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BFH: Teilwertansatz bei börsennotierten "hybriden" Anleihen ohne feste Laufzeit und ohne Kündigungsmöglichkeit des Gläubigers

Bei börsennotierten verzinslichen Wertpapieren ohne feste Laufzeit, die von den Gläubigern nicht gekündigt werden können, liegt eine voraussichtlich dau­ernde Wertminderung vor, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter den­jenigen im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Anschaffungskosten bei Erwerb überschreitet.

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, Satz 2, Nr. 1 Satz 3
KStG § 8 Abs. 1

BFH-Urteil vom 23.8.2023, XI R 36/20 (veröffentlicht am 21.12.2023)

Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 22.10.2020, 10 K 10021/17 = SIS 21 00 35

I. Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren nur noch darüber, ob für soge­nannte hybride Wertpapiere im Streitjahr (2012) der niedrigere Kurswert als Teilwert angesetzt werden darf oder der höhere Nominalwert angesetzt wer­den muss.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, hielt in ihrem Um­laufvermögen zwei Anleihen (ISIN DE000A0GLDZ3 und DE000A0GWWW7) der XY Bank (Emittentin) mit einem Nominalwert von jeweils … €. Die Zins­zahlung erfolgte jeweils vierteljährlich. Der Zinssatz war variabel und vom Euribor (Euro Interbank Offered Rate) abhängig. Die Anleihen hatten ein Volu­men von … Mio. € beziehungsweise … Mio. € und wurden am 09.01.2006 beziehungsweise am 04.09.2006 emittiert. Es handelte sich um sogenannte Tier‑1‑Anleihen (nachrangige Bankschuldverschreibungen), die nach den tat­sächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) üblicherweise von Kreditin­stituten begeben wurden, unbesichert waren, im Liquidationsfall nachrangig zu Senior-Anleihen (erstrangige Anleihen), nachrangigen Anleihen, Genussschei­nen und stillen Beteiligungen waren, aber vor den Ansprüchen der Aktionäre rangierten und in der Bilanz der Emittentin dem Kernkapital zugeordnet wur­den. Zinszahlungen durften nur geleistet werden, wenn ausreichend verteilba­rer Gewinn vorhanden war; ausgefallene Zinszahlungen durften nicht nachge­zahlt werden. Durch das höhere Ausfallrisiko traten höhere Kursschwankungen auf.

Beide Anleihen waren bei Fälligkeit zu 100 % des Nennkapitals rückzahlbar, hatten keine feste Laufzeit und konnten nur von der Emittentin (aber nicht von den Gläubigern/Anlegern) zu bestimmten Zeitpunkten gekündigt werden, wenn genügend Mittel für eine Rückzahlung vorhanden waren (aufsichtsrecht­liche Zustimmung erforderlich). Die Kündigung war erstmals zum 09.01.2013 beziehungsweise 04.09.2013 möglich (und dann vierteljährlich zu den Zins­zahlungsterminen).

Es ist aus öffentlich zugänglichen Quellen allgemein bekannt, dass die Anlei­hen nach einer ordentlichen Kündigung durch die XY Bank am 04.03.2021 (DE000A0GWWW7) beziehungsweise 09.04.2021 (DE000A0GLDZ3) zum No­minalwert zurückgezahlt wurden.

Zum 31.12.2012 betrugen die Kurse der beiden Anleihen 50 %, der Kurswert betrug daher jeweils … € (zusammen … €).

Die Klägerin bewertete die Anleihen in ihrer Bilanz zum 31.12.2012 mit dem Kurswert als Teilwert. Die am 30.07.2013 erlassenen Bescheide für das Jahr 2012 ergingen erklärungsgemäß und unter Vorbehalt der Nachprüfung.

