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BFH zur Anwendbarkeit des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei nationalem Recht

  1. Es verstößt gegen Unionsrecht, wenn die Verletzung nationaler formeller Anforderungen dadurch sanktioniert wird, dass eine obligatorische oder eine fakultative Steuerbegünstigung nach der Energiesteuerrichtlinie verweigert wird.
  2. Bei einer nicht auf Unionsrecht beruhenden nationalen Energiesteuerbe­günstigung steht dagegen das Unionsrecht einer Verweigerung der Steuerbe­günstigung aufgrund der Verletzung formeller Anforderungen nicht entgegen.
  3. Einem tatsächlichen Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein oder Rechtsbin­dungswillen werden die Wirkungen einer Willenserklärung nur zum Schutz des redlichen Rechtsverkehrs beigelegt. Es kommt daher keine Auslegung in Be­tracht, wenn der Handelnde keinen Erklärungswillen hat und der Empfänger dies auch erkennt.

EnergieStG § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d, § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 54 Abs. 1
BGB § 133, § 157
FGO § 118 Abs. 2

BFH-Urteil vom 29.8.2023, VII R 1/23 (VII R 44/19) (veröffentlicht am 11.1.2024)

Vorinstanz: FG Hamburg vom 1.2.2019, 4 K 58/15 = SIS 19 04 59

I. Streitig ist, ob der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) Energiesteu­erentlastungen für die Monate August bis November 2010 zustehen.

Die Klägerin reichte über Jahre hinweg regelmäßig monatliche Steueranmel­dungen nach dem Energiesteuergesetz in der für die streitgegenständlichen Zeiträume geltenden Fassung (EnergieStG) beim Beklagten und Revisionsklä­ger (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) ein und beantragte gleichzeitig monatliche Steu­erentlastungen nach §§ 51, 53 und 54 EnergieStG. Die Schreiben versandte die Klägerin mit einfachem Brief. Das HZA erteilte über die Entlastungsanträge keine schriftlichen Steuerbescheide, sondern überwies die Entlastungen direkt auf das stets gleiche Bankkonto der Klägerin.

Ein Eingang der Entlastungsanträge für die Monate August bis November 2010 konnte beim HZA nicht festgestellt werden; infolgedessen erstattete dieses der Klägerin die betreffenden Entlastungsbeträge nicht.

Im Rahmen einer Außenprüfung übergab die Klägerin circa Mitte des Jahres 2011 den Außenprüfern einen Ordner "Steueranmeldung 2010 für Zollprü­fung", in welchem die vollständigen Steueranmeldungen und Steuerentlas­tungsanträge des Kalenderjahres 2010 monatlich geordnet und durch Trenn­blätter sortiert in Kopie abgeheftet waren. Nachdem der Außenprüfer die Klä­gerin am 27.04.2012 darüber informiert hatte, dass deren Entlastungsanträge für die streitgegenständlichen Monate nicht im Original beim HZA eingegangen seien, stellte diese mit Schreiben vom 07.05.2012 neue Entlastungsanträge und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 der Abgabenordnung (AO). Die Anträge nach § 51 EnergieStG beliefen sich auf insgesamt … €, nach § 53 EnergieStG insgesamt auf … € sowie nach § 54 EnergieStG auf insgesamt … €.

Das HZA lehnte diese Entlastungsanträge und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hatte die Klage Erfolg. Das Finanzge­richt (FG) sah die Übergabe des Ordners "Steueranmeldung 2010 für Zollprü­fung" mit den darin enthaltenden Kopien der Entlastungsanträge als form- und fristgerechte Antragstellung an.

Auf die Beschwerde des HZA hat der Senat die Revision zugelassen.

Das HZA vertritt die Auffassung, die Übergabe des Ordners stelle keinen Ent­lastungsantrag dar. Ob in der ‑‑unstreitig erfolgten‑‑ Übergabe des Ordners eine Willenserklärung zu sehen sei, sei eine Rechts- und keine Tatsachenfrage. In der Übergabe des Ordners liege lediglich eine Mitwirkungshandlung im Rahmen der Außenprüfung, es fehle jedoch der Antragswille. Dass ein solcher nicht bestanden habe, räume auch die Klägerin ein. Spätere Erkenntnisse sei­en nicht zu berücksichtigen. Maßgeblich sei, ob der Empfänger ‑‑das HZA‑‑ nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Willenser­klärung habe annehmen dürfen.

