "Angesichts der seit dem 1. Januar 2015 anwendbaren neuen Vorschriften über den Ort der Dienstleistung für Telekommunikations- und Rundfunkdienstleistungen sowie elektronisch erbrachte Dienstleistungen ist eine gemeinsame Lösung für Gut­scheine erforderlich, um sicherzustellen, dass keine Diskrepanzen in Bezug auf zwischen den Mitgliedstaaten gelieferte Gutscheine entstehen. Dafür ist es un­abdingbar, Vorschriften zur Klärung der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Gutscheinen festzulegen." Dieser Zweck würde verfehlt, wenn die Übertragung ein und desselben Gutscheins unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich zöge, je nachdem, ob der Gutschein ausschließlich über im Inland oder aber über im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Zwischenhändler oder aber nur direkt ohne Zwischenhändler an den im Inland ansässigen Endkunden vertrieben wird.

e) Auswirkung der unterschiedlichen Auffassungen

Folgte man der ersten Auslegung (s. oben B.2.b bb (1)), hätte die Klägerin keine Einzweck-Gutscheine übertragen. Danach hätte X die Gutscheine nach Art. 44 MwStSystRL am Empfängerort der Steuerpflichtigen L1 und L2 in deren jeweiligen Mitgliedstaat zu dem dort gültigen Steuersatz erbracht, während die Übertragungen durch L1 und L2 an die Klägerin ebenso nach Art. 44 MwStSystRL am Ansässigkeitsort der Klägerin im Inland erbracht worden wä­ren, was auch für die Übertragung durch die Klägerin an ihre Kunden gilt. Da­nach wäre das Erfordernis, dass der Ort und die Mehrwertsteuer für die Dienstleistung feststehen, auf die sich der Gutschein bezieht, nicht erfüllt. Die Revision hätte insoweit Erfolg (s. weiter unter 4.).

Demgegenüber wäre im Rahmen der zweiten Auslegung (s. oben B.2.b bb (2)) am Vorliegen von Einzweck-Gutscheinen festzuhalten; die Revision würde er­folglos bleiben.

4. Zur zweiten Vorlagefrage

a) Folge der Verneinung der ersten Vorlagefrage

Falls die erste Vorlagefrage verneint wird, liegt ein Mehrzweck-Gutschein (Art. 30a Nr. 3 MwStSystRL, § 3 Abs. 15 Satz 1 UStG) vor. In diesem Fall un­terliegt nach § 3 Abs. 15 Satz 2 UStG die tatsächliche Lieferung oder die tat­sächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unterneh­mer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, der Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 UStG, wohingegen jede vorange­gangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

b) Parallelüberlegung zu Telefonkarten

Der Senat geht davon aus, dass die im Streitfall gehandelten X‑Cards zum Be­zug elektronisch erbrachter Dienstleistungen mehrwertsteuerrechtlich nicht anders zu behandeln sind als die dem EuGH-Urteil Lebara (EU:C:2012:264, Leitsatz und Rz 26 ff., 42 f.) zugrundeliegenden Telefonkarten. Danach er­bringt ein Telefonanbieter, der Telekommunikationsdienstleistungen anbietet, die darin bestehen, dass an einen Vertriebshändler Telefonkarten verkauft werden, die alle notwendigen Informationen zur Tätigung internationaler Anru­fe über die von diesem Anbieter zur Verfügung gestellte Infrastruktur enthal­ten und die vom Vertriebshändler im eigenen Namen und für eigene Rechnung entweder unmittelbar oder über andere Steuerpflichtige wie Groß- und Einzel­händler an Endnutzer weiterverkauft werden, eine entgeltliche Telekommuni­kationsdienstleistung an den Vertriebshändler. Nach diesem EuGH-Urteil sind somit sowohl der ursprüngliche Verkauf einer Telefonkarte als auch ihr an­schließender Weiterverkauf durch Zwischenhändler steuerbare Umsätze; Gut­habenkarten werden danach wie eine Ware gehandelt (vgl. Urteil des Bundes­finanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 10.08.2016 ‑ V R 4/16, BFHE 254, 458, BStBl II 2017, 135, Rz 15).

c) Folge im Streitfall

Auf dieser Grundlage wäre die Übertragung der X‑Cards durch die Klägerin an ihre Kunden von der Klägerin als Erbringung einer elektronisch erbrachten Dienstleistung zu versteuern. Dass dies im Rahmen der Regelung der Art. 30a und Art. 30b MwStSystRL anders bezweckt sein sollte, obwohl diese Bestim­mungen zu einer Vorverlagerung der Besteuerung führen sollen, erscheint dem Senat fragwürdig. In welchem Verhältnis Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 1 am Ende MwStSystRL zur Auffassung des EuGH im Urteil Lebara (EU:C:2012:264) steht, ist aus Sicht des vorlegenden Senats unklar.

Außerdem könnte die Klägerin durch den Zwischenhandel mit Mehrzweck-Gut­scheinen Vertriebs- oder Absatzförderungsleistungen i.S. des Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSystRL an Y erbracht haben, die der Mehrwertsteuer unter­liegen (vgl. dazu zur früheren Rechtslage BFH-Urteil vom 15.03.2022 ‑ V R 35/20, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2022, 1406, Rz 28), so dass die Gegenleistung der Klägerin für die Übertragung der Gut­scheine durch L2 nicht nur in einer Zahlung, sondern auch in einer solchen Dienstleistung bestehen könnte (tauschähnlicher Umsatz, vgl. EuGH-Urteil Serebryannay vek vom 26.09.2013 ‑ C‑283/12, EU:C:2013:599).

5. Entscheidungserheblichkeit

Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich.

Ist die erste Vorlagefrage zu verneinen und die zweite Vorlagefrage zu beja­hen, ist die Vorentscheidung aufzuheben und sind vorliegend die Umsätze von nach dem 31.12.2018 ausgestellten X‑Cards als nicht steuerbar zu erfassen.

6. Rechtsgrundlage der Anrufung, Nebenentscheidungen

Rechtsgrundlage für die Anrufung des EuGH ist Art. 267 Abs. 3 AEUV. Die Aus­setzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 FGO.

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