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BFH: Umsatzsteuerfreiheit von Privatkliniken (nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F.)

  1. Die Umsatzsteuerfreiheit von Privatkliniken nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m.§ 67 Abs. 2 AO erforderte im Jahr 2006 keine Vorauskalkulation der Selbstkosten (Anschluss an BFH-Urteil vom 23.01.2019 ‑ XI R 15/16, BFHE 263, 543 = SIS 19 03 97).
  2. Die durch das Jahressteuergesetz 2007 mit Rückwirkung zum 01.01.2003 geänderte Fassung des § 67 Abs. 1 AO ist für das Jahr 2006 verfassungsrecht­lich unbedenklich.

UStG a.F. § 4 Nr. 16 Buchst. b
AO §§ 67, 365 Abs. 3
EGAO Art. 97 § 1c Abs. 3
EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b
KHG § 17b Abs. 6
BPflV §§ 7, 10

BFH-Urteil vom 17.11.2022, V R 23/20 (veröffentlicht am 2.2.2023)

Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 13.11.2018, 5 K 5227/16

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Leistungen der Klägerin und Revisions­klägerin (Klägerin) aus dem Betrieb eines privaten Krankenhauses im Jahr 2006 (Streitjahr) steuerfrei sind.

Die Klägerin betreibt ein privates Krankenhaus zur Diagnose, Therapie und Be­handlung von …erkrankungen sowie … Krankheitsbilder. In ihrer zu einer Steuerfestsetzung unter dem Vor­behalt der Nachprüfung führenden Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2006 behan­delte sie die Umsätze aus der Privatklinik als nach § 4 Nr. 16 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG a.F.) i.V.m. § 67 der Abgabenordnung (AO) steuerfrei.

Nach einer Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanz­amt ‑‑FA‑‑) den die bisherige Vorbehaltsfestsetzung ändernden Umsatzsteuer­bescheid 2006 vom 20.02.2012, mit dem die Steuerfreiheit der streitgegen­ständlichen Krankenhausumsätze versagt wurde. Im Einvernehmen mit der Klägerin sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Steuerbe­freiung im dafür maßgebenden Vorjahr (2005) nicht vorgelegen hätten, sodass alle Umsätze aus der Geschäftstätigkeit der Klinik im Streitjahr der Umsatz­steuer zu unterwerfen seien. Die Klägerin habe in 2005 gegenüber ihren Pati­enten weder nach den Vorschriften der Verordnung zur Regelung der Kranken­hauspflegesätze (Bundespflegesatzverordnung ‑‑BPflV‑‑) noch nach Fallpau­schalen entsprechend dem Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz ‑‑KHEntgG‑‑) abgerechnet, sondern stattdessen eine "Vielzahl von Abrechnungsmodalitäten" genutzt und nicht nachweisen können, dass die von ihr gegenüber den Patienten abgerech­neten Leistungen zu mindestens 40 % der gesamten Belegungstage die ge­genüber den allgemeinen Krankenkassen zulässigen Abrechnungen nach der Bundespflegesatzverordnung und dem Krankenhausentgeltgesetz nicht über­stiegen.

Das Einspruchsverfahren ruhte zunächst wegen der Frage, ob die 40 %-Gren­ze des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. gegen Unionsrecht verstößt. Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA aus hier nicht streitigen Gründen am 27.08.2015 einen Änderungsbescheid für 2006. Im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Zimmermann vom 15.11.2012 ‑ C‑174/11 (EU:C:2012:716) und die Folgeurteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18.03.2015 ‑ XI R 8/13 (BFHE 249, 369, BStBl II 2016, 788) sowie XI R 38/13 (BFHE 249, 380, BStBl II 2016, 793) machte die Klägerin (erst­mals) geltend, dass die Voraussetzungen des § 67 AO i.d.F. vom 01.10.2002 ‑‑a.F.‑‑ (BGBl I 2002, 3866) von ihr in 2005 erfüllt worden seien und legte hierzu Aufstellungen und Berechnungen zu den von ihr abgerechneten Pflege­sätzen vor. Das FA wies den Einspruch der Klägerin am 22.08.2016 als unbe­gründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Fi­nanzgerichte (EFG) 2021, 583 veröffentlichten Urteil ab. Die Klägerin falle nicht in den Anwendungsbereich des § 67 Abs. 1 AO und habe auch die Vo­raussetzungen des § 67 Abs. 2 AO nicht erfüllt, weil sie unstreitig eine der Bundespflegesatzverordnung entsprechende Vergleichsberechnung der Pfle­gesätze auf Selbstkostenbasis im Wege der Vorauskalkulation der eigenen Selbstkosten nicht vorgenommen habe. Vielmehr habe sie erst nachträglich eine im Einspruchsverfahren vorgelegte Kalkulation anhand der Buchführung erstellt. Eine nachträglich vorgenommene Berechnung stehe nicht im Einklang mit den Bestimmungen der Bundespflegesatzverordnung und könne daher der Prüfung des § 67 Abs. 2 AO nicht zugrunde gelegt werden.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 AO a.F.) und be­gründet dies wie folgt:

Entgegen der Auffassung des FG sei sie nach dem Wortlaut des § 67 AO a.F. nicht zur Vorauskalkulation ihrer Selbstkosten verpflichtet gewesen. An keiner Stelle sei gesetzlich geregelt, dass die Vergleichskalkulation der Pflegesätze nach Selbstkostengrundsätzen im Voraus erstellt werden müsse. Das vom FG herangezogene BFH-Urteil vom 02.10.2003 ‑ IV R 48/01 (BFHE 204, 80, BStBl II 2004, 363) sei nicht einschlägig, da es nicht zur Umsatzsteuer, sondern zur Gewerbesteuer ergangen sei. Auch im Urteil vom 26.08.2010 ‑ V R 5/08 (BFHE 231, 298, BStBl II 2011, 296) habe sich der BFH nicht zu der Frage ge­äußert, ob die "Vorauskalkulation" noch nach dem maßgeblichen Zeitraum er­stellt werden könne. Nach dem zwischenzeitlich ergangenen BFH-Urteil vom 23.01.2019 ‑ XI R 15/16 (BFHE 263, 543) sei eine Vergleichskalkulation nach der Bundespflegesatzverordnung für Krankenhäuser in privater Trägerschaft nicht erforderlich, das Fehlen der Vergleichskalkulation nach Selbstkosten­grundsätzen stehe somit dem Vorliegen steuerfreier Krankenhausleistungen nicht entgegen (BFH-Urteil in BFHE 263, 543, Rz 59). Der XI. Senat habe zwar nur über eine Vergleichsberechnung nach dem Krankenhausentgeltgesetz ent­schieden und nicht, ob auch die Vergleichskalkulation nach der Bundespflege­satzverordnung nachträglich erstellt werden könne. Es seien aber keine sachli­chen Gründe für eine Ungleichbehandlung von solchen privaten Krankenhäu­sern ersichtlich, die nach der Bundespflegesatzverordnung abrechneten, zu solchen Krankenhäusern, die nach dem Krankenhausentgeltgesetz abrechne­ten.

Dieses Ergebnis werde durch die unionsrechtskonforme Auslegung des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. unter Berücksichtigung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatz­steuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) gestützt. Danach dürfe die Umsatzsteuerbefreiung für private Einrichtungen nur versagt werden, wenn diese ihre Leistungen nicht unter in sozialer Hinsicht vergleichbaren Bedingun­gen wie Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbringen. Ob die Kalkulation nach der Bundespflegesatzverordnung vor oder nach dem maßgeblichen Zeit­raum erstellt werde, habe keinen Einfluss auf die sozialen Bedingungen der Leistungserbringung.

Hilfsweise berufe sie sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Danach sei die Berücksichtigung einer nachträglich erstellten Vergleichskalkulation geboten. Es widerspreche dem Neutralitätsgrundsatz, wenn die Steuerbefreiung nur deswegen versagt werde, weil sie die Vergleichsberechnung nach dem maßgeblichen Veranla­gungszeitraum erstellt habe. Die Bestimmungen der Bundespflegesatzverord­nung hätten lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung für die Steuerbefreiung und dürften daher die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung nicht unmöglich machen. Mit Unionsrecht sei es nicht vereinbar, wenn die Vergleichbarkeit nur anhand einer Vorauskalkulation, nicht aber anhand einer auf tatsächlichen Zahlen beruhenden Vergleichsberechnung nachgewiesen werden könne. Dar­über hinaus sei es mit dem Neutralitätsgrundsatz unvereinbar, wenn zwar Krankenhäuser in privater Trägerschaft, die nach dem Krankenhausentgeltge­setz abrechnen, die Steuerbefreiung auch ohne Vorauskalkulation der Selbst­kosten in Anspruch nehmen dürften, nicht aber Krankenhäuser, die ‑‑so wie sie‑‑ nach Pflegesätzen abrechneten.