Nach einer Außenprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, die Klägerin tra­ge ein Kursrisiko nur bei einem vorzeitigen Verkauf. Die Laufzeit sei nicht un­endlich, sondern lediglich unbestimmt, da eine Kündigung der Emittentin vier­teljährlich möglich sei. Die Bonität der Emittentin sei gut gewesen (Juni 2012 bei Moody’s A1, bei Standard & Poor’s AA, bei Fitch A+). Ein Ausfallrisiko habe nicht bestanden. Im Anschluss an das zu festverzinslichen Wertpapieren er­gangene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 08.06.2011 ‑ I R 98/10 (BFHE 234, 137, BStBl II 2012, 716) seien die Anleihen daher mit dem Nomi­nalwert anzusetzen.

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte der Auffassung der Prüferin und erließ am 05.05.2014 auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützte Änderungsbescheide wegen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer­messbetrag für das Jahr 2012.

Den Einspruch der Klägerin, mit dem sie geltend machte, dass keine feste Laufzeit vorliege, was praktisch einer unendlichen Laufzeit entspreche, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 20.12.2016 als unbegründet zurück. Zwar sei weder durch die Rechtsprechung noch durch Verwaltungsanweisun­gen bisher entschieden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzun­gen bei variabel verzinsten Hybridanleihen mit unbestimmter Laufzeit eine vo­raussichtlich dauernde Wertminderung vorliege. Nach Auffassung des FA sei jedoch die Rechtsprechung des BFH zu festverzinslichen Wertpapieren ent­sprechend anzuwenden, da für den BFH ausschlaggebend gewesen sei, dass die Wertpapiere eine Forderung in Höhe des Nominalwerts verbrieften und der Inhaber der Hybridanleihen zu jedem Bilanzstichtag die Sicherheit habe, am Ende der (nicht vorhandenen) Laufzeit den Nominalwert zu erhalten. Die Emit­tentin werde zum Beispiel bei fallenden Zinsen die hochverzinslichen Hybridan­leihen ablösen.

Das FG gab der Klage, mit der die Klägerin weiter vortrug, es habe eine vo­raussichtlich dauernde Wertminderung vorgelegen, statt; sein Urteil ist in Ent­scheidungen der Finanzgerichte 2021, 189 (mit Anmerkung Weinschütz) veröf­fentlicht. Bei Wertpapieren ohne feste Laufzeit mit Kündigungsrecht der Emit­tentin führe ein Kursrückgang regelmäßig zu einer voraussichtlich dauernden Wertminderung, wenn keine Kündigung durch die Emittentin absehbar sei.

Daneben hat das FG auch einer Klage wegen des Jahres 2011 stattgegeben. Insoweit hat das FA das Urteil des FG wegen des Schreibens des Bundesminis­teriums der Finanzen (BMF) vom 02.09.2016 (BStBl I 2016, 995, Rz 38) rechtskräftig werden lassen.

Mit der auf das Streitjahr 2012 beschränkten Revision rügt das FA die Verlet­zung materiellen Rechts (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 des Einkommensteuergeset­zes ‑‑EStG‑‑). Dass das Ende der Laufzeit nicht feststehe, sei für die Zulässig­keit einer Teilwertabschreibung nicht entscheidungserheblich.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung hinsichtlich des Jahres 2012 aufzuhe­ben und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuwei­sen.

Sie verteidigt die angefochtene Vorentscheidung.

Das dem Verfahren beigetretene BMF hat keinen Antrag gestellt. Es trägt vor, es bestünden keine entscheidungserheblichen Unterschiede zwischen festver­zinslichen Anleihen mit fester Laufzeit und variabel verzinslichen Anleihen oh­ne feste Laufzeit. Entscheidend sei, dass zum Ende der (nicht vorhandenen) Laufzeit der Nominalwert der Anleihe zurückzuzahlen sei. Es bestehe auch in­soweit die gesicherte Aussicht, am Fälligkeitstag den Nominalwert zu erhalten. Die feste Laufzeit einer Anleihe könne auch 50, 100 oder 150 Jahre betragen. Die Bonität über einen solchen Zeitraum sei ebenso wenig absehbar wie bei Anleihen mit unbestimmter Laufzeit. Die Kündigung durch die Emittentin sei zum Bilanzstichtag nicht vollkommen unwahrscheinlich gewesen.