Wenn man einen solchen Erklärungswillen jedoch annehme, dann sei der An­trag nicht formgerecht gestellt worden, weil lediglich Kopien eingereicht wor­den seien. Die Rechtsprechung zur Anerkennung von Telefaxen sei auf den Streitfall nicht übertragbar. Mangels form- und fristgerechter Anträge seien die Steuerentlastungen zu versagen. Dies widerspreche auch nicht dem Uni­onsrecht, weil das Entlastungsverfahren gemäß Art. 9 der ‑‑für die Streitzeit­räume noch anwendbaren‑‑ Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2009, Nr. L 9, 12) nationalrechtlich ausgestaltet sei. Die streitige Steuerentlastung nach § 51 EnergieStG beruhe nicht auf Art. 14 der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmen­vorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom ‑‑Energiesteuerrichtlinie‑‑ (ABlEU 2003, Nr. L 283, 51) i.d.F. der Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom 29.04.2004 zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die Möglichkeit der Anwendung vorübergehender Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom durch Zypern (ABlEU 2004, Nr. L 157, 100) ‑‑EnergieStRL‑‑, sondern auf Art. 2 Abs. 4 EnergieStRL (Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 51 Rz 8; Möhlenkamp/Milewski, Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2. Aufl., § 51 Rz 1). Darüber hinaus hätten die Mitgliedstaaten nach Art. 14 EnergieStRL die Möglichkeit, die "Voraussetzungen ... zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung solcher Befreiungen und zur Verhinde­rung von Steuerhinterziehung und ‑vermeidung oder Missbrauch" festzulegen. Davon sei das Antragsverfahren gedeckt.

Das HZA beantragt,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das FG habe festgestellt, dass die Übergabe der Kopien als Willenserklärung der Klägerin zu werten sei. Es liege weder ein Verstoß gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze vor, sodass diese Feststellung für den Bundesfi­nanzhof (BFH) bindend sei (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Der BFH habe bereits mehrfach ausgeführt, dass Willenserklärungen grund­sätzlich Gegenstand der tatsächlichen Feststellungen seien.

Im Übrigen käme es auf einen Erklärungswillen beziehungsweise auf ein Erklä­rungsbewusstsein der Klägerin nicht an. Nach der Rechtsprechung des Bun­desgerichtshofs (BGH) führe das Fehlen eines solchen Bewusstseins nicht zur Unwirksamkeit der Erklärung, sondern lediglich zu deren Anfechtbarkeit. Für einen objektiven Empfänger sei analog §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetz­buches (BGB) erkennbar gewesen, dass die Klägerin konkludent die Erklärung habe abgeben wollen, in dem aus ihren Unterlagen ersichtlichen Umfang die Steuerentlastungen zu beanspruchen.

Dass es sich um Kopien gehandelt habe, sei unschädlich, weil erkennbar kein unautorisierter Entwurf vorgelegen habe.

Auch ohne einen rechtzeitigen Antrag seien die materiell-rechtlich unstreitig zustehenden Steuerentlastungen wegen des unionsrechtlichen Verhältnismä­ßigkeitsgrundsatzes zu gewähren. Hierzu verweist die Klägerin auf die Recht­sprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH).

Letztlich ergäbe sich auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass die begehrten Steuerentlastungen nicht wegen eines angeblichen Formfehlers ver­sagt werden dürften. Das HZA habe seine Fürsorge- und Betreuungspflicht ge­genüber der Klägerin verletzt, indem es sich nicht bei dieser erkundigt habe, ob für die streitgegenständlichen Monate keine Entlastungsanträge gestellt werden sollten. Das gelte umso mehr, als das HZA keine Steuervergütungsbe­scheide zu erlassen pflegte. Dass der Außenprüfer den übergebenen Ordner erst im April 2012 überprüft habe, dürfe nicht zu Lasten der Klägerin gehen.

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 08.06.2021 ‑ VII R 44/19 (BFHE 272, 568) ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet, das dieser wie folgt beantwortet hat:

"Der Effektivitätsgrundsatz und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als all­gemeiner Grundsatz des Unionsrechts sind wie folgt auszulegen:
Im Rahmen der Umsetzung einer Bestimmung wie Art. 5 vierter Gedanken­strich der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restruk­turierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, wonach die Mitgliedstaaten un­ter bestimmten Voraussetzungen gestaffelte Steuersätze anwenden können, bei denen zwischen betrieblicher und nicht betrieblicher Verwendung der von dieser Richtlinie erfassten Energieerzeugnisse bzw. von elektrischem Strom unterschieden wird, stehen diese Grundsätze einer nationalen Regelung ent­gegen, nach der die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf Steuerentlastung, der innerhalb der im nationalen Recht vorgesehenen Frist für die Festsetzung der betreffenden Steuer gestellt wurde, automatisch und ausnahmslos ablehnen müssen, allein weil der Antragsteller die im natio­nalen Recht für eine solche Antragstellung festgelegte Frist nicht eingehalten hat."

