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BFH: Unternehmereigenschaft bei planmäßigem An- und Verkauf im Rahmen eines Internethandels (hier: ebay)

  1. Die Gegenleistung ist in Entgelt und Steuerbetrag aufzuteilen.
  2. Veräußert ein Verkäufer auf jährlich mehreren hundert Auktionen Waren über die Internetplattform "ebay", liegt eine nachhaltige und damit umsatz­steuerrechtlich unternehmerische Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 UStG vor.
  3. Die Aufzeichnungspflichten gemäß § 25a Abs. 6 Satz 1 UStG gehören nicht zu den materiellen Voraussetzungen der Differenzbesteuerung. Ein Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten führt deshalb nicht grundsätzlich zur Versa­gung der Differenzbesteuerung.

UStG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 10 Abs. 1, § 11, § 12 Abs. 1, § 25 Abs. 3, § 25a
MwStSystRL Art. 9 Abs. 1

BFH-Urteil vom 12.5.2022, V R 19/20 (veröffentlicht am 10.11.2022)

Vorinstanz: Hessisches FG vom 19.7.2018, 2 K 1835/16 (EFG 2019, 777 = SIS 19 04 99)

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte in den Streitjahren (2009 bis 2013) Gegenstände aus Haushaltsauflösungen an und bot sie auf der In­ternet-Auktions-Plattform "ebay" (ebay) in Form von Versteigerungen zum Verkauf an. Dazu legte sie vier Konten auf ebay an und eröffnete zwei Giro­konten. Die Klägerin verkaufte 2009 auf 577 Auktionen, 2010 auf 1 057 Auk­tionen, 2011 auf 628 Auktionen, 2012 auf 554 Auktionen und 2013 auf 260 Auktionen Waren über ebay. Steuererklärungen gab sie nicht ab. Eine Steuerfahndungsprüfung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) ergab folgende Einnahmen:

  Auktionen Einnahmen
2009    577  40.000 €
2010 1 057  70.000 €
2011    628  90.000 €
2012    554  90.000 €
2013    260  80.000 €

Das FA erließ entsprechende Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbe­scheide, in denen es die Betriebsausgaben und Vorsteuern in Höhe von 30 % der Einnahmen schätzte. In den Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre jeweils vom 20.05.2016 setzte das FA Umsatzsteuer in Höhe von 19 % auf die festgestellten Einnahmen fest. Vorsteuerbeträge erkannte das FA nicht an.

Die Klägerin erhob nach erfolglosem Vorverfahren Klage. Die Klage hatte teil­weise Erfolg (Hessisches Finanzgericht ‑‑FG‑‑, Urteil vom 19.07.2018 ‑ 2 K 1835/16, Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2019, 777). Das FG entschied, die Einnahmen seien zu Recht dem Grunde nach der Einkommen‑, Gewerbe- und Umsatzsteuer unterworfen worden. Die Klägerin habe nicht nur privates Vermögen veräußert, sondern sei nach Würdigung der gesamten Um­stände wie eine typische Einzelhändlerin aufgetreten. Dafür spreche u.a. die Anzahl der über viele Jahre getätigten Verkäufe und der Aufwand. Sie habe An- und Verkäufe mit auf Güterumschlag gerichteter Absicht getätigt und sei dauerhaft am Markt als Anbieter verschiedener Güter aufgetreten. In Anbe­tracht der Tatsache, dass die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen (FG Köln, Urteil vom 04.03.2015 ‑ 14 K 188/13, EFG 2015, 1103, und Niedersächsisches FG, Beschluss vom 26.05.2010 ‑ 4 V 210/09, juris) den Ansatz von Betriebsausgaben mit Werten von 40 % bzw. 80 % des Nettoum­satzes für angemessen befunden habe, sei eine Schätzung der Betriebsaus­gaben bei der Einkommensteuer- und Gewerbesteuerfestsetzung von 60 % des Nettoumsatzes gerechtfertigt. Im Übrigen wies das FG die Klage ab.

