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BFH: Steuerliche Behandlung eines punktuell satzungsdurchbrechenden inkongruenten Vorabgewinnausschüttungsbeschlusses

  1. Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig ge­fasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, ist als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss der Besteuerung zugrunde zu legen (entgegen BMF-Schreiben vom 17.12.2013, BStBl I 2014, 63 = SIS 13 34 12).
  2. Ein Gesellschafter, an den nach einem solchen Beschluss kein Gewinn ver­teilt wird, verwirklicht den Tatbestand der Einkünfteerzielung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG nicht.
  3. Ob eine inkongruente Vorabgewinnausschüttung nach § 42 AO gestal­tungsmissbräuchlich ist, ist bei zivilrechtlich wirksamen punktuell satzungs­durchbrechenden Beschlüssen nach denselben Maßstäben zu beurteilen, die für satzungsgemäße inkongruente Ausschüttungen gelten.

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2
AO § 42

BFH-Urteil vom 28.9.2022, VIII R 20/20 (veröffentlicht am 15.12.2022)

Vorinstanz: FG Münster vom 6.5.2020, 9 K 3359/18 E,AO = SIS 20 13 54

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte zu 1. (Kläger) wurde für die Streitjahre (2012 bis 2015) mit seiner Ehefrau, der Klägerin und Revisionsbeklagten zu 2., zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er war in den Streitjahren Geschäftsführer und zu 50 % Gesellschafter der K‑GmbH. Weitere zu 50 % beteiligte Gesellschafterin der K‑GmbH war die T‑GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer in den Streitjahren ebenfalls der Kläger war.

Nach dem Gesellschaftsvertrag der K‑GmbH hatten deren Gesellschafter über die Gewährung und die Entnahme von Vorschüssen auf die voraussichtlichen Jahresgewinnansprüche während eines laufenden Geschäftsjahres durch Be­schluss mit einfacher Mehrheit zu entscheiden (§ 12 Nr. 2 Buchst. i und § 17 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrags). Die Beschlüsse sollten nur rechtsgültig sein, sofern die Vorschüsse nicht zu einer Minderung des Stammkapitals führen konnten; Zahlungen an die Gesellschafter durften zudem die Regelungen zum Erhalt des Stammkapitals in § 30 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) nicht verletzen (§ 17 Nr. 4 des Gesell­schaftsvertrags). Der Jahresgewinn der Gesellschaft war auf der Grundlage einer festgestellten und geprüften Bilanz der K‑GmbH zu bestimmen. Über die Verwendung des Jahresgewinns hatten die Gesellschafter durch Gesellschaf­terbeschluss zu entscheiden (§ 17 Nrn. 1 und 2 des Gesellschaftsvertrags). Das Recht eines Gesellschafters, einen Beschluss der Gesellschafterversamm­lung anfechten zu dürfen, war verwirkt, wenn es sich um unverzichtbare Rech­te handelte und der jeweilige Gesellschafter in der Gesellschafterversamm­lung, in der der anzufechtende Beschluss gefasst worden war, anwesend oder rechtsgültig vertreten war, dem Beschluss nicht ausdrücklich widersprochen hatte und er nicht innerhalb von zwei Monaten danach Klage auf Anfechtung oder Geltendmachung der Nichtigkeit des Beschlusses gegen die Gesellschaft erhob (§ 15 des Gesellschaftsvertrags).

Der Gesellschaftsvertrag der K‑GmbH enthielt keine Regelung zur Gewinn­verteilung. Er sah insbesondere weder vor, dass Entnahmen, Vorschüsse und der Jahresgewinn stets abweichend von den Beteiligungsverhältnissen zu verteilen waren, noch enthielt er eine Öffnungsklausel i.S. des § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG, die eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Verteilung durch gesonderte Beschlussfassung im Einzelfall zuließ.

Die Gesellschafterversammlung der K‑GmbH fasste in den Streitjahren jeweils einstimmig Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse. Die Vorabausschüttungen wurden nach den Beschlüssen nur an die T‑GmbH verteilt und an diese aus­gezahlt (2012: 1,4 Mio. €; 2013: 1,45 Mio. €; 2014: 2,55 Mio. € und 2015: 3,4 Mio. €).