Anknüpfend hieran trägt das HZA weiter vor, dass die bestehenden Antrags­fristen im Streitfall mit den unionsrechtlichen Grundsätzen vereinbar seien. Im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Neutralität sei zu beachten, dass eine aus verschiedenen Gründen im Einzelfall mögliche An- oder Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist keinen Einfluss auf die Gewährung der Steuerentlastung haben dürfe. Im Streitfall wäre die Klägerin allein deshalb begünstigt, weil durch die Anordnung der Außenprüfung der Ablauf der Festsetzungsfrist ge­hemmt sei. Darin liege ein Verstoß gegen die Grundsätze der Neutralität und der Rechtssicherheit.

II. Die Revision des HZA ist teilweise begründet. Soweit der Entlastungsanspruch nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG betroffen ist, führt sie zur Aufhe­bung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Im Übrigen wird die Revision nach § 126 Abs. 4 FGO zurückgewiesen.

Denn das FG hat zwar zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin fristgerech­te Anträge auf Steuerentlastung nach §§ 51, 53 und 54 EnergieStG gestellt hat. Aber es hat im Ergebnis zu Recht der Klage bezüglich der Entlastungsan­träge nach §§ 53 und 54 EnergieStG stattgegeben, weil die unionsrechtlichen Grundsätze der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit einer Versagung der Steuerentlastung entgegenstehen, die allein auf einen verspäteten Antrag ge­stützt wird.

1. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin in den streitgegen­ständlichen Zeiträumen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Energiesteu­erentlastung ‑‑soweit nicht die Antragstellung betroffen ist‑‑ erfüllt hat.

2. Die Klägerin hat keine fristgerechten Anträge auf Energiesteuerentlastung nach §§ 51, 53 und 54 EnergieStG gestellt.

a) Gemäß § 95 Abs. 1 der Energiesteuer-Durchführungsverordnung in der für die streitgegenständlichen Zeiträume geltenden Fassung (EnergieStV) ist die Steuerentlastung nach § 51 EnergieStG bei dem für den Antragsteller zustän­digen Hauptzollamt mit einer Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck für alle Energieerzeugnisse zu beantragen, die innerhalb eines Ent­lastungsabschnitts verwendet worden sind. Der Antragsteller hat in der Anmel­dung alle für die Bemessung der Steuerentlastung erforderlichen Angaben zu machen und die Steuerentlastung selbst zu berechnen. Die Steuerentlastung wird nur gewährt, wenn der Antrag spätestens bis zum 31.12. des Jahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem der Steuerentlastungsanspruch entstanden ist, beim Hauptzollamt gestellt wird.

Inhaltlich identische Tatbestandsvoraussetzungen enthalten § 98 Abs. 1 EnergieStV für die Steuerentlastung nach § 53 EnergieStG und § 100 Abs. 1 EnergieStV für die Steuerentlastung nach § 54 EnergieStG.

b) Nach den bindenden Feststellungen des FG sind bis zum 31.12.2011 Ur­schriften der Anträge nicht nachweislich beim HZA eingegangen. Auch in der Übergabe des Ordners "Steueranmeldung 2010 für Zollprüfung" an das HZA durch die Klägerin im Sommer 2011 im Rahmen der Außenprüfung liegt keine Antragstellung.