In dem vor dem X. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) geführten Revisionsver­fahren X R 26/18 hat der X. Senat das Verfahren wegen Umsatzsteuer 2009 bis 2013 mit Beschluss vom 17.06.2020 abgetrennt und zuständigkeitshalber an den V. Senat abgegeben. Mit Urteil vom selben Tag hat der X. Senat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen (BFH-Ur­teil vom 17.06.2020 ‑ X R 26/18, BFH/NV 2021, 314).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin insbesondere die Verletzung materiellen Rechts. Sie sei nicht als Händlerin anzusehen, da sie weder ein Konzept noch eine Organisation noch Vorkenntnisse im Handel habe. Sie kaufe gelegentlich aus Haushaltsauflösungen und verkaufe die Gegenstände wieder über ebay für ein Mindestgebot von 1 €. Es sei wie bei einer Lotterie unsicher, ob Gewinne entstünden. Zahlreiche Gegenstände verkaufe sie deutlich unter Einkaufswert, andere werfe sie einfach weg. Sie habe auch nichts dafür getan, die Gegen­stände gewinnbringend zu veräußern (z.B. Mindestpreise, Werbung, besondere Darstellung der Gegenstände, Auswahl gutgehender Gegenstände) und jeden­falls per Saldo keinen Gewinn erzielt. Ihr Ziel sei der Nervenkitzel bzw. die Spannung gewesen, zu welchem Preis die Gegenstände gekauft würden. Für sie sei es Zeitvertreib bzw. Hobby bzw. Liebhaberei gewesen. Bei ebay sei sie nur private Kundin gewesen. Das FG habe auch nicht dargelegt, wann die Ge­werblichkeit begonnen und geendet habe. Es müsse zunächst das Bestehen eines Gewerbebetriebs festgestellt werden, bevor mangels ordnungsgemäßer Buchführung zur Schätzung übergegangen werden könne. Zudem habe das FG keine anerkannte Schätzungsmethode gewählt. Eine Betriebsausgabenquote von 60 % des Nettoumsatzes sei willkürlich. Der Schätzungsbescheid sei nich­tig.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 12.09.2016 sowie die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2013 vom 20.05.2016 auf­zuheben,
hilfsweise die Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG.

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG-Urteil ist aufzuheben, weil es § 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verletzt, indem es zu Unrecht die Festsetzung von Umsatzsteuer auf die (Brutto‑)Einnahmen bestätigt hat. Die Sache ist insbesondere im Hinblick auf die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG nicht spruchreif.

1. Gemäß § 12 Abs. 1 UStG beträgt die Steuer für jeden steuerpflichtigen Um­satz 19 % der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und 25a Abs. 3 und 4 UStG).

a) Bemessungsgrundlage ist gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG das Entgelt. Ent­gelt war gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG nach der in den Streitjahren gelten­den Fassung dieser Vorschrift alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Deshalb hätte die festzusetzende Umsatzsteuer in den angefochtenen Bescheiden aus den sog. (Brutto‑)Einnahmen herausgerechnet werden müssen. Das wird das FG bei seiner erneuten Entscheidung berücksichtigen müssen.

Dass die Klägerin mit ihrer Revision nicht die Verletzung dieser Vorschrift rügt, ist ohne Bedeutung. Denn stützt ein Revisionskläger ‑‑wie im vorliegenden Fall‑‑ sein Rechtsmittel in zulässiger Weise auf die Verletzung materiellen Rechts, prüft der BFH nach dem Grundsatz der Vollrevision das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO; vgl. BFH-Urteile vom 27.01.2016 ‑ X R 2/14, BFHE 253, 89, BStBl II 2016, 534; vom 19.10.2011 ‑ X R 65/09, BFHE 235, 304, BStBl II 2012, 345, und vom 23.10.2019 ‑ V R 46/17, BFHE 267, 140).