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gab der Kläger keine Einkünfte aus Ausschüttungen der K‑GmbH an. In den zunächst ergangenen und bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheiden für die Streit­jahre (2012: vom 08.05.2014; 2013: vom 12.02.2015; 2014: vom 20.01.2016; 2015: vom 16.05.2017) wurden erklärungsgemäß keine Gewinn­anteile des Klägers aus der K‑GmbH gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Ein­kommensteuergesetzes (EStG) bei dessen Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt.

Während einer Außenprüfung bei der K‑GmbH gelangte der Prüfer zu der Auf­fassung, die Vorabausschüttungen der K‑GmbH an die T‑GmbH beruhten auf zivilrechtlich nichtigen Ausschüttungsbeschlüssen. Die ausgeschütteten Beträ­ge seien dem Kläger entsprechend seiner Beteiligungsquote zur Hälfte zuzu­rechnen. Die Anschaffungskosten des Klägers für die Anteile an der T‑GmbH seien zu erhöhen, weil der Kläger die ihm zustehenden Ausschüttungsbeträge im Wege eines abgekürzten Zahlungswegs der T‑GmbH als Einlagen zugewen­det habe. Seien die Vorabgewinnverteilungsbeschlüsse zivilrechtlich wirksam, seien die wiederholten Vorabgewinnausschüttungen nur an die T‑GmbH als Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO) zu behandeln. In diesem Fall seien dem Kläger die hälftigen Ausschüttungsbeträge ebenfalls als Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen.

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) schloss sich der Auffas­sung des Außenprüfers an. Er erließ entsprechend geänderte Einkommen­steuerbescheide für die Streitjahre, jeweils vom 16.05.2018, in denen er auf­grund der Ausschüttungen der K‑GmbH zusätzliche Kapitalerträge des Klägers in Höhe von 700.000 € (2012), 725.000 € (2013), 1.275.000 € (2014) und 1.700.000 € (2015) erfasste und dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterwarf. Als Rechtsgrundlage für die Änderung zog das FA jeweils § 32a Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streitjahren anzu­wendenden Fassung (KStG) heran. Der Kläger habe veranlasst durch sein Gesellschaftsverhältnis zur K‑GmbH die ihm zustehenden Teile der Ausschüt­tungsbeträge der T‑GmbH zugewendet und hierdurch Einkünfte aus verdeck­ten Gewinnausschüttungen (vGA) gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erzielt. Dem stehe nicht entgegen, dass mangels eines Betriebsausgabenabzugs der abgeflossenen Ausschüttungsbeträge auf Ebene der K‑GmbH keine Einkom­menserhöhung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG durchzuführen sei. Das an­schließende Einspruchsverfahren der Kläger blieb erfolglos.

Während des folgenden Klageverfahrens, das sich gegen die geänderten Ein­kommensteuerbescheide der Streitjahre und hierzu ergangene Zinsfestsetzun­gen gemäß § 233a i.V.m. § 239 AO richtete, erging für das Streitjahr 2015 ein geänderter Einkommensteuerbescheid (vom 22.11.2018), der hier nicht strei­tige Sachverhalte zu den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpach­tung zum Gegenstand hatte. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2020, 1603 wiedergegebenen Be­gründung statt, soweit sie die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre be­traf. Es hob die geänderten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 2012 bis 2014 vom 16.05.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.09.2018 auf und änderte den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 22.11.2018 mit der Maßgabe, dass dem Kläger aus den Ausschüttungen keine Einkünfte zuzurechnen seien.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung materiel­len Bundesrechts durch das FG geltend macht, soweit das FG der Klage gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre stattgegeben hat.

Die inkongruenten Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse seien nichtige sat­zungsdurchbrechende Beschlüsse mit Dauerwirkung, sodass es an den Vo­raussetzungen für eine offene Gewinnausschüttung fehle. Der Kläger habe Einkünfte aus vGA gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erzielt. Gehe man von zivilrechtlich wirksamen Vorabgewinnausschüttungsbeschlüssen aus, seien dem Kläger die hälftigen Ausschüttungsbeträge als Gewinnanteile gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG zuzurechnen, da ein Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO vorliege.

Das FA beantragt,
das Urteil des FG Münster vom 06.05.2020 ‑ 9 K 3359/18 E, AO aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Es hat keinen Antrag gestellt.

Es vertritt wie das FA die Auffassung, dass die Vorabausschüttungsbeschlüsse nichtig seien und der Kläger Einkünfte aus vGA erzielt habe. Gehe man von zivilrechtlich wirksamen Beschlüssen und offenen Gewinnausschüttungen aus, sei die Einkünftezurechnung nur bei der T‑GmbH nicht anzuerkennen, da sie einem Fremdvergleich nicht standhalte. Jedenfalls seien dem Kläger die Aus­schüttungsbeträge hälftig zuzurechnen, weil jeweils ein Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO in den Streitjahren vorliege.

