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BFH: Vermietung und Verpachtung, Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht bei Objekten mit mehr als 250 qm Wohnfläche

  1. Bei der Vermietung eines Objekts mit einer Wohnfläche von mehr als 250 qm besteht eine Ausnahme von der typisierten Annahme der Einkünfteer­zielungsabsicht bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit, die An­lass zu deren Überprüfung mittels einer Totalüberschussprognose gibt.
  2. An den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur typisierten Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht bei einer auf Dauer angelegten Ver­mietungstätigkeit und den diesbezüglichen Ausnahmen, insbesondere bei der Vermietung eines Objekts mit mehr als 250 qm Wohnfläche, hält der Senat auch nach der Einfügung von § 21 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergeset­zes durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 fest.

EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 21 Abs. 2

BFH-Urteil vom 20.6.2023, IX R 17/21 (veröffentlicht am 16.11.2023)

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 22.1.2021, 5 K 1938/19

I. Streitig ist, inwieweit eine Totalüberschussprognose bei der Vermietung von Immobilien mit jeweils mehr als 250 qm zum Nachweis einer Einkünfteerzie­lungsabsicht angezeigt ist.

Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) vermieteten in den Streitjahren 2011 bis 2014 drei Einfamilienhäuser. Die Anschaffung aller drei Objekte wurde in voller Höhe fremdfinanziert. Zum 01.12.2017 beziehungsweise 01.12.2019 erfolgte eine Anpassung der hieraus resultierenden Zinsen. Die Mietverhältnisse wurden jeweils unbefristet abge­schlossen.

Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Objekte:

Objekt I:

  • Kaufvertrag vom 13.12.2005
  • ab dem 01.07.2006 vermietet an die Tochter und deren Ehemann
  • vereinbarte Kaltmiete: 2.400 €/Monat‚ ab 01.06.2019 010 €/Monat
  • Wohnfläche: 322 qm

Objekt II:

  • Kaufvertrag vom 11.10.2007
  • ab dem 01.04.2008 vermietet an den Sohn und dessen Ehefrau
  • vereinbarte Kaltmiete: 2.050 €/Monat‚ ab 01.06.2019 620 €/Monat
  • Wohnfläche: 290,50 qm

Objekt III:

  • Kaufvertrag vom 23.12.2008
  • ab dem 01.05.2009 vermietet an die Tochter und deren Ehemann
  • vereinbarte Kaltmiete: 2.415 €/Monat‚ ab 01.06.2019 580 €/Monat
  • Wohnfläche: 331 qm

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) veranlagte die Kläger hinsichtlich der geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse bei den Ein­künften aus Vermietung und Verpachtung aus den drei streitgegenständlichen Objekten zunächst für die Veranlagungszeiträume 2011 bis 2013 erklärungs­gemäß (2011 mit Bescheid vom 09.09.2014; 2012 mit Bescheid vom 12.05.2015; 2013 mit Bescheid vom 16.08.2016). In der Folge einer bei den Klägern durchgeführten Außenprüfung versagte das FA jedoch deren steuerli­che Anerkennung (für 2011 bis 2013 mit geänderten Bescheiden vom 15.11.2018 und für 2014 mit Bescheid vom 15.11.2018). Der dagegen gerich­tete Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 08.07.2019).

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab (Urteil vom 22.01.2021). Mangels Einkünfteerzielungsabsicht seien die bezüglich der drei streitgegenständlichen Objekte geltend gemachten Werbungskostenüber­schüsse nicht zu berücksichtigen. Auch bei den nach § 21 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als vollentgeltlich überlassen geltenden Vermietungen der streitgegenständlichen Objekte könne die Einkünfteerzie­lungsabsicht zweifelhaft sein. Hieran habe sich auch nichts durch das Steuer­vereinfachungsgesetz 2011 vom 01.11.2011, BGBl I 2011, 2131 (StVereinfG 2011) geändert. Ungeachtet der weiteren Ausstattungsmerkmale bestehe eine Veranlassung zur Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht, da die jeweilige Wohnfläche der streitgegenständlichen Objekte 250 qm übersteige.

Dagegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie eine Verletzung mate­riellen Rechts rügen. Nach § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 sei bei einer Miete, die mindestens 66 % der Marktmiete betrage, nicht nur von einer Vollentgeltlichkeit, sondern auch von der Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen. Diese Auffassung werde sowohl durch die Gesetzesbegründung als auch durch Teile des Schrifttums bestätigt. Jedenfalls könne das Über­schreiten der Wohnflächengrenze von 250 qm für sich alleine die typisierte Annahme einer Einkünfteerzielungsabsicht bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit nicht in Zweifel ziehen. Steuerpflichtigen müsse zudem zumindest die Möglichkeit zustehen, Zweifel an der Einkünfteerzielungsabsicht durch den Nachweis zu entkräften, dass die höchste am Markt erzielbare Marktmiete dem Wohnwert des Objekts entspreche. Das Abstellen auf eine starre Grenze von 250 qm sei jedenfalls gleichheitswidrig. Die Entscheidung des FG sei ferner widersprüchlich. Einerseits komme das FG zu dem Ergebnis, dass die tatsächlich vereinbarte und bezahlte Miete über 75 % der Marktmiete liege, während es an anderer Stelle ausführe, dass eine Marktmiete nicht er­mittelbar sei. Unzutreffender Weise habe das FG ferner für die Totalüber­schussprognose nicht die unter Berücksichtigung der höchsten am Markt er­zielbaren Mieten hochgerechneten Einkünfte in der Investitionsphase bezie­hungsweise der fünfjährigen Investitionsfolgephase, sondern die tatsächlichen Einkünfte, soweit diese bekannt seien, und ansonsten geschätzte Einkünfte berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 03.09.2021 ist die Einkommensteuerveranlagung 2011 er­neut wegen der Mitteilung von Beteiligungseinkünften geändert worden.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 22.01.2021 ‑ 5 K 1938/19 aufzu­heben und die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2014 (2011: vom 09.09.2014, zuletzt geändert am 03.09.2021; 2012: vom 12.05.2015, zuletzt geändert am 15.11.2018; 2013: vom 16.08.2016, zuletzt geändert am 15.11.2018; 2014: vom 15.11.2018) in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die vom FA nicht anerkannten Werbungskosten­überschüsse aus Vermietung und Verpachtung der streitgegenständlichen Objekte (2011: 195.173 €; 2012: 216.785 €; 2013: 172.728 €; 2014: 190.696 €) berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die bisherigen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um ab­schließend zu entscheiden, ob das FG zu Recht die Überschusserzielungsab­sicht der Kläger verneint hat.

  1. Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich des Streitzeitraums 2011 bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da sich während des Revisionsver­fahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 FGO). Das FG hat über den Einkom­mensteuerbescheid für 2011 vom 15.11.2018 entschieden. An dessen Stelle ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 03.09.2021 getreten, der nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Ver­fahrens geworden ist. Damit liegt der Vorentscheidung ein nicht mehr existie­render Bescheid zugrunde. Das angefochtene Urteil ist daher insoweit gegen­standslos geworden und aufzuheben (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 22.02.2018 ‑ VI R 17/16, BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496, Rz 17, m.w.N.). Da sich durch die Bescheidänderung hinsichtlich des streitigen Punkts keine Änderungen ergeben und die Kläger auch keinen weiter gehenden Antrag ge­stellt haben, bedarf es allein deshalb keiner Zurückverweisung der Sache an das FG gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an ei­nem Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Fest­stellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats in der Sache (BFH-Urteil vom 15.03.2007 ‑ VI R 29/05, BFH/NV 2007, 1076, unter II.1.).
  2. Die Vorentscheidung verletzt im Übrigen § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Zwar hat das FG im Ergebnis zutreffend eine Überprüfung der Einkünfteerzie­lungsabsicht für erforderlich gehalten (hierzu unter a), diese genügt jedoch nicht in vollem Umfang den hierfür durch die Rechtsprechung aufgestellten Maßstäben (hierzu unter b).
a) Die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger war hinsichtlich der drei streitge­genständlichen Objekte ‑‑wovon auch das FG ausgegangen ist‑‑ zu überprü­fen.