b) Diese Beurteilung entspricht auch der unionsrechtlichen Grundlage in Art. 73 und Art. 78 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Da­nach ist die Besteuerungsgrundlage die vom Steuerpflichtigen tatsächlich er­haltene Gegenleistung, wobei die Mehrwertsteuer nicht in die Steuerbemes­sungsgrundlage einzubeziehen ist. Die Gegenleistung beinhaltet somit im Ge­gensatz zur Bemessungsgrundlage den Steuerbetrag. Denn wird z.B. ein Kauf­vertrag ohne Hinweis auf die Mehrwertsteuer abgeschlossen und kann der Lie­ferer die später von der Steuerbehörde verlangte Mehrwertsteuer vom Erwer­ber nicht wiedererlangen, hätte die Berücksichtigung des Gesamtpreises ohne Abzug der Mehrwertsteuer als Grundlage für die Erhebung der Mehrwertsteuer zur Folge, dass die Mehrwertsteuer diesen Lieferer belasten würde, und ver­stieße somit gegen den Grundsatz, dass es sich bei der Mehrwertsteuer um ei­ne Verbrauchsteuer handelt, die vom Endverbraucher zu tragen ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ Tulică vom 07.11.2013 ‑ C‑249/12 und C‑250/12, EU:C:2013:722, Rz 35). Dabei ist der vereinbarte Betrag auch dann in Entgelt und in die darauf entfallende Umsatzsteuer aufzu­teilen, wenn die an der Leistung Beteiligten z.B. rechtsirrtümlich die Gegen­leistung ohne Umsatzsteuer vereinbaren (vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2016 ‑ V R 1/16, BFHE 256, 542, BStBl II 2017, 1079, Leitsatz 2).

2. Im Ergebnis zu Recht entschieden hat das FG, dass die streitigen Leistun­gen der Klägerin der Umsatzsteuer unterliegen.

a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Liefe­rungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Ent­gelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nach­haltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt.

b) Bei richtlinienkonformer Anwendung muss dabei eine wirtschaftliche Tätig­keit i.S. des Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL ausgeübt werden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 26.04.2012 ‑ V R 2/11, BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634; vom 18.12.2008 ‑ V R 80/07, BFHE 225, 163, BStBl II 2011, 292, unter II.1.; vom 11.04.2008 ‑ V R 10/07, BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741, unter II.1. zu Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‑‑Richtlinie 77/388/EWG‑‑). Dabei ist zu berücksichti­gen, dass Art. 9 MwStSystRL der Mehrwertsteuer einen sehr breiten Anwen­dungsbereich zuweist (EuGH-Urteile Van Tiem vom 04.12.1990 ‑ C‑186/89, EU:C:1990:429, Rz 17; EDM vom 29.04.2004 ‑ C‑77/01, EU:C:2004:243, Rz 47 zu Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG).

c) Hinsichtlich der weiteren Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Verkäu­fen über ebay verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634.

Danach ist im vorliegenden Streitfall die Würdigung des FG, wonach es sich bei den Verkäufen um eine nachhaltige Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 UStG handelt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat ausdrücklich auf das Ge­samtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abgestellt und berück­sichtigt, dass die Klägerin ihre Verkaufstätigkeit über viele Jahre hinweg nach­haltig ausgeübt hat, weil auch die Anzahl der Verkäufe von beträchtlichem Umfang war. So hat die Klägerin 2009 auf 577 Auktionen, 2010 auf 1 057 Auktionen, 2011 auf 628 Auktionen, 2012 auf 554 Auktionen und 2013 auf 260 Auktionen Waren veräußert. Das FG hat weiter berücksichtigt, dass der Umfang dieser Tätigkeit eine Betriebsorganisation erforderte. Sie hat Ver­packungsmaterial kaufen, Waren verpacken, Porto zahlen und digitale Bilder der angebotenen Gegenstände fertigen müssen. Das FG hat diesen Sachver­halt ohne Verstoß gegen Denkgesetze und ohne Vernachlässigung wesentli­cher Umstände dahingehend gewürdigt, dass eine intensive und langfristige Verkaufstätigkeit unter Nutzung bewährter Vertriebsmaßnahmen ("ebay"-Plattform) vorliegt, die deshalb als nachhaltig i.S. des § 2 Abs. 1 UStG zu be­urteilen ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Klägerin einen privaten oder einen gewerblichen Zugang gewählt hat, weil die Merkmale der unter­nehmerischen Tätigkeit keinem Wahlrecht unterliegen.

Auf das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht kommt es im Umsatzsteuer­recht gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG nicht an.