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass das FA zur Ände­rung der ursprünglichen bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre nach der Außenprüfung grundsätzlich befugt war (s. unter II.1.). Es hat auch zu Recht entschieden, dass der Kläger aufgrund der inkongruen­ten Vorabausschüttungen weder Einkünfte aus offenen Gewinnausschüttungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG (s. unter II.2.) noch Einkünfte aus vGA gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG (s. unter II.3.) erzielt hat. Eine hälftige Zurechnung der Ausschüttungsbeträge an die T‑GmbH als Einkünfte des Klä­gers gemäß § 42 AO kommt ebenfalls nicht in Betracht (s. unter II.4.).

1. Im Ergebnis zutreffend hat das FG unterstellt, dass das FA grundsätzlich berechtigt war, die ursprünglichen bestandskräftigen Einkommensteuerbe­scheide der Streitjahre nach der Außenprüfung zu ändern und für das Streit­jahr 2015 den weiteren Änderungsbescheid vom 22.11.2018 zu erlassen. Zwar ist zweifelhaft, ob sich das FA hierzu auf die in den Änderungsbescheiden zi­tierte Regelung in § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG stützen kann. Nach dieser Vor­schrift muss für eine rechtmäßige Korrektur des Einkommensteuerbescheids beim Gesellschafter die vGA im Steuerbescheid der Körperschaft grundsätzlich vor der Änderung des Bescheids des Gesellschafters oder zumindest zeitgleich mit dieser berücksichtigt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 10.12.2019 ‑ VIII R 2/17, BFHE 267, 361, BStBl II 2020, 679, Rz 36, 38). Im Streitfall wurden aufgrund der Vorabausschüttungen auf Ebene der K‑GmbH jedoch keine vGA bewirkt und die Körperschaftsteuerbescheide der Streitjahre nicht geändert. Der Senat hat die Frage, ob § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG als Kor­rekturvorschrift auch dann auf der Ebene des Anteilseigners herangezogen werden kann, wenn die Änderung des Körperschaftsteuerbescheids gänzlich unterbleibt, noch nicht entschieden und muss sie auch hier nicht abschließend entscheiden. Die geänderten Bescheide können im Streitfall grundsätzlich je­weils auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO als Änderungsvorschrift gestützt werden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 12.06.2018 ‑ VIII R 38/14, BFH/NV 2018, 1141, Rz 33, zum Austausch der Änderungsvorschrift). Dem FA sind die inkongruenten Aus­schüttungen erst durch die Außenprüfung und damit nachträglich bekannt ge­worden. Für das Streitjahr 2015 kann das FA die weitere Änderung der Ein­kommensteuerfestsetzung im Klageverfahren, die nur die Vermietungseinkünf­te der Kläger und damit einen anderen Streitpunkt betraf, auf § 165 Abs. 2 AO stützen.

2. Der Kläger hat aufgrund der Vorabgewinnausschüttungen keine Einkünfte aus Gewinnanteilen (Dividenden) gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt. Die inkongruenten Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse, in denen an ihn keine Ausschüttungsbeträge verteilt wurden, sind zivilrechtlich wirksam (s. unter II.2.a und b). Der Kläger hat den Einkünfteerzielungstatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG jeweils nicht verwirklicht (s. unter II.2.c).

a) Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse, die nicht nichtig sind oder nicht auf­grund einer Anfechtung für nichtig erklärt werden oder von keinem der Gesell­schafter angefochten werden können, sind wirksame Gewinnverwendungs- und Gewinnverteilungsbeschlüsse (vgl. BFH-Urteile vom 23.07.1975 ‑ I R 165/73, BFHE 117, 30, BStBl II 1976, 73, unter 1. [Rz 12]; vom 07.11.2001 ‑ I R 11/01, BFH/NV 2002, 540, unter II.3.b; vom 27.01.1977 ‑ I R 39/75, BFHE 122, 43, BStBl II 1977, 491, unter 2.; wohl auch BFH-Urteil vom 13.03.2018 ‑ IX R 35/16, BFH/NV 2018, 936, Rz 18). Die hierauf beru­henden Ausschüttungen sind Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 02.12.2014 ‑ VIII R 2/12, BFHE 248, 45, BStBl II 2015, 333, Rz 19; s.a. BFH-Urteile vom 17.02.1993 ‑ I R 21/92, BFH/NV 1994, 83, unter II.2., zur Kapitalertragsteuer; vom 23.04.1992 ‑ II R 40/88, BFHE 168, 365, BStBl II 1992, 790, unter II.1.c, sowie BFH-Urteile in BFHE 122, 43, BStBl II 1977, 491; vom 18.11.1970 ‑ I R 88/69, BFHE 100, 400, BStBl II 1971, 73, unter 2.c [Rz 16], jeweils zu § 19 Abs. 3 Satz 1 KStG a.F.).

