BFH: Steuerfreie Beförderung von kranken und verletzten Personen

Die Beförderung kranker oder verletzter Personen oder solcher mit Behinde­rung durch einen hierfür anerkannten Unternehmer ist als "eng mit der Sozial­fürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung" i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei.

UStG § 4 Nr. 17 Buchst. b
MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, Art. 134 Buchst. b

BFH-Urteil vom 24.8.2022, XI R 25/20 (veröffentlicht am 22.12.2022)

Vorinstanz: FG Münster vom 10.10.2019, 5 K 2662/16 U = SIS 19 17 68

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis zum 31.05.2012 Organträger der im Dezember 2009 gegründeten X‑GmbH (GmbH), an deren Stammkapital er zu 60 % beteiligt war und an die er ab dem 01.01.2010 seinen Betrieb ein­schließlich Grundstück verpachtete.

Im Besteuerungszeitraum 2009 erbrachte der Kläger, ab dem Besteuerungs­zeitraum 2010 die GmbH, Personenbeförderungsleistungen ausschließlich für oder an kranke, behinderte oder verletzte Personen. Die dem Kläger und der GmbH erteilten Genehmigungen zum Verkehr mit Mietwagen nach § 49 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) galten "nur für Fahrgäste, die auf Grund ihrer körperlichen, geistigen und/oder seelischen Verfassung zur Ein­richtung, Behandlung, Therapie, Arbeitsstätte, Krankenhaus, Arzt etc. und/oder zurück gefahren werden müssen, evtl. im Rollstuhl sitzend oder im nicht qualifizierten Liegendtransport, einschließlich Begleitpersonen".

Der Kläger und die GmbH rechneten diese o.g. Transportleistungen zum gro­ßen Teil direkt gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen oder Berufsgenos­senschaften ab. Hierfür war erforderlich, dass die Krankenbeförderung ärztlich verordnet worden war. Bei den so abgerechneten Beförderungsleistungen han­delte es sich um Krankenfahrten i.S. des § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) und der Richtlinie über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (Krankentransport-Richtlinie). Nur wenn eine Krankenkasse die Erstattung der Kosten ablehnte, erhielt die beförderte Per­son selbst eine Rechnung. Weitere Beförderungsleistungen, insbesondere von Menschen mit Behinderung, wurden aufgrund von Vereinbarungen mit ver­schiedenen Einrichtungen und Verbänden, z.B. des Landschaftsverbandes ..., Arbeitsämtern und verschiedenen Krankenhäusern, durchge­führt. Ferner beförderten der Kläger oder die GmbH in den Besteuerungszeit­räumen 2009 bis 2012 (Streitjahre) auch Essenscontainer und Medikamente.

Nach Außenprüfungen beim Kläger und bei der GmbH gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) zu der Auffassung, dass die Vo­raussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b des Um­satzsteuergesetzes (UStG) nur teilweise vorlägen. Der Kläger und die GmbH hätten Beförderungen von kranken und verletzten Personen nicht nur mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet sind, durchgeführt, sondern mit Fahrzeugen verschiedener Kategorien, nämlich mit

  • vier serienmäßig ausgestatteten PKW (2010 bis 2012), die allenfalls über eine seitlich ausfahrbare Trittstufe verfügten,
  • fünf nicht von der Kraftfahrzeugsteuer befreiten Kombis, die bei Bedarf für die Beförderung von kranken und verletzten Personen eingerichtet werden konnten,
  • im Übrigen nach dem Fahrzeugschein als Krankenkraftwagen anerkann­ten Fahrzeugen.

Soweit Fahrzeuge für den Krankentransport besonders eingerichtet gewesen seien, könne zudem nicht ausgeschlossen werden, dass mit diesen Fahrzeugen auch Personen befördert wurden, für deren Beförderung ein solches Fahrzeug nicht notwendig war.

Mangels Abgabe von Steuererklärungen für die Besteuerungszeiträume 2010 und 2011 sowie wegen fehlender Aufzeichnungen bezüglich der einzelnen Ver­wendung der Fahrzeuge führte das FA Schätzungen durch. Soweit es zur Steu­erpflicht von Umsätzen gelangte, schätzte es die Anteile der zum Regelsteuer­satz sowie der ‑‑soweit Krankentransporte auf Grundlage und im Rahmen ei­ner Sondervereinbarung z.B. mit einer Krankenkasse durchgeführt wurden‑‑ ermäßigt besteuerten Umsätze.