Die Klägerin beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die von der Klägerin vorgelegte Kalkulation als Maßstab ihrer Pflegesätze habe den Vorgaben der Bundespflegesatzverordnung nicht entsprochen. Die bereits im Einspruchsverfahren erhobenen Zweifel an der vorgabegemäßen Berech­nung nach der Bundespflegesatzverordnung habe die Klägerin nicht behoben. Wenn sie nach den Vorschriften der Bundespflegesatzverordnung mit den an­deren Krankenhäusern verglichen werden wolle, müsse sie auch die gleichen Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehöre auch die Vorauskalkulation.

Die Klägerin müsse ihre Entgelte jedoch mit denen nach den Fallpauschalen des Krankenhausentgeltgesetzes vergleichen, da nahezu alle anderen Kran­kenhäuser in 2006 nach Fallpauschalen abrechnen mussten. Im Einspruchs­verfahren habe die Klägerin lediglich Vergleichsrechnungen nach Fallpauscha­len für einen Teil ihrer Leistungen und nur als Durchschnittsberechnungen (nicht für den Einzelfall) vorgelegt. Darüber hinaus seien die in den Berech­nungen angesetzten Fallpauschalen nicht überprüfbar, weil grundsätzlich mit jedem Krankenhaus gesonderte Fallpauschalen vereinbart wurden, die auf die Klägerin nicht ohne weiteres übertragbar seien.

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzge­richtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat unter Verstoß gegen § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 AO entschieden, dass die Steuerfreiheit der Leis­tungen eines privaten Krankenhauses in 2006 eine Vorauskalkulation der Selbstkosten erforderte.

1. Das angegriffene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen auf­zuheben. Das FG hat in seinem Urteil verfahrensfehlerhaft über den Umsatz­steuerbescheid 2006 vom 20.02.2012 entschieden, obwohl der während des Einspruchsverfahrens erlassene Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2006 vom 27.08.2015 gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des Einspruchs­verfahrens wurde (BFH-Beschluss vom 23.04.2009 ‑ X B 43/08, BFH/NV 2009, 1443, unter II.2.b cc). Einer Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO bedarf es indes insoweit nicht. Nach der Rechtsprechung des BFH ist das Über­sehen der Änderung des Verfahrensgegenstands ausnahmsweise unbeachtlich, wenn ‑‑wie hier‑‑ durch den Änderungsbescheid keine neuen Streitpunkte ein­geführt worden sind (vgl. zur Parallelvorschrift des § 68 FGO: BFH-Beschluss vom 26.03.2021 ‑ IX B 45/20, BFH/NV 2021, 767, Rz 22). Es widerspräche dem Sinn und Zweck des § 68 Satz 1 FGO und damit auch des § 365 Abs. 3 AO, die Vorentscheidung allein deswegen aufzuheben, um der Vorinstanz auf diese Weise Gelegenheit zu geben, den Änderungsbescheid datumsmäßig zu erfassen (BFH-Beschluss vom 29.08.2003 ‑ II B 70/03, BFHE 203, 174, BStBl II 2003, 944, unter II.1.). In solchen Fällen reicht ‑‑aus prozessökonomischen Gründen‑‑ eine Richtigstellung in der Rechtsmittelentscheidung aus (BFH-Be­schluss vom 07.08.2008 ‑ I B 161/07, BFH/NV 2008, 2053, unter II.2.a). Da­nach bezieht sich die Entscheidung des FG auf den Umsatzsteuer-Änderungs­bescheid 2006 vom 27.08.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.08.2016.

2. Rechtsfehlerhaft hat das FG entschieden, dass § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 AO im Streitjahr 2006 eine Vorauskalkulation der Selbstkosten voraussetzt.

a) Nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. waren steuerfrei "die mit dem Betrieb der Krankenhäuser ... eng verbundenen Umsätze, wenn ... bei Krankenhäu­sern im vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 der Abga­benordnung bezeichneten Voraussetzungen erfüllt ..." wurden.

§ 67 AO in seiner durch das Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28) mit Rückwirkung auf den 01.01.2003 geänderten Fassung lautet:

"(1) Ein Krankenhaus, das in den Anwendungsbereich des Kranken­hausentgeltgesetzes oder der Bundespflegesatzverordnung fällt, ist ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungs­tage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen nur Ent­gelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§ 7 des Krankenhausent­geltgesetzes, § 10 der Bundespflegesatzverordnung) berechnet wer­den.
(2) Ein Krankenhaus, das nicht in den Anwendungsbereich des Kran­kenhausentgeltgesetzes oder der Bundespflegesatzverordnung fällt, ist ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 vom Hundert der jährlichen Be­legungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach Absatz 1 berechnet wird."