aa) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt, wer ein Grundstück, Gebäude oder Gebäudeteil gegen Ent­gelt zur Nutzung überlässt und beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzie­len (z.B. Senatsurteil vom 17.04.2018 ‑ IX R 9/17, BFHE 261, 400, BStBl II 2019, 219, Rz 13, m.w.N.). Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätz­lich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 06.10.2004 ‑ IX R 30/03, BFHE 208, 142, BStBl II 2005, 386, unter II.2.b aa; vom 16.09.2015 ‑ IX R 31/14, Rz 9 und vom 17.04.2018 ‑ IX R 9/17, BFHE 261, 400, BStBl II 2019, 219, Rz 14). Diese Aussage bezieht sich auf Wohnungen, die üblicherweise vermietet werden. Der Gebrauchswert solcher Wohnungen spiegelt sich in der ortsüblichen Marktmie­te wider (Senatsurteil vom 06.10.2004 ‑ IX R 30/03, BFHE 208, 142, BStBl II 2005, 386, unter II.2.b aa).

bb) Ist die Marktmiete aber keine angemessene Gegenleistung für den beson­deren Gebrauchswert der Wohnung, so fehlt die Grundlage für die typisierende Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht. Es liegt ein Ausnahmefall vor, der für eine private Veranlassung und indiziell gegen das Vorliegen einer Ein­künfteerzielungsabsicht spricht (Senatsurteil vom 06.10.2004 ‑ IX R 30/03, BFHE 208, 142, BStBl II 2005, 386, unter II.2.b aa; vgl. auch Schmidt/Kulosa, EStG, 42. Aufl., § 21 Rz 47; Schallmoser in Spiegelberger/Schallmoser/Wachter/Wälzholz, 4. Aufl. 2023, Rz 1.861). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist dies bei der Vermietung einer aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Wohnung der Fall (vgl. Senatsurteil vom 06.10.2004 ‑ IX R 30/03, BFHE 208, 142, BStBl II 2005, 386, unter II.2.c). Bei einem solchen Objekt spiegelt die Marktmiete den besonderen Wohnwert offensichtlich nicht angemessen wider (Senatsurteil vom 06.10.2004 ‑ IX R 30/03, BFHE 208, 142, BStBl II 2005, 386, unter II.2.b).

cc) Ob eine aufwendig gestaltete oder ausgestattete Wohnung gegeben ist, bemisst sich nach den Kriterien, die der Senat in der Vergangenheit zum An­satz der Kostenmiete bei eigengenutztem Wohnraum entwickelt hat (Senats­urteil vom 06.10.2004 ‑ IX R 30/03, BFHE 208, 142, BStBl II 2005, 386, unter II.2.b bb, m.w.N.). Danach ist eine aufwendig gestaltete oder ausgestattete Wohnung unter anderem anzunehmen, wenn das Objekt eine Wohnfläche von mehr als 250 qm aufweist (Senatsurteil vom 06.10.2004 ‑ IX R 30/03, BFHE 208, 142, BStBl II 2005, 386, unter II.2.b cc, m.w.N.).

dd) Die Bezugnahme auf diese Senatsrechtsprechung wegen der Annahme einer aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Wohnung bei einer Wohnflä­che von mehr als 250 qm ist entgegen dem klägerischen Vorbringen auch nicht widersprüchlich. Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG in der bis zum 31.12.1999 gültigen Fassung (EStG 1999) gehörte zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus oder der Nutzungswert einer dem Steuerpflichtigen ganz oder teilweise unentgeltlich überlassenen Wohnung einschließlich der zugehörigen sonstigen Räume und Gärten. Diese gesetzlich angeordnete Besteuerung des Nutzungs­werts durfte nicht durch die Anwendung der Grundsätze der sogenannten Lieb­haberei unterlaufen werden (Senatsurteil vom 22.10.1993 ‑ IX R 35/92, BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98, unter II.1.e). Diese Versagung der Anwendung der Grundsätze der sogenannten Liebhaberei bezieht sich nach der genannten Se­natsrechtsprechung jedoch nur auf die Besteuerung des Nutzungswerts nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG 1999, schränkt deren Anwendung im Übrigen jedoch nicht ein.