3. Die Sache ist gleichwohl nicht spruchreif, weil Feststellungen zur Differenz­besteuerung nach § 25a UStG fehlen.a) Angesichts der nachhaltigen selbständigen Tätigkeit ist davon auszugehen, dass die Klägerin Wiederverkäuferin i.S. des § 25a Abs. 1 Nr. 1 UStG ist, weil sie gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt. Wel­che Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25a UStG, und zwar insbesondere dafür, dass der Vor­lieferant die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 UStG erfüllt, zu stellen sind, ist zwar höchstrichterlich noch nicht entschieden (vgl. hierzu z.B. FG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2021 ‑ 5 K 1414/18 U, EFG 2021, 1948 ‑ Re­vision eingelegt, Az. des BFH: XI R 15/21). Da die Klägerin die von ihr weiter veräußerten Gegenstände nach den Feststellungen des FG "beim Stöbern bei Haushaltsauflösungen" erworben hat, kann aber nach den Verhältnissen des Streitfalls von einem Erwerb, für den keine Umsatzsteuer geschuldet wurde (§ 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a UStG), auszugehen sein.

b) Ob die Klägerin auch auf gewerblichen Haushaltsauflösungen Gegenstände erworben hat und ob es sich dabei um Edelsteine oder Edelmetalle gehandelt hat (§ 25a Abs. 1 Nr. 3 UStG), wird das FG feststellen müssen.

c) In Bezug auf die Aufzeichnungspflichten gemäß § 25a Abs. 6 Satz 1 UStG weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass diese ‑‑entgegen dem FG-Urteil‑‑ nicht zu den materiellen Voraussetzungen der Differenzbesteuerung gehören, sodass ein Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten grundsätzlich nicht dazu führt, die Differenzbesteuerung zu versagen, sondern vielmehr ‑‑ggf. zu Las­ten des Wiederverkäufers‑‑ nach § 162 der Abgabenordnung (AO) zu schätzen sein kann (vgl. Grebe in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 25a Rz 56; zur Zulässigkeit der Schätzung vgl. bereits FG Berlin, Urteil vom 21.12.1999 ‑ 7 K 5176/98, EFG 2000, 521).

Unionsrechtlich erklärt sich dies zum einen daraus, dass nur eine Pflicht zu (getrennten) Aufzeichnungen nach Art. 324 MwStSystRL besteht, wenn die Differenzbesteuerung neben der Regelbesteuerung angewendet wird. Zum an­deren hat der EuGH zwar entschieden, dass sich die Bemessungsgrundlage, die nach der Differenzbesteuerung bestimmt wird, aus Aufzeichnungen erge­ben muss, die es ermöglichen, zu überprüfen, ob sämtliche Voraussetzungen für die Anwendung dieser Regelung erfüllt sind (vgl. EuGH-Urteil Sjelle Autogenbrug vom 18.01.2017 ‑ C‑471/15, EU:C:2017:20, Rz 43). Danach müssen die Aufzeichnungen des steuerpflichtigen Wiederverkäufers und die damit in Zusammenhang stehenden Rechnungen ‑‑abgesehen von Ausnahme­fällen‑‑ objektive Informationen zu dem betreffenden Umsatz und den ver­kauften Gegenständen liefern können (vgl. EuGH-Urteil E LATS vom 11.07.2018 ‑ C‑154/17, EU:C:2018:560, Rz 38). Steht aber fest, dass die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung vorliegen, kann ein Ausnahmefall in diesem Sinne vorliegen, bei dem aufgrund des Fehlens von Aufzeichnungen die Anwendung der Differenzbesteuerung nicht zwingend zu versagen ist. Es ist dann vielmehr zu prüfen, ob Einkaufspreise ggf. mit einem (erheblichen) Sicherheitsabschlag zu Lasten des Wiederverkäufers nach § 162 AO geschätzt werden können (so im Ergebnis auch Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteu­ergesetz, § 25a Rz 176). Der Senat berücksichtigt dabei auch, dass im Rah­men der Differenzbesteuerung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu be­achten ist (EuGH-Urteil Litdana vom 18.05.2017 ‑ C‑624/15, EU:C:2017:389, Rz 44) und danach eine derartige Schätzung ‑‑als milderes Mittel‑‑ in Betracht zu ziehen sein kann.

d) Soweit eine Differenzbesteuerung nach § 25a UStG nicht in Betracht kom­men sollte, wird das FG noch Feststellungen zum Vorsteuerabzug und zum Steuersatz nachholen müssen.