Hilfsweise macht das BMF geltend, wirtschaftlich gesehen liege keine unendli­che Laufzeit vor. Es müsse jederzeit mit der Kündigung gerechnet werden. Es liege eine Kapitalüberlassung auf Zeit vor, die die Emittentin als Fremdkapital mit dem Nominalwert passiviere. Die fehlende Laufzeit und die fehlende Kün­digungsmöglichkeit für den Gläubiger seien aufsichtsrechtlichen Eigenkapital­anforderungen geschuldet. Die formale Betrachtung der Vorinstanz gehe daher fehl. Die Klägerin müsse nachweisen, dass keine Kündigung erfolgen werde, was ihr angesichts der erfolgten Kündigung nicht gelingen werde.

Das FA und die Klägerin haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II. Die Revision des FA ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Recht angenom­men, dass die Klägerin auf den 31.12.2012 zur Vornahme einer (weiteren) Teilwertabschreibung berechtigt war.

1. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körper­schaftsteuergesetzes (KStG) beziehungsweise ihren Gewerbeertrag gemäß § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG. Sie muss dabei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für den Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres das Betriebs­vermögen ansetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungs­mäßiger Buchführung auszuweisen ist und die Bewertung jenes Betriebsver­mögens nach § 6 EStG vornehmen (vgl. BFH-Urteil vom 21.04.2021 ‑ XI R 42/20, BFHE 273, 149, BStBl II 2022, 20, Rz 17, m.w.N.).

2. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind die nicht in § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG genann­ten Wirtschaftsgüter ‑‑unter anderem Wirtschaftsgüter des Umlaufvermö­gens‑‑ grundsätzlich mit den Anschaffungs‑ oder Herstellungskosten anzuset­zen. Jedoch kann an Stelle jener Werte der Teilwert angesetzt werden, wenn er aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Dies gilt auch für Umlaufvermögen (vgl. BFH-Urteil vom 13.02.2019 ‑ XI R 41/17, BFHE 263, 337, BStBl II 2021, 717, Rz 17).

a) Teilwert ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein Erwer­ber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwer­ber den Betrieb fortführt. Der Begriff der "voraussichtlich dauernden Wertmin­derung" ist weder im Handelsgesetzbuch noch im Steuerrecht definiert. Er bezeichnet im Grundsatz eine Minderung des Teilwerts, die einerseits nicht endgültig sein muss, andererseits aber nicht nur vorübergehend sein darf (vgl. BFH-Urteil vom 02.07.2021 ‑ XI R 29/18, BFHE 274, 8, BStBl II 2022, 205, Rz 22, m.w.N.).

b) Die vorzunehmende Prognoseentscheidung über Umfang und Dauer der Wertminderung beziehungsweise ‑erhöhung als Teil der Ermittlung des Teil­werts ist eine Schätzung nach § 162 AO, die zu den Tatsachenfeststellungen des FG im Sinne von § 118 Abs. 2 FGO gehört und daher revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden kann, ob sie dem Grunde nach zulässig war, in verfahrensfehlerfreier Weise zustande gekommen ist und nicht gegen aner­kannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstößt (vgl. BFH-Urteile vom 21.04.2021 ‑ XI R 42/20, BFHE 273, 149, BStBl II 2022, 20, Rz 21; vom 10.06.2021 ‑ IV R 18/18, BFHE 273, 495, BStBl II 2022, 211, Rz 32; vom 10.06.2021 ‑ IV R 2/19, BFH/NV 2021, 1483, Rz 27). Die Feststellungs‑ und Beweislast trägt der Steuerpflichtige, wobei wegen des Wertaufholungsgebots die Anforderungen an die Darlegungen des Steuer­pflichtigen nicht überspannt werden dürfen (vgl. BFH-Urteil vom 02.07.2021 ‑ XI R 29/18, BFHE 274, 8, BStBl II 2022, 205, Rz 22 f.).