Die Einsprüche gegen die Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für 2009 und 2012 vom 23.11.2015 und die erstmaligen Bescheide über Umsatzsteuer für 2010 und 2011 vom 02.12.2015 wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 21.07.2016 als unbegründet zurück. Mit Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden vom 29.05.2019 für 2009 bis 2011 half das FA der anschließenden Klage hin­sichtlich weiterer, das vorliegende Verfahren nicht betreffender Prüfungsfest­stellungen insoweit ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Fi­nanzgerichte 2021, 236 veröffentlichten Urteil nur teilweise statt. Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das ge­meinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) berufen. Seine Beförderungs­leistungen erfüllten nur teilweise die Voraussetzungen der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG. Die Krankentransporte mit den serienmäßig oder mit ausfahrbarem Trittbrett ausgestatteten PKW seien umsatzsteuerpflichtig, der Anteil der steuerpflichtigen Umsätze an mit umrüstbaren Kombis durchge­führten Krankentransporten mit 50 % zu schätzen. 10 % der Transporte mit von der Kraftfahrzeugsteuer befreiten Krankenkraftwagen seien steuerpflich­tig, da keine Feststellungen dazu hätten getroffen werden können, ob die je­weilige Beförderung der kranken oder verletzten Person auch unter Verwen­dung besonderer Einrichtungen erfolgte oder ob die beförderte Person wie je­der Dritte im Fahrzeug Platz genommen hatte. Entgegen dem FA sei jedoch keine Bedürftigkeitskontrolle dahingehend durchzuführen, ob die beförderte Person medizinisch auf die Verwendung der besonderen Einrichtung des Kran­kenwagens angewiesen gewesen sei. Gegen die Schätzung des FA, wonach 85 % der steuerpflichtigen Umsätze dem ermäßigten Steuersatz unterlägen, bestünden keine Bedenken.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Am letzten Tag der verlänger­ten Revisionsbegründungsfrist ging die per Telefax übermittelte Revisionsbe­gründung nur unvollständig im Umfang der Seiten 1 sowie 8 bis 10 ein. Diesen Seiten waren der Revisionsantrag, das Berufen auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL mit Ausführungen zu Art. 134 Buchst. b MwStSystRL sowie die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten zu entneh­men.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2009 vom 23.11.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2016 und des Änderungsbescheids vom 29.05.2019 sowie den Umsatzsteuerbe­scheid 2012 vom 23.11.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2016 aufzuheben und unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2010 und 2011 vom 29.05.2019 die Umsatzsteuer auf jeweils 0 € festzusetzen.

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Innerhalb der Revisionsbegründungsfrist sei lediglich ein unvollständiger Schriftsatz des Klägers übermittelt worden. Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist sei nicht zu gewähren, da Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Arbeitsorganisation in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten bestünden. Im Übrigen verteidigt das FA die Vorentscheidung in der Sache.

II. Die Revision ist zulässig. Die innerhalb der verlängerten Revisionsbegrün­dungsfrist beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Teile der Revisionsbe­gründung genügen den gesetzlichen Anforderungen.

1. Die Angabe der Revisionsgründe erfordert nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung (FGO) eine bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Dem ist der Kläger nachgekom­men, indem er substantiiert geltend gemacht hat, das FG habe verkannt, dass er sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen könne. Damit ist die Verletzung von Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO) gerügt, da für die Anwendung des Unionsrechts auf den konkreten Sachverhalt die nationalen Gerichte zuständig sind (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ Pro Med Logistik und Pongratz vom 27.02.2014 ‑ C‑454/12 und C‑455/12, EU:C:2014:111, Rz 59 f., 64 f.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 28; Seer in Tipke/Kruse, § 118 FGO Rz 16 f.).

2. Da der Kläger seine Revision auf die Verletzung materiellen Rechts stützt, hat der Senat gemäß dem Grundsatz der Vollrevision das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts zu prüfen, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.09.2019 ‑ XI R 39/17, BFH/NV 2020, 246, Rz 12).

III. Die Revision des Klägers ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vor­entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweiti­gen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG, das für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.05.2012 von einer Organ­schaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zwischen dem Kläger als Organträger und der GmbH als Organgesellschaft ausgegangen ist, da der Kläger keine Unions­rechtswidrigkeit dieser Vorschrift geltend gemacht hat (Senatsurteil vom 17.03.2022 ‑ XI R 23/21 (XI R 4/21), zur Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2022, 1016, Rz 15), hat zu Unrecht entschieden, dass Art. 134 Buchst. b MwStSystRL einer Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL entgegensteht. Die Sache ist nicht spruchreif.