aa) Anträge auf Energiesteuerentlastung nach §§ 51, 53 und 54 EnergieStG i.V.m. §§ 95, 98 und 100 EnergieStV sind empfangsbedürftige Willenserklä­rungen nach § 130 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB, die entsprechend §§ 133, 157 BGB auszulegen sind. Maßgeblich ist, wie die Erklärung vom Empfänger nach ihrem objektiven Erklärungswert verstanden werden musste (vgl. BFH-Urteil vom 24.05.2012 ‑ III R 95/08, Rz 42). Hierbei kann gegebenenfalls auch auf Umstände zurückgegriffen werden, die außerhalb der auszulegenden Erklä­rung liegen und einen Rückschluss auf den vom Antragsteller erklärten Willen erlauben. Es können jedoch nur solche Umstände berücksichtigt werden, die für den Empfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung erkennbar waren (BFH-Urteil vom 03.02.2000 ‑ III R 4/97, BFH/NV 2000, 888). Die Erklärung muss auslegungsbedürftig sein, woran es fehlt, wenn sie nach dem Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat (BFH-Urteil vom 24.05.2012 ‑ III R 95/08, Rz 43). § 133 BGB gibt eine Auslegung vor, die den mit der Erklä­rung angestrebten Erfolg herbeiführt und die Erklärung nicht sinnlos macht. Dies gilt insbesondere für die Ermittlung des Inhalts von Erklärungen Privater gegenüber Behörden. Diese dürfen bei der Auslegung die erkennbare Interes­senlage des Erklärenden nicht außer Acht lassen (Urteil des Bundesverwal­tungsgerichts vom 30.10.2013 ‑ 2 C 23.12, BVerwGE 148, 217, Rz 16, m.w.N.).

bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das FG festgestellt, dass die Übergabe des maßgeblichen Ordners im Rahmen der Außenprüfung eine er­neute Antragstellung für den Fall des Nichteingangs der Originalanträge war. An diese Feststellungen ist der Senat jedoch nicht nach § 118 Abs. 2 FGO ge­bunden.

(1) Zwar gehört die Auslegung von Verträgen und Willenserklärungen zum Be­reich der tatsächlichen Feststellungen und bindet den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB entspricht und nicht ge­gen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, das heißt jedenfalls möglich ist. Das Revisionsgericht prüft somit lediglich, ob das FG die gesetzlichen Aus­legungsregeln sowie die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die für die Vertragsauslegung bedeutsamen Begleitumstände erforscht und recht­lich zutreffend gewürdigt hat (vgl. BFH-Urteile vom 06.06.2013 ‑ IV R 28/10; vom 17.05 .2017 ‑ II R 35/15, BFHE 258, 95, BStBl II 2017, 966, Rz 26 und vom 29.11.2017 ‑ I R 7/16, BFHE 260, 334, BStBl II 2019, 738, Rz 30).

(2) Im Streitfall hat das FG aber gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln ver­stoßen. Bei der Übergabe des Ordners handelt es sich nicht um eine Willens­erklärung, sondern lediglich um eine Mitwirkungshandlung der Klägerin im Rahmen der Außenprüfung nach § 200 Abs. 1 AO.

Die Klägerin ging bei Übergabe des fraglichen Ordners davon aus, dass die Originalanträge bereits beim HZA eingegangen waren, und wollte zu diesem Zeitpunkt keinen Antrag stellen. Sie hatte folglich keinen Erklärungswillen; dies hat das HZA auch so erkannt.

Soweit das FG ausführt, ein Entlastungsantrag sei als empfangsbedürftige Ver­fahrenserklärung gegenüber der zuständigen Zollbehörde erforderlichenfalls entsprechend §§ 133, 157 BGB auszulegen, und hierfür sei entscheidend, wie das Zollamt als Erklärungsempfänger den Antrag nach seinem objektiven Er­klärungswert habe verstehen müssen, übersieht es, dass keine Auslegung in Betracht kommt, wenn der Handelnde keinen Erklärungswillen hat und der Empfänger ‑‑also hier der Außenprüfer‑‑ dies auch erkennt. Einem tatsächli­chen Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein oder Rechtsbindungswillen kön­nen die Wirkungen einer Willenserklärung nämlich nur dann beigelegt werden, wenn ‑‑zum Schutz des redlichen Rechtsverkehrs‑‑ ein Zurechnungsgrund vorhanden ist. Ein solcher ist nur gegeben, wenn der sich in missverständli­cher Weise Verhaltende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass die in seinem Verhalten liegende Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (vgl. BGH-Urteil vom 09.11.2011 ‑ IV ZR 251/08, Rz 42). Da­nach kommt eine Auslegung nach dem objektiven Erklärungswert nur in Be­tracht, wenn die beteiligten Parteien sich nicht inhaltlich verstanden haben (vgl. demgegenüber die Grundsätze der "falsa demonstratio non nocet" bei einer Falschbezeichnung des übereinstimmend Gewollten; BGH-Urteil vom 29.01.2015 ‑ IX ZR 279/13, BGHZ 204, 83, Rz 21). Nach diesen Grundsätzen ist die Übergabe des Ordners nicht auslegungsfähig. Denn die Klägerin hatte in diesem Moment kein Erklärungsbewusstsein ‑‑ihr waren die fehlenden Anträge zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt und sie wollte durch die Übergabe des Ordners mit den darin enthaltenen Antragskopien offensichtlich ihrer Mitwir­kungspflicht im Rahmen der Außenprüfung nachkommen‑‑ und auch der Au­ßenprüfer hat in der Übergabe keine Antragstellung, sondern eine bloße Mit­wirkungshandlung gesehen.