c) Nach der Rechtsprechung des BFH fehlt es bei festverzinslichen Wertpapie­ren in der Regel an einer "voraussichtlich dauernden" Wertminderung, soweit die Kurswerte der Papiere unter den Nominalwert abgesunken sind (vgl. BFH-Urteile vom 08.06.2011 ‑ I R 98/10, BFHE 234, 137, BStBl II 2012, 716, Rz 13 ff. zu Umlaufvermögen; vom 18.04.2018 ‑ I R 37/16, BFHE 261, 166, BStBl II 2019, 73, Rz 12 ff.; vom 13.02.2019 ‑ XI R 41/17, BFHE 263, 337, BStBl II 2021, 717, Rz 32; s.a. BFH-Beschluss vom 08.02.2012 ‑ IV B 13/11, BFH/NV 2012, 963, Rz 4). Gleiches könnte nach der Rechtsprechung des I. Senats des BFH für unverzinsliche Geldforderungen aufgrund ihrer Unver­zinslichkeit gelten (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.2012 ‑ I R 43/11, BFHE 239, 275, BStBl II 2013, 162; s. aber auch BFH-Urteil vom 28.11.2018 ‑ I R 56/16, BFHE 263, 401, BStBl II 2020, 104, Rz 12 f., m.w.N.).

aa) Die maßgebliche Begründung für diese Rechtsprechung ist, dass verzinsliche Wertpapiere regelmäßig eine Forderung in Höhe ihres Nominalwerts verbriefen. Der Inhaber eines solchen Papiers habe das gesi­cherte Recht, am Ende der Laufzeit diesen Nominalwert zu erhalten. Diese Si­cherheit habe er zu jedem Bilanzstichtag, und zwar unabhängig davon, ob zwi­schenzeitlich infolge bestimmter Marktgegebenheiten der Kurswert des Papiers unter dessen Nominalwert liegt (vgl. BFH-Urteile vom 13.02.2019 ‑ XI R 41/17, BFHE 263, 337, BStBl II 2021, 717, Rz 32). Auch wenn der aktu­elle Wert zu einem Bilanzstichtag, der vor dem Fälligkeitszeitpunkt liegt, ge­mindert sei, steige er in der Folgezeit zwangsläufig sukzessive an und erreiche im Fälligkeitszeitpunkt (wieder) den Nominalbetrag der Forderung beziehungs­weise Nominalwert (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.2012 ‑ I R 43/11, BFHE 239, 275, BStBl II 2013, 162, Rz 16). Da weder eine vorzeitige Veräußerung noch das Zuwarten des Gläubigers bis zur Endfälligkeit vorausgesehen werden könne, liege die vom Gesetz geforderte voraussichtliche Dauerhaftigkeit der Wertminderung nicht vor (vgl. BFH-Urteil vom 08.06.2011 ‑ I R 98/10, BFHE 234, 137, BStBl II 2012, 716, Rz 15). Ob etwas anderes gilt, wenn der Steuer­pflichtige zum Bilanzstichtag die Absicht hat, die in Frage stehenden Wertpa­piere zu veräußern, hat der BFH dabei offengelassen (vgl. BFH-Urteil vom 18.04.2018 ‑ I R 37/16, BFHE 261, 166, BStBl II 2019, 73, Rz 15).

bb) Die Dauerhaftigkeit der Wertminderung wird nach dieser Rechtsprechung nur dann ausgeschlossen, wenn feststeht, dass die Wertminderung keinen Be­stand haben wird und nicht schon dann, wenn nur die Möglichkeit einer voll­ständigen Wertaufholung besteht (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.2012 ‑ I R 43/11, BFHE 239, 275, BStBl II 2013, 162, Rz 17). Ein Absinken des Kurswerts unter den Nominalwert erweist sich nur dann als nur vorübergehend und nicht dau­erhaft, wenn sich darin nicht ein "Risiko hinsichtlich der Rückzahlung" wider­spiegelt (vgl. BFH-Urteile vom 08.06.2011 ‑ I R 98/10, BFHE 234, 137, BStBl II 2012, 716, Rz 14; vom 18.04.2018 ‑ I R 37/16, BFHE 261, 166, BStBl II 2019, 73, Rz 14; s.a. zu Bonitätsrisiken BFH-Urteil vom 02.12.2015 ‑ I R 83/13, BFHE 253, 104, BStBl II 2016, 831, Rz 16, m.w.N. sowie zu Wert­papierdarlehen BFH-Urteil vom 29.09.2021 ‑ I R 40/17, BFHE 274, 463, BStBl II 2023, 127, Rz 44 f.).