ee) Die Grenze von 250 qm findet ihre Rechtfertigung darin, dass im Regelfall Mietspiegel für Wohnungen dieser Größe aufgrund der geringen Fallzahlen nicht anwendbar oder aussagekräftig sind. Unerheblich ist dabei, dass solche Wohnungen ausnahmsweise vermietet werden (Senatsurteil vom 22.10.1993 ‑ IX R 35/92, BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98, unter II.1.c aa). Zudem handelt es sich bei der Ausnahme von der typisierten Annahme der Einkünfteerzie­lungsabsicht aufgrund eines aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Ob­jekts bei einer Wohnfläche von über 250 qm nicht um eine unwiderlegbare Vermutung, die allein dem Gesetzgeber vorbehalten wäre (BFH-Urteil vom 18.01.2001 ‑ IV R 58/99, BFHE 194, 377, BStBl II 2001, 393, unter 3.). Es liegt lediglich eine Ausnahme von der von der Rechtsprechung entwickelten typisierten Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht vor. Es bleibt den Steuer­pflichtigen in diesen Fällen unbenommen, die Einkünfteerzielungsabsicht nach­zuweisen.

ff) Verfassungsrechtliche Zweifel an dieser Rechtsprechung vor dem Hinter­grund des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) bestehen nicht. Bei Fragen der Einkünfteerzielungsabsicht nach der Art des vermieteten Objekts zu unterscheiden, stellt einen tauglichen Unterschei­dungsgrund dar.

gg) An den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur typisierten Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht bei einer auf Dauer angelegten Ver­mietungstätigkeit und den diesbezüglichen Ausnahmen, insbesondere bei der Vermietung eines aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Objekts, hält der Senat auch nach der Einfügung von § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG durch das StVereinfG 2011 zum 01.01.2012 fest. § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 (EStG 2012) fingiert bei einer auf Dauer angelegten Woh­nungsvermietung zu mindestens 66 % der ortsüblichen Miete deren Vollent­geltlichkeit. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur typisier­ten Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht unter Einbeziehung von deren Ausnahmen gelten hiervon unberührt fort (so wohl auch Pfirrmann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 21 EStG Rz 211 i.V.m. Rz 70a, 74; vgl. Drüen in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 21 Rz C8; Stein, Deutsche Steuerzeitung 2012, 19, 26; Eggers in Korn, § 21 EStG Rz 134; a.A. [wohl] Brandis/Heuermann/Schallmoser, § 21 EStG Rz 194 und 549; Egner in Fuhrmann/Kraeusel/Schiffers, eKomm Ab VZ 2021, § 21 EStG Rz 49 [Aktuali­sierung v. 25.04.2021]).

aaa) Der Wortlaut von § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG 2012 schließt die Durchfüh­rung einer Totalüberschussprognose zur Überprüfung der Einkünfteerzielungs­absicht auch bei einer Vermietung zu mehr als 66 % der ortsüblichen Miete nicht aus. Der Regelungsbereich betrifft ausweislich des eindeutigen Wortlauts nur den Umfang der objektiven Entgeltlichkeit der Vermietungstätigkeit. Be­trägt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung mindestens 66 % der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung nach § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG 2012 als entgeltlich. Die subjektive Einkünfteerzielungsabsicht ist hingegen ausweislich des Wortlauts nicht Regelungsgegenstand des § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG 2012.

bbb) Aus den Gesetzesmaterialien zur Einfügung von § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG 2012 durch das StVereinfG 2011 kommt nichts Gegenteiliges zum Ausdruck.