3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin ein Verschulden an der Fristversäumung trifft.

Nach § 110 Abs. 1 AO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Steuerpflichtige ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzli­chen Frist gehindert war.

a) Zwar kommt nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Wiedereinset­zung in eine abgelaufene Festsetzungsfrist nicht in Betracht, weil der Entlas­tungsanspruch gemäß § 47 AO erloschen ist (vgl. Senatsurteil vom 12.05.2009 ‑ VII R 5/08, BFH/NV 2009, 1602, m.w.N.). Im Streitfall war die Festsetzungsfrist wegen der laufenden Außenprüfung bei Eingang der neuen Entlastungsanträge vom 07.05.2012 aber noch nicht abgelaufen.

Gemäß § 155 Abs. 4 AO (seit dem 01.01.2017: § 155 Abs. 5 AO) sind die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften auf die Festsetzung von Steuer­vergütungen sinngemäß anzuwenden. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese beträgt für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Im Streitfall begann die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres, für das die Klägerin die Steuervergütungen begehrt und in dem die Vergütungsansprüche durch Verwendung der Energieerzeug­nisse entstanden sind. Die abweichende Regelung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 170 Satz 2 AO ist nicht anzuwenden, weil es in das Belieben des Entlastungsberechtigten gestellt ist, ob er die Steuerbegünstigung in Anspruch nehmen will und er somit nicht zur Abgabe einer Steueranmeldung verpflichtet ist (vgl. Senatsurteil vom 26.09.2017 ‑ VII R 26/16, BFHE 260, 280, m.w.N.).

Folglich begann im Streitfall die Festsetzungsfrist für das Kalenderjahr 2010 mit Ablauf des 31.12.2010 und hätte mit Ablauf des 31.12.2011 geendet. Sie war allerdings nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt, weil vor Ablauf der Festset­zungsfrist mit der Außenprüfung begonnen worden war und die aufgrund die­ser Außenprüfung ergangenen Bescheide noch nicht unanfechtbar geworden beziehungsweise nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate nicht verstrichen waren.

b) Der Senat lässt dahinstehen, ob die Fristen in § 95 Abs. 1, § 98 Abs. 1 und § 100 Abs. 1 EnergieStV wiedereinsetzungsfähig sind.

c) Denn die Klägerin hat die Frist jedenfalls nicht unverschuldet versäumt.

aa) Nach der Rechtsprechung des BFH handelt schuldhaft im Sinne des § 110 AO, wer die für einen gewissenhaft und sachgemäß handelnden Verfahrensbe­teiligten gebotene und ihm nach den Umständen zumutbare Sorgfalt nicht be­achtet (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 29.08.2017 ‑ VIII R 33/15, BFHE 259, 213, BStBl II 2018, 69, Rz 31, m.w.N.). Einfache Fahrlässigkeit reicht aus.

Der Steuerpflichtige muss sich vergewissern, dass er alles Erforderliche getan hat, um seinen Antrag rechtzeitig zu stellen (für den Einspruch vgl. BFH-Be­schluss vom 24.09.1985 ‑ III B 3/85, BFH/NV 1986, 190; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl., § 110 Rz 4).

bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze hätte die Klägerin substantiiert vor­tragen müssen, dass sie die Versäumung der Antragsfrist nicht verschuldet hat. Zwar trifft die Klägerin keine in Rechtsvorschriften normierte Überwa­chungspflicht hinsichtlich der Zahlungseingänge; dies entbindet sie jedoch nicht von der Sorgfalt in ihren eigenen Angelegenheiten. Mit einer innerbe­trieblichen Kontrolle der Zahlungseingänge hätte ihr auffallen können, dass die streitgegenständlichen Entlastungsanträge durch das HZA nicht bearbeitet worden waren. Ein funktionierendes System zur Überprüfung der Zahlungsein­gänge hatte die Klägerin nach Aktenlage jedoch erst später. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass sie eine Kontrolle zuvor als nicht erforderlich ansah. Weder hat jedenfalls die Klägerin Umstände vorgetragen, die sie insoweit ent­lasten könnten, noch hat das FG ‑‑trotz umfangreicher Ermittlungen und Be­weisaufnahmen‑‑ Feststellungen getroffen, dass die Klägerin kein Verschulden an der Fristversäumung trifft. Auch aus dem finanzgerichtlichen Protokoll der mündlichen Verhandlung ergeben sich keine entsprechenden Anhaltspunkte.