Ein "Risiko hinsichtlich der Rückzahlung" besteht indes für den Gläubiger einer Anleihe ohne feste Laufzeit auch, solange nicht feststeht, ob es zu einer Rück­zahlung durch die Emittentin kommen wird, weil die dafür erforderliche Kündi­gung im Belieben der Emittentin (und gegebenenfalls einer aufsichtsrechtli­chen Zustimmung) steht und dies den Marktteilnehmern aufgrund der veröf­fentlichten Anleihebedingungen oder Ähnlichem bekannt ist.

3. Ausgehend davon ist die Vorentscheidung revisionsrechtlich nicht zu bean­standen.

a) Das FG hat angenommen, dass bei einer Anleihe, die nur von der Emittentin gekündigt werden kann und die über keine feste Laufzeit verfügt, ein Kurs­rückgang regelmäßig zu einer dauerhaften Wertminderung führe, es sei denn, eine Kündigung durch die Emittentin sei absehbar (gl.A. Korn, Kölner Steuer­dialog 2022, 22615; Lüdenbach, Steuern und Bilanzen 2021, 746; Mihm, Betriebs-Berater 2021, 946; BeckOK EStG/Oellerich, 17. Ed. [01.10.2023], EStG § 6 Rz 1321a; BeckOGK BilanzR/Schlotter/Diffring, HGB, § 253 Rz 289; Leingärtner/Wendt, Besteu­erung der Landwirte, Kap. 29a Rz 74; a.A. Schmidt/Kulosa, EStG, 42. Aufl., § 6 Rz 371). Während der Inhaber eines endfälligen Wertpapiers, das bei Laufzeitende zu 100 % zurückzuzahlen ist, bei gesunkenem Börsenkurs ledig­lich das Ende der Laufzeit abwarten müsse, um den Nominalwert zurückge­zahlt zu bekommen (und der Kurs entsprechender Wertpapiere, die sich ihrer Endfälligkeit nähern, sich immer mehr an den Nominalwert annähere), trete dieser Effekt im Streitfall mangels Endfälligkeit und mangels Kündigungsmög­lichkeit des Inhabers nicht ein. Durch bloßes Zuwarten könne die Annäherung des Werts an den Nominalbetrag nicht erreicht werden. Habe die Emittentin fortdauernden Kapitalbedarf und seien die Zinsbedingungen der Anleihe für die Emittentin günstig oder zumindest marktgemäß, werde die Emittentin die An­leihe nicht kündigen, auch nicht nach sehr langer Zeit. Durch den variablen Zinssatz auf Basis des Euribor werde der Zinssatz marktgemäß bleiben. Eine Kündigung sei zu den Bilanzstichtagen nicht absehbar gewesen.

b) Diese tatsächliche Würdigung des FG, die nicht mit Verfahrensrügen ange­griffen worden ist, geht von den zutreffenden, unter II.2. genannten Rechts­grundsätzen aus; sie ist möglich, verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Er­fahrungssätze und bindet daher gemäß den Ausführungen unter II.2.b den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).

c) Die Einwendungen des FA und des BMF führen zu keiner anderen Beurtei­lung.