1. Die Personenbeförderungen sind nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei.

a) Nach dieser Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten "eng mit der Sozialfür­sorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen ..., einschließ­lich derjenigen, die durch ... Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden". Die Steuerbefreiung knüpft an leistungs- und an personenbezogene Voraussetzungen an: Um als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden angesehen werden zu können, muss die betreffende Leistung im Lichte von Art. 134 Buchst. a MwStSystRL betrachtet jedenfalls für die der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unterfallenden Umsätze unerlässlich sein (vgl. EuGH-Urteil Finanz­amt D vom 08.10.2020 ‑ C‑657/19, EU:C:2020:811, Rz 31); ferner muss es sich um eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen handeln, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder ande­ren Einrichtungen erbracht werden, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind (vgl. EuGH-Urteil Kingscrest Associates und Montecello vom 26.05.2005 ‑ C‑498/03, EU:C:2005:322, Rz 34; BFH-Urteile vom 18.08.2005 ‑ V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143, unter II.2.d cc; vom 07.12.2016 ‑ XI R 5/15, BFHE 256, 550).

b) Danach sind die Personenbeförderungsleistungen "eng mit der Sozialfürsor­ge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen".

aa) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war Ge­genstand der Personenbeförderung des Klägers und der GmbH ‑‑entsprechend der ihnen jeweils nach § 49 PBefG erteilten Genehmigung‑‑ ausschließlich der Transport kranker oder verletzter Personen oder solcher mit Behinderung. Ob die beförderten Personen aufgrund ihrer körperlichen, geistigen und/oder see­lischen Verfassung ggf. der Begleitung durch einen Dritten bedurften, ist dabei unerheblich. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der mündlichen Verhand­lung vor dem erkennenden Senat ist dabei davon auszugehen, dass sich die Beförderungsleistung nicht auf den bloßen Transport dieser Personen be­schränkte. In den Fahrzeugen wurden vielmehr ein Notfall-Set sowie Sauer­stoff vorgehalten. Zudem wurden die beförderten Personen nach Bedarf bis in die Krankenstation des Krankenhauses begleitet oder wurden Personen nach telefonischer Anforderung durch die Krankenstation unmittelbar von dort ab­geholt.

bb) Diese Leistungen sind dem Grunde nach gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL von der Steuer befreit (vgl. BFH-Urteil vom 24.02.2021 ‑ XI R 32/20 (XI R 42/19), BFHE 272, 270, Rz 27). Ob die Leistungen daneben die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL erfüllen, ist insoweit unerheblich. Denn gerade im Zusammenhang mit eng mit der Sozial­fürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen können sich Überschneidungen mit anderen Steuerbefreiungen ergeben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 256, 550, Rz 25).

cc) Der Steuerbefreiung steht nicht entgegen, dass der Kläger oder die GmbH ihre entgeltlichen Leistungen ggf. nicht gegenüber der hilfsbedürftigen Person als sog. Selbstzahler, sondern gegenüber einem Sozialleistungsträger erbracht haben. Für Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL kommt es nicht darauf an, wer mehrwertsteuerrechtlich Empfänger der entgeltlichen Leistung ist, son­dern dass die Leistung einen für die Durchführung der Maßnahmen der Sozial­fürsorge und der sozialen Sicherheit unerlässlichen Schritt enthält und ihre Be­lastung mit der Mehrwertsteuer daher zwangsläufig dazu führen würde, die Kosten der genannten Umsätze zu erhöhen (vgl. EuGH-Urteil Finanzamt D, EU:C:2020:811, Rz 36; BFH-Urteil in BFHE 272, 270, Rz 30). Letzteres ist hier der Fall.

c) Der Kläger und die GmbH sind Einrichtungen, die im Inland als Einrichtun­gen mit sozialem Charakter anerkannt sind.

aa) Der Begriff "Einrichtung" ist grundsätzlich weit genug, um auch natürliche Personen wie den Kläger (vgl. EuGH-Urteil Gregg vom 07.09.1999 ‑ C‑216/97, EU:C:1999:390, Rz 21) und private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht wie die GmbH (vgl. dazu EuGH-Urteile Kingscrest Associates und Montecello, EU:C:2005:322, Rz 35 und 40; MDDP vom 28.11.2013 ‑ C‑319/12, EU:C:2013:778, Rz 28 und 31; BFH-Urteil in BFHE 256, 550, Rz 28) zu erfas­sen.