Unionsrechtliche Grundlage dieser ‑‑bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden‑‑ Umsatzsteuerbefreiung war im Streitjahr Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Danach befreien die Mit­gliedstaaten "die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze" von der Steuer. Handelt es sich bei dem Steuerpflichtigen, der diese Leistungen erbringt, nicht um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, sind diese Umsätze nur steuerfrei, wenn sie "unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztli­che Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden".

b) Im Streitfall hat das FG zwar zu Recht entschieden, dass ‑‑wovon auch die Beteiligten ausgehen‑‑ eine Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Krankenhausleistungen nicht aus § 67 Abs. 1 AO folgt. Rechtsfehlerhaft hat das FG aber eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 AO wegen Fehlens einer Vergleichsberechnung der Pflegesätze auf Selbstkostenbasis im Wege der Vorauskalkulation verneint.

aa) Zur Gleichstellung von Krankenhäusern, die ‑‑wie die Klägerin‑‑ nicht dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung unterliegen, mit den nach § 67 Abs. 1 AO begünstigten Krankenhäusern war vor Einfüh­rung von Fallpauschalen entscheidend, dass das Krankenhaus auf Selbstkos­tenbasis abrechnet. Dies erforderte eine Vorauskalkulation der eigenen Selbst­kosten (Senatsurteil in BFHE 231, 298, BStBl II 2011, 296, Rz 30, unter Hin­weis auf das BFH-Urteil in BFHE 204, 80, BStBl II 2004, 363, unter 1.c der Entscheidungsgründe). Denn nur auf diese Weise waren die berechneten Ent­gelte eines privaten Krankenhauses mit den im Anwendungsbereich der Bun­despflegesatzverordnung festzusetzenden Pflegesätzen vergleichbar (BFH-Ur­teil in BFHE 263, 543, Rz 60).

bb) Durch Art. 2 des Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fall­pauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.04.2002 ‑‑Fallpauschalenge­setz‑‑ (BGBl I 2002, 1412) wurde das sog. DRG-Vergütungssystem eingeführt, wonach stationäre Leistungen in Fallpauschalen zu berechnen sind. Hierzu re­gelte § 17b Abs. 6 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Kranken­häuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzie­rungsgesetz) i.d.F. des Fallpauschalengesetzes, dass dieses Vergütungssystem für alle Krankenhäuser verbindlich zum 01.01.2004 eingeführt wurde. Seitdem werden von der Bundespflegesatzverordnung nur noch Einrichtungen der Er­wachsenen- sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie (psychiatrische Kranken­häuser und Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern) gemäß § 10 BPflV (bis 31.12.2012) bzw. gemäß § 7 BPflV (seit 01.01.2013) erfasst (vgl. hierzu Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 67 AO Rz 6 f.).

cc) Aus dieser Änderung des Vergütungssystems folgt, dass das Fehlen einer Vorauskalkulation nach Selbstkostengrundsätzen der Steuerfreiheit der Kran­kenhausleistungen nicht mehr entgegensteht. Denn nach der Änderung des Vergütungssystems auf die Abrechnung nach Fallpauschalen waren von den Vergleichs-Krankenhäusern des § 67 Abs. 1 AO weder Pflegesätze zu ermitteln noch konnte ein Vergleich mit diesen Krankenhäusern anhand solcher auf­grund einer Vorauskalkulation der Selbstkosten ermittelten Pflegesätze erfol­gen. Vielmehr sind seitdem die Fallpauschalen mit denen eines Krankenhauses im Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes zu vergleichen (BFH-Urteil in BFHE 263, 543, Rz 61). Daher erfordert die mit § 67 Abs. 2 AO be­zweckte Gleichstellung der Krankenhäuser mit denen i.S. des § 67 Abs. 1 AO auch im Streitfall keinen Vergleich von vorauskalkulierten Selbstkosten mehr, sondern an ihre Stelle tritt ein Vergleich auf Basis der Fallpauschalen.

c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die auf den 01.01.2003 bezogene rückwirkende Änderung des § 67 Abs. 1 AO (s. oben II.2.a) jedenfalls für das hier vorliegende Streitjahr nicht verfassungswidrig.