4. Die Versäumung der oben genannten Antragsfristen steht den begehrten Entlastungsansprüchen nach §§ 53 und 54 EnergieStG, mit deren Normierung der Gesetzgeber die Vorgaben der Energiesteuerrichtlinie umgesetzt hat, je­doch wegen des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht ent­gegen. Der Entlastungsanspruch nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG beruht indessen nicht auf Unionsrecht, weswegen auch kein Verstoß gegen den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorliegen kann.

a) Bei der Ausübung ihrer Befugnisse müssen die Mitgliedstaaten die allgemei­nen Rechtsgrundsätze beachten, die Bestandteil der Rechtsordnung der Union sind und zu denen insbesondere die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit gehören (EuGH-Urteile Mecsek-Gabona vom 06.09.2012 ‑ C‑273/11, EU:C:2012:547, Rz 36 und ROZ-ŚWIT vom 02.06.2016 ‑ C‑418/14, EU:C:2016:400, Rz 20). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten erlassen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist (vgl. EuGH-Urteile Gabalfrisa u.a. vom 21.03.2000 ‑ C‑110/98 bis C‑147/98, EU:C:2000:145, Rz 54 und Collée vom 27.09.2007 ‑ C‑146/05, EU:C:2007:549, BStBl II 2009, 78, Rz 26; EuGH-Beschluss Transport Service vom 03.03.2004 ‑ C‑395/02, EU:C:2004:118, Rz 29).

Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile Petrotel-Lukoil vom 07.11.2019 ‑ C‑68/18, EU:C:2019:933 und Turbogás vom 27.06.2018 ‑ C‑90/17, EU:C:2018:498) verstößt es gegen Unionsrecht, wenn die Verletzung nationaler formeller Anforderungen dadurch sanktioniert wird, dass eine obli­gatorische Steuerbegünstigung nach der Energiesteuerrichtlinie verweigert wird. Denn die nationalen Regelungen dürfen nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um eine korrekte und einfache Anwendung solcher Befreiun­gen sicherzustellen und Steuerhinterziehung und ‑vermeidung oder Miss­brauch zu verhindern (EuGH-Urteil Polihim‑SS vom 02.06.2016 ‑ C‑355/14, EU:C:2016:403, Rz 62).

Wie der EuGH mit seinem Urteil Shell Deutschland Oil vom 22.12.2022 ‑ C‑553/21, EU:C:2022:1030 entschieden hat, gelten die dargestellten Grund­sätze auch für fakultative Steuerbegünstigungen. Der Wirtschaftsteilnehmer, der aufgrund einer Bestimmung des nationalen Rechts, die von einer solchen Möglichkeit Gebrauch macht, einem ermäßigten Satz der betreffenden Steuer unterliegt, dürfe in einer Situation, die mit derjenigen der Wirtschaftsteilneh­mer vergleichbar ist, die nach einer zwingenden Bestimmung der Energiesteu­errichtlinie dem normalen Satz dieser Steuer unterliegen, gemäß dem Grund­satz der Gleichbehandlung nicht anders behandelt werden als letztere Wirt­schaftsteilnehmer, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerecht­fertigt ist (EuGH-Urteil Shell Deutschland Oil vom 22.12.2022 ‑ C‑553/21, EU:C:2022:1030, Rz 24). Der EuGH hat in seiner Entscheidung zudem den Unterschied zwischen der Antragsfrist und der Festsetzungsfrist betont. Unter Anerkennung der Festsetzungsfrist führt er aus, dass nicht ersichtlich sei, dass die Zulassung eines Antrags auf Steuerbefreiung oder ‑ermäßigung, der nach Ablauf der Frist für die Stellung eines solchen Antrags, aber innerhalb der Frist für die Festsetzung der fraglichen Steuer gestellt wurde, mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar wäre, und unter Berücksichtigung der Sys­tematik und des Zwecks der Energiesteuerrichtlinie, die auf dem Grundsatz beruhe, dass Energieerzeugnisse nach ihrer tatsächlichen Verwendung besteu­ert werden, stehe der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer Versagung des Entlastungsanspruchs entgegen, wenn an der tatsächlichen Verwendung der Energieerzeugnisse kein Zweifel bestehe (EuGH-Urteil Shell Deutschland Oil vom 22.12.2022 ‑ C‑553/21, EU:C:2022:1030, Rz 34).