aa) Die Feststellungen des FG lassen keine Beurteilung zu, ob und ggf. in wel­cher Höhe die Voraussetzungen eines Vorsteuerabzugs vorgelegen haben. Die Feststellung des FG, dass die Klägerin die von ihr verkauften Gegenstände "beim Stöbern bei Haushaltsauflösungen" erworben hat, deutet darauf hin, dass es sich um Erwerbe von Nichtunternehmern gehandelt hat, die gemäß § 15 Abs. 1 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen (s. oben unter II.3.a.). Hierzu wird das FG aber noch Feststellungen nachholen müssen. Dasselbe gilt für das Vorliegen von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen und den übrigen Voraussetzungen eines Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 UStG.

bb) Soweit die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung nicht vorliegen soll­ten, wird das FG ferner zu prüfen haben, ob auf einzelne Umsätze der ermä­ßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 UStG Anwendung findet. Dabei wird zu be­rücksichtigen sein, dass die Tatbestände des § 12 Abs. 2 UStG als Ausnah­meregelungen eng auszulegen sind (EuGH-Urteile Kommission/Frankreich vom 06.05.2010 ‑ C‑94/09, EU:C:2010:253; Erotic Center vom 18.03.2010 ‑ C‑3/09, EU:C:2010:149, m.w.N.) und dass der Steuerpflichtige die Feststel­lungslast für das Vorliegen der Merkmale der Steuerermäßigung trägt (BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634).

4. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Voraussetzungen des § 19 UStG im Streitfall nicht vorliegen.

a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG wird die für die Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn der in Satz 2 be­zeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegange­nen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalender­jahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Diese Voraussetzungen waren in den Streitjahren nicht erfüllt, weil der jeweils maßgebliche Vorjah­resumsatz 17.500 € überstiegen hat. Die Umsatzgrenze von 50.000 € hat kei­ne eigene Bedeutung, wenn der Vorjahresumsatz bereits die Grenze von 17.500 € übersteigt; Bedeutung hat die Umsatzgrenze nur für den Fall, dass die Umsätze des vorangegangenen Jahres geringer sind als 17.500 €, aber im laufenden Jahr voraussichtlich 50.000 € übersteigen (BFH-Urteil in BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634; BFH-Beschluss vom 18.10.2007 ‑ V B 164/06, BFHE 219, 400, BStBl II 2008, 263, unter II.2.b, m.w.N.).

b) Auch für das Erstjahr 2009 ist die Grenze der Kleinunternehmerbesteuerung überschritten. Denn in Kalenderjahren, in denen der Unternehmer sein Unter­nehmen beginnt, ist die Umsatzgrenze von 17.500 € für das laufende Kalen­derjahr maßgeblich (BFH-Urteil vom 22.11.1984 ‑ V R 170/83, BFHE 142, 316, BStBl II 1985, 142; BFH-Beschluss in BFHE 219, 400, BStBl II 2008, 263).

c) Auch soweit die Anwendung der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG in Betracht kommt (s. oben II.3.), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nach der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) ist bei einem Händler, der der Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) unterliegt, nicht auf die Differenz zwischen dem geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis (Handelsspanne), sondern auf die Gesamteinnahmen abzu­stellen (BFH-Urteil vom 23.10.2019 ‑ XI R 17/19 (XI R 7/16), BFHE 267, 154).

5. Die von der Klägerin beantragte Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG ist im Streitfall nicht geboten, da ernstliche Zweifel an dessen Unvor­eingenommenheit (vgl. zu den Voraussetzungen BFH-Urteil vom 04.09.2002 ‑ XI R 67/00, BFHE 200, 1, BStBl II 2003, 142) nicht zu erkennen sind und auch von der Klägerin nicht vorgetragen worden sind. Allein die Fehlerhaftigkeit des FG-Urteils genügt hierfür nicht.Der vom FG dem Einzelrichter übertragene Rechtsstreit wird allerdings unter Aufhebung des Beschlusses betreffend die Übertragung des Streitfalls auf den Einzelrichter an den Vollsenat zurückverwiesen, da die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 FGO im Streitfall nicht gegeben sind (vgl. BFH-Urteile vom 13.12.2018 ‑ III R 13/15, BFH/NV 2019, 1069; vom 30.11.2010 ‑ VIII R 19/07, BFH/NV 2011, 449, und in BFH/NV 2021, 314).6. Der Senat hat die Entscheidung in einer Videokonferenz unter den hierfür von der BFH-Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen getroffen (vgl. BFH-Urteil vom 10.02.2021 ‑ IV R 35/19, BFHE 272, 152).7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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