aa) Die rechtsstaatlichen Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauens­schutzes ziehen solchen Hoheitsakten enge Grenzen, die belastend in verfas­sungsmäßig verbürgte Rechtsstellungen eingreifen (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 10.04.1984 ‑ 2 BvL 19/82, BVerfGE 67, 1, unter B.III.1., und vom 08.04.2004 ‑ 2 BvR 1811/03 , BVerfGK 3, 147, unter III.1.c aa). Demgemäß ist die Verfassungsmäßigkeit eines rückwir­kenden Gesetzes nur dann fraglich, wenn es sich um ein den Bürger belasten­des Gesetz handelt (BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 ‑ 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, Rz 63). Im Übrigen geht das BVerfG sogar von einer Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkungen aus, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen und diese erwarten mussten (Beschluss in BVerfGE 135, 1, Rz 65).

bb) Im Streitfall ergibt sich danach aus einem Vergleich der zunächst gelten­den mit der rückwirkenden Regelung des § 67 Abs. 1 AO, dass die Rückwir­kung für die Klägerin keine belastende Wirkung hatte. Denn die rückwirkende Änderung eröffnete der Klägerin ‑‑ebenso wie den unter § 67 Abs. 1 AO fal­lenden Krankenhäusern‑‑ erst (wieder) die Möglichkeit der Umsatzsteuerfrei­heit ihrer Umsätze nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. Es handelte sich ledig­lich um eine letztlich nur redaktionell wirkende Änderung der Gesetzesfassung, die die steuerrechtliche Definition des Zweckbetriebes Krankenhaus in § 67 AO an die Entwicklung im Krankenhausrecht anpasste (zutreffend FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.04.2011 ‑ 3 K 526/08, EFG 2011, 1824, Rz 29). Darüber hinaus musste mit einer rückwirkenden Änderung des § 67 AO gerechnet werden.

(1) § 67 Abs. 1 AO a.F. knüpfte das Vorliegen eines in den Anwendungsbereich der Bundespflegesatzverordnung fallenden Krankenhauses als Zweckbetrieb daran, dass mindestens 40 % der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfie­len, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§§ 11, 13 und 26 BPflV) berechnet wurden.

(2) Seit 2004 wurden die stationären Leistungen der Krankenhäuser allerdings grundsätzlich in Fallpauschalen nach dem Krankenhausentgeltgesetz berech­net. Von der Bundespflegesatzverordnung, auf die § 67 Abs. 1 AO a.F. ver­wies, waren nur noch Leistungen von psychiatrischen Krankenhäusern sowie Einrichtungen für Psychosomatik und Psychotherapie erfasst.

Die bezweckte steuerrechtliche Privilegierung stationärer Leistungen von (all­gemeinen) Krankenhäusern lief aufgrund des fehlenden Verweises auf das Krankenhausentgeltgesetz in § 67 AO a.F. somit weitgehend leer (Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 67 AO Rz 6). § 67 AO a.F. bot demnach keine Grundlage mehr für die Steuerbegünstigung von Krankenhäusern (BTDrucks 16/2712, S. 79 zu Nr. 7 (§ 67)). Dies betraf auch die Umsätze der Klägerin aus dem Betrieb ihres Krankenhauses. Da es im Streitjahr ‑‑von Einrichtungen der Erwachsenen- sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie abgesehen‑‑ keine Krankenhäuser gab, die nach der Bundespflegesatzverordnung abrechneten, fehlte es bereits an Vergleichskrankenhäusern als Maßstab für die Berechnung der 40 %-Sozialquote. Für die von der Klägerin beanspruchte Steuerfreiheit nach § 67 Abs. 2 AO a.F. gab es daher keine Rechtsgrundlage.

(3) Zur Behebung des legislativen Versäumnisses, dass die nach der Norm­struktur des § 67 AO erforderliche Anpassung des Zweckbetriebsbegriffs an die krankenhausrechtliche Rechtsentwicklung nicht rechtzeitig vorgenommen wurde, kam es durch Art. 11 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb JStG 2007 in Art. 97 § 1c des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO) zur Einfü­gung eines zusätzlichen Absatzes 3, wonach die Änderung des § 67 AO bereits "ab dem 1. Januar 2003 anzuwenden" war.

Seit dieser Änderung verweist § 67 Abs. 1 AO für das Vorliegen eines Zweck­betriebs darauf, dass mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Be­rechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§ 7 KHEntgG, § 10 BPflV) berechnet werden. Damit wurde der Anwendungsbereich des § 67 Abs. 1 AO wieder für allgemeine Krankenhäuser eröffnet, die seit 2004 nach Fallpauschalen abrechnen. Dies hat zur Folge, dass nunmehr auch zugunsten der Klägerin eine Rechtsgrundla­ge dafür vorhanden ist, auf der Grundlage eines Vergleichs von Fallpauschalen die Steuerfreiheit ihrer Umsätze zu erlangen.