b) Nach den vom EuGH entwickelten Grundsätzen hat die Klägerin im Streitfall ‑‑trotz Versäumung der Antragsfristen‑‑ einen Anspruch auf die durch § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG und § 54 Abs. 1 EnergieStG gewährten Steu­erentlastungen. Auf die Unterscheidung zwischen obligatorischen und fakulta­tiven Steuerbegünstigungen kommt es insoweit nicht an.

Der Einwand des HZA, dies verstieße gegen den Neutralitätsgrundsatz, ver­fängt nicht. Dieser mit dem Vorsteuerabzug im Umsatzsteuerrecht im Zusam­menhang stehende Grundsatz, nach dem die Umsatzsteuer für den Unterneh­mer neutral sein soll (EuGH-Urteil Halifax u.a. vom 21.02.2006 ‑ C‑255/02, EU:C:2006:121), greift bei einer Steuerentlastung von Verbrauchsteuern nicht ein, weil ein Vorsteuerabzug bei den Verbrauchsteuern nicht vorgesehen ist. Bei der Entlastung von der Energiesteuer handelt es sich dementsprechend nicht um einen Anspruch, der jedem Energieerzeugnisse verwendenden Unter­nehmen zusteht. Vielmehr werden die Entlastungstatbestände an eine be­stimmte Verwendung der Energieerzeugnisse geknüpft und zudem eng ausge­legt, sodass es sich folglich bei der Energiesteuer grundsätzlich nicht um eine für den Verwender neutrale Steuer handelt. Maßgeblich für die Entlastung ist die tatsächliche Verwendung der Energieerzeugnisse. Dementsprechend äu­ßerte sich der EuGH weder im Urteil Petrotel-Lukoil vom 07.11.2019 ‑ C‑68/18, EU:C:2019:933 noch im Urteil Turbogás vom 27.06.2018 ‑ C‑90/17, EU:C:2018:498 zu einem möglichen Verschulden des Energieverwenders hin­sichtlich eines spät gestellten Antrags. Denn darauf kam es nicht an.

Zudem war bei dem vom HZA für die Anwendung des Neutralitätsgrundsatzes als Beispielsentscheidung angeführten EuGH-Urteil Staatssecretaris van Financiën (Forclusion du droit à déduction) vom 07.07.2022 ‑ C‑194/21, EU:C:2022:535, Rz 42 die maßgebliche (Berichtigungs‑)Frist tatsächlich abge­laufen, sodass der Steuerpflichtige, der einen Vorsteuerabzug nach Ablauf die­ser Frist begehrte, das Abzugsrecht bereits verloren hatte. Es ging dort also nicht darum, dass dem Antragsteller etwas genommen werden sollte, was ihm nach nationaler Rechtslage zugestanden hätte. Dahingehend argumentiert aber das HZA mit dem Einwand der Neutralität. Denn im vorliegenden Streit­fall waren die Ansprüche auf die Steuerentlastungen nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG und nach § 54 Abs. 1 EnergieStG ‑‑wie unter II.3.a ausge­führt‑‑ noch nicht nach § 47 AO erloschen; die Festsetzungsfrist war noch nicht abgelaufen.

c) Die Versäumung der Antragsfrist nach § 95 Abs. 1 Satz 3 EnergieStV führt hingegen zu einem Ausschluss des Entlastungsanspruchs aus § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG.