(1) Ziel der Änderung war nach der Gesetzesbegründung zum Regierungsent­wurf die Vereinfachung der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Ver­pachtung bei verbilligter Vermietung sowie die Vermeidung von Streitigkeiten hinsichtlich der bis zur Änderung bei einem Mietzins zwischen 56 % und 75 % der ortsüblichen Miete vorzunehmenden Totalüberschussprognose (BTDrucks 17/5125, S. 38). Durch die Einführung von § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG 2012 soll­te die bislang nach der Rechtsprechung (Senatsurteil vom 05.11.2002 ‑ IX R 48/01, BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646, unter II.1.b dd) und Verwal­tungsauffassung (Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 08.10.2004, BStBl I 2004, 933, Rz 13) in der letztgenannten Spanne vorzu­nehmende Totalüberschussprognoseprüfung entfallen (BTDrucks 17/5125, S. 38). Soweit es in der Gesetzesbegründung heißt, dass mit der Änderung in § 21 Abs. 2 EStG generell die bislang erforderliche Prüfung der zweiten Pro­zentgrenze entfalle (BTDrucks 17/5125, S. 38), bezieht sich dies auf die vor­genannte Obergrenze des Korridors von 56 % bis 75 %. Folgerichtig wird in der Gesetzesbegründung auch ausgeführt, dass damit insbesondere die im Korridor von 56 % bis 75 % vorzunehmende Totalüberschussprognose entfällt (BTDrucks 17/5125, S. 38).

(2) Im Übrigen kommt in den Gesetzesmaterialien nicht zum Ausdruck, dass durch die Änderungen des § 21 Abs. 2 EStG durch das StVereinfG 2011 über die verbilligte Vermietung hinaus eine Totalüberschussprognose auch in ande­ren Ausnahmekonstellationen von der typisierten Annahme der Einkünfteerzie­lungsabsicht entfallen sollte. Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber neben der Teilentgeltlichkeit auch in anderen Fällen, in denen nach der ständigen Recht­sprechung Ausnahmen von der typisierten Annahme der Einkünfteerzielungs­absicht bestehen (vgl. Senatsurteil vom 17.04.2018 ‑ IX R 9/17, BFHE 261, 400, BStBl II 2019, 219, Rz 20, m.w.N.), eine Totalüberschussprognose ent­fallen lassen wollte, bestehen nicht. Die Begründung zum Gesetzentwurf des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 nimmt lediglich auf die Rechtsprechung und Verwaltungsauf­fassung zur verbilligten Wohnraumüberlassung, nicht jedoch auf die Recht­sprechung zur typisierten Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht bei einer auf Dauer angelegten Vermietung sowie deren Ausnahmen im Übrigen Bezug.

ccc) Auch der Sinn und Zweck der Fiktion der Vollentgeltlichkeit steht einer Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht in den von der Rechtsprechung entwickelten Fällen nicht entgegen. § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG 2012 dient der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens bei teilentgeltlichen Vermietungen, indem insbesondere die bis dahin im Korridor von 56 % bis 75 % vorzuneh­mende Totalüberschussprognose entfällt (vgl. BTDrucks 17/5125, S. 38). Dass darüber hinaus das Besteuerungsverfahren durch das Entfallen der Totalüber­schussprognose in den von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen von der typisierten Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht vereinfacht werden sollte, ist vom Zweck der Vorschrift nicht umfasst.

hh) Daran gemessen hat das FG hier zu Recht die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger geprüft. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen, die den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO binden, betrug die vermietete Wohnfläche der drei streitgegenständlichen Objekte jeweils deutlich mehr als 250 qm.

ii) Die Rechtfertigung, die von den Klägern durchgeführte Vermietung der drei Objekte einer Überschussprognose zu unterwerfen, zeigt sich im Urteilsfall auch darin, dass nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG der Mietspiegel 2019/2020 der Stadt … unter anderem für Wohnungen mit mehr als 160 qm aufgrund der geringen Fallzahlen nicht an­wendbar ist. Wenn die Anzahl der Vermietungsobjekte mit mehr als 160 qm bereits so gering ist, dass keine statistische Erfassung im Mietspiegel erfolgt, ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Vermietungsobjekte mit mehr als 250 qm noch geringer ist und sich die Vermietung entsprechender Objekte damit als Ausnahme darstellt.