bb) Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL legt weder die Voraussetzungen noch die Modalitäten einer Anerkennung des sozialen Charakters von anderen Einrichtungen als solchen des öffentlichen Rechts fest. Es ist daher grundsätz­lich Sache des innerstaatlichen Rechts eines jeden Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen diesen Einrichtungen eine solche Anerkennung ge­währt werden kann, wobei die Mitgliedstaaten über ein Ermessen verfügen (vgl. EuGH-Urteile Les Jardins de Jouvence vom 21.01.2016 ‑ C‑335/14, EU:C:2016:36, Rz 32 und 34; Finanzamt D, EU:C:2020:811, Rz 43). Zu ihnen können das Bestehen spezifischer Vorschriften ‑‑seien es nationale oder regio­nale, Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschrif­ten im Bereich der sozialen Sicherheit‑‑, das mit den Tätigkeiten des betref­fenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss ei­ner ähnlichen Anerkennung kommen, und der Gesichtspunkt zählen, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Kran­kenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden, insbesondere wenn die privaten Wirtschaftsteilnehmer vertragliche Beziehungen zu diesen Einrichtungen unterhalten (vgl. in diesem Sinne EuGH-Urteile Kügler vom 10.09.2002 ‑ C‑141/00, EU:C:2002:473, Rz 58; Les Jardins de Jouvence, EU:C:2016:36, Rz 35; Finanzamt D, EU:C:2020:811, Rz 44).

cc) Danach sind der Kläger und die GmbH in Bezug auf ihre Personenbeförde­rungsleistungen im Inland als Einrichtungen mit sozialem Charakter aner­kannt. Die Verordnungsfähigkeit von Krankenfahrten ist im Sozialversiche­rungsrecht als Teil der vertragsärztlichen Versorgung gesetzlich verankert (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V). Zudem führten der Kläger und die GmbH Personenbeförderungen, insbesondere von Menschen mit einer Behinderung, aufgrund von Vereinbarungen mit verschiedenen Einrichtungen und Verbänden durch. Die Kosten für ihre Leistungen wurden zum großen Teil durch Kranken­kassen und andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen; nach den Feststellungen des FG erhielt die beförderte Person selbst nur dann eine Rechnung, wenn eine Krankenkasse die Erstattung der Kosten ablehnte.

2. Der Steuerfreiheit steht ‑‑entgegen dem Urteil des FG‑‑ nicht Art. 134 Buchst. b MwStSystRL entgegen.

a) Art. 134 Buchst. b MwStSystRL schließt Dienstleistungen von der Steuer­freiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL aus, wenn sie im Wesentli­chen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Um­sätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt werden. Dabei liefe es dem dieser Bestimmung zugrunde liegenden Grundsatz der steuerlichen Neutralität zuwider, gleichartige und deshalb miteinander in Wett­bewerb stehende Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen hin­sichtlich der Umsatzsteuer unterschiedlich zu behandeln (vgl. EuGH-Urteil Administration de l'Enregistrement, des Domaines und de la TVA vom 15.04.2021 ‑ C‑846/19, EU:C:2021:277, Rz 67).

b) Im Streitfall steht Art. 134 Buchst. b MwStSystRL der Steuerfreiheit nicht entgegen. Die Personenbeförderungsleistungen des Klägers und der GmbH standen unter den Umständen des vorliegenden Streitfalls nicht in unmittelba­rem Wettbewerb mit Umsätzen von Taxi- und Mietwagenunternehmern. Denn kranke, verletzte oder behinderte Personen werden zwar auch von Taxi- und Mietwagenunternehmern befördert. Jedoch gingen die vorliegend erbrachten Dienstleistungen über die bloße Beförderung dieser Personen hinaus.

Zudem beschränkt sich die Anwendung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL auf Dienstleistungen, die durch Einrichtungen bewirkt werden, die ‑‑wie hier der Kläger und die GmbH‑‑ als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind. Soweit Taxi- und Mietwagenunternehmen vergleichbare Leis­tungen wie im Streitfall erbringen, aber nicht die zusätzlichen unternehmerbe­zogenen Anerkennungsvoraussetzungen erfüllen, ist das Fehlen dieser Voraus­setzungen bei Wettbewerbern nicht geeignet, eine Wettbewerbsverzerrung zu begründen, sondern notwendige Folge der Anwendung des Befreiungstatbe­standes. Sollten Wettbewerber des Klägers im Übrigen die unternehmerbezo­genen Anerkennungsvoraussetzungen erfüllen, steht es ihnen frei, sich für entsprechende Leistungen ebenfalls auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL zu berufen (vgl. BFH-Urteil vom 24.03.2021 ‑ V R 1/19, BFHE 272, 547, Rz 62).

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Zwar kommt es auf eine Anwendung von § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG nicht an. Soweit der Kläger oder die GmbH aber nach den Feststellungen des FG auch Essenscontainer oder Medikamente transpor­tiert haben, ist kein Befreiungstatbestand ersichtlich. Insbesondere kann sich der Kläger bezüglich dieser Dienstleistungen bereits deshalb nicht mit Erfolg auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen, da er und die GmbH inso­weit nicht als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind.

Das FG hat zur Höhe der betreffenden Umsätze keine Feststellungen getroffen. Diese sind nachzuholen. Dabei wird das FG auch der Frage einer Privatverwen­dung von Fahrzeugen und Telefonen nachzugehen haben.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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