b) Die in den Streitjahren gefassten Beschlüsse über die inkongruenten Vorab­gewinnausschüttungen widersprechen zwar der Satzung der K‑GmbH (s. unter II.2.b aa). Sie sind aber entgegen der Auffassung des FA und des BMF nicht nichtig, sondern als punktuell satzungsdurchbrechende Ausschüttungsbe­schlüsse mangels Anfechtbarkeit zivilrechtlich wirksam und bindend (s. unter II.2.b bb bis dd).

aa) Enthält ein Gesellschaftsvertrag ‑‑wie hier‑‑ keine gesonderte Regelung zur Gewinnverteilung und keine Öffnungsklausel i.S. des § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG, sind die Gewinne entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile zu verteilen. Wenn die Gesellschafterversammlung durch Beschluss von der subsidiären gesetzlichen Regelung in § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG abweicht, die in der Sat­zung nicht aufgenommen, in ihr aber auch nicht im Rahmen einer Öffnungs­klausel gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG abbedungen wird, liegt ein sat­zungsdurchbrechender Ausschüttungsbeschluss vor. Die gesetzliche Regelung in § 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG ist dann ein materieller, wenngleich kein formel­ler Satzungsbestandteil (Priester, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ‑‑ZHR‑‑ Bd. 151 (1987), 40; zu inkongruenten Gewinnvertei­lungsbeschlüssen Priester, ZHR Bd. 151 (1987), 40, 42 f.; Birkenmaier/Obser, GmbH-Rundschau ‑‑GmbHR‑‑ 2022, 850, 853; Strecker, Kölner Steuer-Dialog 2022, 22657, 22660 f., Rz 20, 23; Lauer/Weustenfeld, Der Betrieb ‑‑DB‑‑ 2022, 985, 987, jeweils m.w.N.).

bb) Satzungsdurchbrechende Gesellschafterbeschlüsse, die einen vom Rege­lungsinhalt der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand mit Dauerwirkung (und sei es auch nur für einen begrenzten Zeitraum) begründen, sind (selbst im Fall eines einstimmig gefassten Beschlusses) nichtig, wenn bei der Be­schlussfassung nicht alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Sat­zungsänderung (insbesondere die notarielle Beurkundung und Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1, § 54 Abs. 1 GmbHG) eingehalten werden (Urteil des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 07.06.1993 ‑ II ZR 81/92, BGHZ 123, 15, unter 1.b [Rz 12, 13]; Ober­landesgericht ‑‑OLG‑‑ Köln, Beschluss vom 24.08.2018 ‑ I‑4 Wx 4/18, GmbHR 2019, 188, Rz 15 bis 19; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.09.2016 ‑ I‑3 Wx 130/15, GmbHR 2017, 36, Rz 22; s. OLG Dresden, Beschluss vom 09.11.2011 ‑ 12 W 1002/11, GmbHR 2012, 213, Rz 10; vgl. auch OLG Nürnberg, Urteil vom 10.11.1999 ‑ 12 U 813/99, GmbHR 2000, 563, Rz 81, jeweils m.w.N.).