jj) Die Annahme eines aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Objekts bei mehr als 250 qm Wohnfläche kann entgegen dem klägerischen Vorbringen nicht durch eine "Hochrechnung" der Mieteinnahmen zum Nachweis eines marktgerechten Verhaltens entkräftet werden. Wird eine Immobilie verbilligt vermietet, mag dies zwar nach § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG als vollentgeltlich zu behandeln sein, ist aber dennoch kein Zeugnis für eine marktgerechte Ausrich­tung. Eine marktgerechte Ausrichtung kann als tatsächliches Geschehen nur anhand tatsächlicher Umstände bestimmt werden. Entgegen der Annahme der Kläger ist die Vorentscheidung im Übrigen auch nicht widersprüchlich, als die Miete jeweils über 75 % der ortsüblichen Miete liege, während sie in der Folge ausführen, dass für aufwendig gestaltete oder ausgestattete Wohngebäude keine Marktmiete feststellbar sei. Denn Letzteres stellt nach den Ausführungen der Vorentscheidung nur den Regelfall dar, was impliziert, dass auch Ausnah­men möglich sind.

b) Allerdings genügt die vom FG durchgeführte Überprüfung der Einkünfteer­zielungsabsicht anhand einer Totalüberschussprognose nicht in vollem Umfang den Anforderungen, die hieran nach der Rechtsprechung des Senats zu stellen sind (vgl. Senatsurteil vom 06.11.2001 ‑ IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II.1.e ff). Die nicht spruchreife Sache ist daher aufzuheben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuwei­sen.

aa) In zutreffender Weise hat das FG keine "Hochrechnung" der Einkünfte we­gen einer verbilligten Vermietung vorgenommen. Wie bereits dargelegt, kann auch die Einkünfteerzielungsabsicht als subjektives tatsächliches Element nur auf tatsächlichen Umständen beruhen. Ein Steuerpflichtiger wird sich hinsicht­lich der Einkünfteerzielungsabsicht nur fragen, ob ein Totalüberschuss tatsäch­lich und nicht rein fiktiv erzielt werden kann.

bb) Das FG ist zutreffend von einem Prognosezeitraum von 30 Jahren jeweils ab dem Erwerb der streitgegenständlichen Objekte ausgegangen. Der Progno­sezeitraum beginnt grundsätzlich mit dem Erwerb oder der Herstellung des für die Prognoseentscheidung maßgeblichen Objekts (Senatsurteile vom 06.11.2001 ‑ IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II.1.e cc sowie vom 19.02.2019 ‑ IX R 16/18, Rz 18). Daran gemessen hat es diesen jedoch nicht zutreffend ermittelt. Für das Objekt I nimmt die Vorentscheidung einen im Jahr 2036 endenden Prognosezeitraum an. Hieraus ist zu folgern, dass die Vorentscheidung, was diese nicht explizit zum Ausdruck bringt, von einem Beginn des Prognosezeitraums im Jahr 2007 ausgeht. Nach den für die Revision bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wurde das Ob­jekt I jedoch bereits aufgrund des Kaufvertrags vom 13.12.2005 erworben und ab dem 01.07.2006 vermietet.

cc) Zwar ist es trotz des Grundsatzes, dass die Totalüberschussprognose zum Schluss des jeweils streitigen Veranlagungszeitraums aufzustellen ist, nicht generell zu beanstanden, wenn die Überprüfung der Einkünfteerzielungsab­sicht ‑‑wie vom FG vorgenommen‑‑ für mehrere Veranlagungszeiträume nur anhand einer Totalüberschussprognose für alle Zeiträume überprüft wird. Dies gilt jedoch nur, wenn innerhalb der streitigen Veranlagungszeiträume keine Änderung der für die Totalüberschussprognose relevanten Umstände eingetre­ten ist (vgl. Senatsurteile vom 08.01.2019 ‑ IX R 37/17, Rz 23 und vom 19.02.2019 ‑ IX R 16/18, Rz 18).

aaa) Die Totalüberschussprognose ist aus der Sicht ex ante und auf den Schluss des jeweils streitigen Veranlagungszeitraums aufzustellen (Senatsur­teil vom 19.02.2019 ‑ IX R 16/18, Rz 17). Nachträgliche tatsächliche Verände­rungen wirken auf sie nicht zurück (Senatsurteil vom 12.07.2016 ‑ IX R 21/15, Rz 34). Zukünftig eintretende Faktoren sind in die Beurteilung nur einzubezie­hen, wenn sie bei objektiver Betrachtung vorhersehbar waren (BFH-Urteil vom 15.12.1999 ‑ X R 23/95, BFHE 190, 460, BStBl II 2000, 267, unter II.4.a cc).