aa) § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG beruht nicht auf dem Unionsrecht. Denn Art. 2 Abs. 4 EnergieStRL nimmt unter anderem Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck vom Geltungsbereich der Richtlinie aus. Es steht den Mitgliedstaaten somit frei, ob sie diese Verwendungen der Besteuerung unterwerfen oder nicht (Möhlenkamp/Milewski, Energiesteuergesetz, Strom­steuergesetz, 2. Aufl., § 51 Rz 1). Die nationale Regelung in § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG setzt nicht die Bestimmungen der Energiesteuerrichtlinie um, sodass kein Verstoß gegen den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeits­grundsatz vorliegen kann (vgl. Friedenhagen, Zeitschrift für Zölle und Ver­brauchsteuern 2022, 130). Dabei ist zu bedenken, dass der EuGH in seinem Urteil Shell Deutschland Oil vom 22.12.2022 ‑ C‑553/21, EU:C:2022:1030 ausdrücklich neben dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch auf den Effektivi­tätsgrundsatz abgestellt hat, der verlangt, dass dem Unionsrecht Geltung zu verschaffen ist und dessen Durchsetzung nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf. Somit kommt es nach der Rechtspre­chung des EuGH eben nicht nur auf die Verhältnismäßigkeit an. Bei der Ent­lastungsregel des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG geht es jedoch ‑‑wie gesehen‑‑ nicht um eine Norm des Unionsrechts, der zur Geltung verholfen werden soll, sondern um eine nationale Vorschrift.

bb) Zudem ist hinsichtlich des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG auch der nationale Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

Eine staatliche Maßnahme ist danach verhältnismäßig, wenn sie im Hinblick auf den verfolgten Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (s. dazu im Einzelnen Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 17. Aufl., Art. 20 Rz 116 ff.; Sachs in Sachs, Grundgesetz, 9. Aufl., Art. 20 Rz 149 ff.). Die Proportionalität setzt voraus, dass Beeinträch­tigungen nicht außer Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen, dass sie bei ei­ner Gesamtbewertung angemessen und deshalb für den Betroffenen zumutbar sind (Sachs in Sachs, Grundgesetz, 9. Aufl., Art. 20 Rz 154). Ausgehend von dem Zweck der Antragsfrist, Rechtsfrieden zu schaffen und die Funktionsfä­higkeit der Verwaltung zu gewährleisten, ist nicht ersichtlich, dass eine einjäh­rige Antragsfrist im engeren Sinne unzumutbar ist. Im Gegenteil spricht für die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, dass die Versteuerung der Energieer­zeugnisse innerhalb dieses Zeitraums durchgeführt sein dürfte und die Ver­wendung der Energieerzeugnisse ebenfalls abgeschlossen ist.

5. Soweit schließlich die Klägerin den Entlastungsanspruch nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d EnergieStG aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herlei­ten will, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar gilt der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch im Steuerrecht; aus ihm kann sich so­wohl eine Bindung der Finanzbehörde als auch des Steuerpflichtigen ergeben. Allerdings setzt dies ‑‑neben weiteren Voraussetzungen‑‑ eine Schutzwürdig­keit des Steuerpflichtigen voraus (BFH-Urteil vom 03.05.1991 ‑ V R 36/90, BFH/NV 1992, 221).

Daran fehlt es im Streitfall. Das HZA trifft keine Pflicht nachzuforschen, aus welchen Gründen keine Entlastungsanträge der Klägerin bei ihm eingegangen sind, selbst wenn ihm ihr Fehlen aufgefallen wäre. Denn dafür, dass ein Ent­lastungsberechtigter keine Entlastungsanträge stellt, kann es ‑‑außer einem Versehen‑‑ auch andere Gründe geben, zum Beispiel solche, die auf den bei­hilferechtlichen Vorgaben beruhen. Zudem trifft nach Aktenlage ‑‑wie bereits dargestellt‑‑ die Klägerin ein Organisationsverschulden; Gegenteiliges hat sie nicht vorgetragen. Das HZA ist auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben veranlasst, die durch dieses Versäumnis entstandenen Folgen zu be­seitigen.

Im Übrigen könnte sich selbst bei einem Vorliegen der behaupteten Pflichtver­letzung des HZA allenfalls ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ergeben, welcher aber in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört (§ 71 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes).

6. Eine erneute Vorlage an den EuGH hält der Senat nicht für geboten, weil der erkennende Senat die hier zu beurteilenden Rechtsfragen im Zusammen­hang mit den unionsrechtlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Effektivität durch die oben genannten EuGH-Entscheidungen als geklärt an­sieht (vgl. EuGH-Urteile CILFIT vom 06.10.1982 ‑ C‑283/81, EU:C:1982:335, Rz 16 und Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi vom 06.10.2021 ‑ C‑561/19, EU:C:2021:799).

Der sich aus dem nationalen Recht ergebende Grundsatz der Verhältnismäßig­keit ist einer Vorlage an den EuGH nicht zugänglich.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1, § 135 Abs. 2 FGO.

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