3. Mangels Spruchreife ist die Sache an das FG zurückzuverweisen.

a) Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 AO vorliegen, da das FG weder Feststellungen zur Höhe der von der Klägerin abgerechneten Entgelte (Fallpauschalen) getroffen noch diese mit den im Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes für allgemeine Kran­kenhausleistungen abrechenbaren Entgelten nach § 7 KHEntgG verglichen hat. Das FG wird diese Feststellungen und Vergleiche im zweiten Rechtsgang nach­zuholen und in diesem Zusammenhang auch zu prüfen haben, ob mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten ent­fielen, bei denen die abgerechneten Entgelte nicht höher waren. Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, kann hierfür auch von Be­deutung sein, ob vergleichbare Bedingungen im Hinblick auf die Finanzierung von Investitionskosten vorliegen.

b) Nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. ist für den Vergleich zwar auf das Vorjahr (hier: 2005) abzustellen. Aufgrund der Unionsrechtswid­rigkeit dieser Regelung ergibt sich eine Steuerbefreiung jedoch unter Berück­sichtigung des Unionsrechts auch dann, wenn die Voraussetzungen im Streit­jahr 2006 erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 263, 543, Rz 70).

4. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zum Ergebnis kommen, dass die Klä­gerin die Einhaltung der Quote von 40 % nicht nachgewiesen hat, wird es auch zu prüfen haben, ob eine (ggf. partielle) Steuerfreiheit der Krankenhausleis­tungen unter direkter Berufung auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtli­nie 77/388/EWG in Betracht kommt. Im Anschluss an das EuGH-Urteil Zimmermann (EU:C:2012:716) geht der BFH zwar von einer Vereinbarkeit der 40 %-Quote mit Unionsrecht aus (BFH-Urteile in BFHE 249, 369, BStBl II 216, 788, sowie in BFHE 249, 380, BStBl II 2016, 793), Zweifel an dieser Auffas­sung könnten sich jedoch aus dem EuGH-Urteil Idealmed III vom 05.03.2020 ‑ C‑211/18 (EU:C:2020:168) ergeben (Lippross, Neue Wirtschafts-Briefe 2021, 404 ff.; Stahlschmidt, Der Steuerberater 2021, 214 ff.; Klenk, Höchstrichterli­che Finanzrechtsprechung 2020, 490, 493; Wüst in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 4 Nr. 14 Rz 222; Sterzinger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG Rz 51). In diesem Zusammenhang wird das FG auch das EuGH-Urteil I (Exonération de TVA des prestations hospitalières) vom 07.04.2022 ‑ C‑228/20 (EU:C:2022:275, Rz 60 ff.) sowie die BFH-Urteile vom 23.10.2014 ‑ V R 20/14 (BFHE 248, 376, BStBl II 2016, 785), in BFHE 249, 380, BStBl II 2016, 793 und in BFHE 263, 543 zu berücksichtigen haben.

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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    G. Grisebach, Steuerberaterin

  • "Auf vieles kann man verzichten - auf SIS niemals! Herzlichen Glückwunsch zur aktuellen SIS-Datenbank, vielen Dank für Ihren äußerst aktuellen Informations-Service"

    Friedrich Heidenberger, Steuerberater, 90530 Wendelstein

  • "Ihre Datenbank ist konkurrenzlos benutzerfreundlich."

    Godehard Wedemeyer, 47807 Krefeld

  • "Ich bin sehr zufrieden - rundum ein Lob von meiner Seite. Ich nutze die SIS-Datenbank schon seit vielen Jahren und finde sie sehr, sehr gut."

    Reinhard Geiges, Finanzbeamter, 70173 Stuttgart

  • "Herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Das funktioniert, wie alles bei Ihnen, wunderbar. An dieser Stelle mal ein großes Lob an das gesamte Team. Ich bin wirklich froh, dass es Sie gibt."

    Uwe Lewin, Geschäftsführer Exacta Steuerberatungs GmbH, 07546 Gera

  • Konditionen
  • Online-Datenbank schon ab 32,00 € inkl. USt

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  • Notiz-Funktion
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    Notiz-Funktion in der SIS-Datenbank!

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  • So übersichtlich kann eine Datenbank sein.

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