bbb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze fehlt es der Vorentscheidung an Feststellungen, inwieweit die Mieterhöhungen in den Streitjahren bereits objektiv vorhersehbar waren. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Berücksich­tigung der Zinsanpassungen zum 01.12.2017 beziehungsweise 01.12.2019 für den Abzug der Schuldzinsen. Auch fehlt es an erforderlichen Feststellungen zur berücksichtigten Gebäudeabschreibung. Soweit das FG die in den Veranla­gungszeiträumen steuerlich berücksichtigten Abschreibungen auch für die To­talüberschussprognose anzuwenden scheint, fehlt es an Ausführungen, wieso die Erhöhung der Abschreibung des Objekts II im Veranlagungszeitraum 2014 unterblieben ist.

  1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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    Schneider, Siebert & Kulle, Partnerschaftsgesellschaft, 60486 Frankfurt

  • „Ich möchte nicht versäumen, Sie für die ‘SteuerMail’ zu loben. Die Aktualität und die Auswahl der Themen ist wirklich sehr gut.“

    Frank Zoller, Rechtsanwalt und Steuerberater, 75179 Pforzheim

  • „Sie haben offensichtlich die Bedürfnisse des steuerberatenden Berufs bei seiner Arbeit richtig eingeschätzt. Die Zuordnung der verschiedenen Dokumente zur jeweiligen Rechts-Vorschrift ist schlichtweg genial. Auch der Hinweis auf weitere Kommentare und Aufsätze ist außerordentlich wertvoll.“

    Willi Besenhart, Steuerberater, 81739 München

  • "Es macht wirklich Spaß mit Ihrer Datenbank zu arbeiten."

    Robert Kochs, Steuerberater, 52074 Aachen

  • "Ich bin sehr zufrieden. Die Datenbank ist äußerst hilfreich, Preis-Leistungsverhältnis stimmt."

    Erika Dersch, Steuerberaterin, 82431 Kochel am See

  • "Bin von Anfang an begeisterter Anwender und möchte SIS nicht mehr missen."

    Harald Dörr, Steuerberater, 63571 Gelnhausen

  • "Die SIS-Datenbank ist hervorragend; m.E. besser als die von den Finanzbehörden in BW verwendete Steuerrechtsdatenbank."

    Wolfgang Friedinger, 89077 Ulm

  • "Sehr gut ist die SteuerMail mit den Anlagen und die Internetseite mit den aktuellen Themen!"

    Karin Pede, IHR-ZIEL.DE GmbH, 91320 Ebermannstadt

  • "Mit Ihrer SIS-Datenbank bin ich seit Jahren sehr glücklich, hat mir schon sehr viel geholfen und der Preis ist nach wie vor sehr zivil für diese feine Geschichte."

    G. Grisebach, Steuerberaterin

  • "Auf vieles kann man verzichten - auf SIS niemals! Herzlichen Glückwunsch zur aktuellen SIS-Datenbank, vielen Dank für Ihren äußerst aktuellen Informations-Service"

    Friedrich Heidenberger, Steuerberater, 90530 Wendelstein

  • "Ihre Datenbank ist konkurrenzlos benutzerfreundlich."

    Godehard Wedemeyer, 47807 Krefeld

  • "Ich bin sehr zufrieden - rundum ein Lob von meiner Seite. Ich nutze die SIS-Datenbank schon seit vielen Jahren und finde sie sehr, sehr gut."

    Reinhard Geiges, Finanzbeamter, 70173 Stuttgart

  • "Herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Das funktioniert, wie alles bei Ihnen, wunderbar. An dieser Stelle mal ein großes Lob an das gesamte Team. Ich bin wirklich froh, dass es Sie gibt."

    Uwe Lewin, Geschäftsführer Exacta Steuerberatungs GmbH, 07546 Gera

  • Konditionen
  • Online-Datenbank schon ab 32,00 € inkl. USt

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