aa) Die Hinweise der Prüferin und des FA auf die gute Bonität der Emittentin sowie des BMF auf die Möglichkeit langer Laufzeiten verhelfen der Revision nicht zum Erfolg, weil trotz der guten Bonität am Bilanzstichtag nicht fest­stand, dass die Wertminderung keinen Bestand haben werde, was nach den Ausführungen unter II.2.c bb erforderlich wäre. Hat eine Anleihe keine feste Laufzeit und kann der Gläubiger sie nicht kündigen, besteht für den Inhaber eines solchen Papiers nicht zu jedem Bilanzstichtag die Sicherheit, dass er am Ende der Laufzeit den Nominalwert erhalten werde; denn das Ende der Lauf­zeit war zum Bilanzstichtag ebenso ungewiss wie die Rückzahlung der Anleihe an sich. Da kein (bestimmter) Fälligkeitszeitpunkt existiert, steigt der Kurswert auch nicht zwangsläufig sukzessive an, bis er im Fälligkeitszeitpunkt (wieder) den Nominalbetrag der Forderung beziehungsweise den Nominalwert erreicht, wie dies bei einer festen Laufzeit der Fall ist (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.2012 ‑ I R 43/11, BFHE 239, 275, BStBl II 2013, 162, Rz 16). Dies führt gemäß den Ausführungen unter II.2.c bb zur Nichtanwendung der Rechtsprechung des BFH zu festverzinslichen Wertpapieren und unterscheidet den Streitfall von den vom BMF gebildeten Vergleichsfällen mit sehr langen Laufzeiten.

bb) Aus demselben Grund greift auch der Einwand nicht durch, wirtschaftlich gesehen liege keine unendliche Laufzeit, sondern eine Kapitalüberlassung auf unbestimmte Zeit vor, und aus Sicht der Emittentin handele es sich um Fremdkapital. Selbst wenn dies zuträfe, verschaffte dies der Klägerin zum Bi­lanzstichtag nicht die Gewissheit, dass die Emittentin die Anleihen kündigen, der Kündigung aufsichtsrechtlich zugestimmt und die Anleihe danach zurück­gezahlt wird.

cc) Die Feststellungs‑ und Beweislast der Klägerin gebietet aus demselben Grund keine andere Beurteilung. Eine Abweichung von der allgemeinen Regel, dass der Börsenkurs nach der Rechtsprechung des BFH die Auffassungen der Marktteilnehmer über den Wert widerspiegelt, dass der Kurs "voraussichtlich" dauerhaften Charakter besitzt, dass der Steuerpflichtige sich daher grundsätz­lich auf die Einschätzung des Marktes berufen und diese seiner Bilanz zugrun­de legen darf (vgl. BFH-Urteil vom 13.02.2019 ‑ XI R 41/17, BFHE 263, 337, BStBl II 2021, 717, Rz 37), ist nur dann gerechtfertigt, wenn feststeht, dass die Wertminderung keinen Bestand haben wird (siehe oben II.2.c). Dies ist nicht der Fall, solange ungewiss ist, ob es jemals zu einer Rückzahlung (zum Nominalwert) kommen wird. Die vom BMF betonte (und auch vom Senat ge­sehene) Möglichkeit einer vollständigen Wertaufholung wegen der Möglichkeit der Kündigung, zu der es im Jahr 2021 tatsächlich gekommen ist, reicht daher für eine typisierende Einschränkung der allgemeinen Grundsätze zur voraus­sichtlich dauernden Wertminderung börsennotierter Wertpapiere nicht aus.

dd) Der Hinweis des BMF auf die im Jahr 2021 erfolgte Kündigung führt in Be­zug auf das Streitjahr zu keinem anderen Ergebnis, weil es sich dabei nicht um eine wertaufhellende Tatsache handelt, sondern um einen später eingetrete­nen Umstand (vgl. zu dieser Abgrenzung BFH-Urteil vom 02.07.2021 ‑ XI R 29/18, BFHE 274, 8, BStBl II 2022, 205, Rz 30).

ee) Die zutreffende Besteuerung der Klägerin gemäß ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zum jeweiligen Bilanzstichtag wird in den Folgejahren durch das Wertaufholungsgebot gesichert (vgl. allgemein BFH-Urteile vom 10.06.2021 ‑ IV R 2/19, BFH/NV 2021, 1483, Rz 37; vom 02.07.2021 ‑ XI R 29/18, BFHE 274, 8, BStBl II 2022, 205, Rz 23; vom 21.09.2016 ‑ X R 58/14, BFH/NV 2017, 275, Rz 62).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

5. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Klägerin und des FA ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO). Das Einverständnis des beigetretenen BMF ist hierfür nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 12.04.2023 ‑ I R 48/20, BFHE 280, 189, BStBl II 2023, 888, Rz 28, m.w.N.).

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