Von satzungsdurchbrechenden Beschlüssen mit Dauerwirkung sind punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse zu unterscheiden, deren Wirkung sich in der betreffenden Maßnahme als Einzelakt erschöpft, sodass die Satzung durch den Beschluss zwar verletzt wird, aber nicht mit Wirkung für die Zukunft ge­ändert werden soll; solche punktuell wirkenden Beschlüsse sind nicht nichtig, aber bei der GmbH entsprechend § 243 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) an­fechtbar (BGH-Urteile in BGHZ 123, 15, unter 1.b [Rz 12, 13]; vom 25.11.2002 ‑ II ZR 69/01, GmbHR 2003, 171, unter I.1.a; OLG Köln, Be­schluss in GmbHR 2019, 188, Rz 13; Lauer/Weustenfeld, DB 2022, 985, 988 f.).

cc) Ob ein satzungsdurchbrechender Beschluss eine von der Satzung abwei­chende Regelungslage mit (ggf. vorübergehender) Dauerwirkung begründet oder sich als punktueller Satzungsverstoß in einer einzelnen Maßnahme er­schöpft, betrifft eine im Einzelfall durch das FG auf der Grundlage der in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Wertungen zu entscheidende Tatsachenfrage. Die Würdigung des FG, dass die von den Gesellschaftern der K‑GmbH gefassten Beschlüsse über die inkongruenten Vorabgewinnausschüt­tungen jeweils nur punktuell satzungsdurchbrechend sind, ist revisionsrecht­lich nicht zu beanstanden und für den Senat daher bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).

aaa) Das FG stellt bei seiner Würdigung maßgeblich darauf ab, dass jeder Be­schlussfassung über eine Vorabausschüttung ein neuer Willensentschluss der Gesellschafter der K‑GmbH zugrunde lag und diese keine neue Satzungsrege­lung zu einer generell von den Beteiligungsverhältnissen abweichenden Ge­winnverteilung treffen wollten. Die Wirkung des jeweiligen Beschlusses habe sich im Abfluss der Ausschüttung an die T‑GmbH erschöpft. Diese Würdigung des FG ist möglich, nachvollziehbar und plausibel.

bbb) Auch der Schutz des Rechtsverkehrs verlangt ‑‑wie vom FG zu Recht ent­schieden‑‑ keine Einordnung der Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse als nichtige satzungsdurchbrechende Beschlüsse mit Dauerwirkung.

Nach dem BGH-Urteil in BGHZ 123, 15 (unter 1.b [Rz 12, 13]) haben Abwei­chungen von der Satzung, wenn sie Dauerwirkung entfalten, nicht nur gesell­schaftsinterne Bedeutung, sondern berühren auch den Rechtsverkehr (Gläubi­ger, Geschäftspartner und etwaige später eintretende Gesellschafter). Da die gesamte Satzungsurkunde zum Handelsregister einzureichen ist, ist die Ein­tragung satzungsdurchbrechender Beschlüsse, die einen von der Satzung ab­weichenden Zustand begründen, geboten, denn die beim Register vorhandene Satzung gibt in einem solchen Fall entgegen dem mit der Registerpublizität verfolgten Zweck den materiellen Satzungsinhalt nicht mehr richtig und voll­ständig wieder (s.a. OLG Köln, Beschluss in GmbHR 2019, 188, Rz 16 bis 19). Der Schutz des Rechtsverkehrs wird vom BGH im Urteil in BGHZ 123, 15 (un­ter 1.b [Rz 12, 13]) als maßgebliches Wertungskriterium für die Differenzie­rung zwischen nichtigen satzungsdurchbrechenden Beschlüssen mit Dauerwir­kung und anfechtbaren satzungsdurchbrechenden Beschlüssen mit punktueller Wirkung benannt.

(1) Eine Vorabausschüttung ist eine gesellschaftsrechtlich zulässige vorweg­genommene Gewinnauszahlung (Gewinnvorschuss), die u.a. als unterjährige (wie im Streitfall) oder nachperiodische Ausschüttung (vor Feststellung des Jahresabschlusses) erfolgen kann (vgl. MüKoGmbHG/Ekkenga, 4. Aufl., § 29 Rz 95) und an den Vorbehalt geknüpft ist, dass nach Ablauf des Wirtschafts­jahres tatsächlich ein entsprechend hoher ausschüttungsfähiger Gewinn vor­handen ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 122, 43, BStBl II 1977, 491, unter 1.; in BFHE 168, 365, BStBl II 1992, 790, unter II.1.c). Vorabgewinnausschüttungen einer GmbH stehen nach ganz herrschender Meinung nicht unter einem Sat­zungsvorbehalt (vgl. Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 29 Rz 45). Da Vorabausschüttungen auch ohne eine Satzungsgrundlage un­ter bestimmten weiteren Voraussetzungen zulässig sind, muss der potenzielle Erwerber eines Geschäftsanteils stets damit rechnen, dass es bei der Gesell­schaft, an der er Anteile erwerben will, solche Ausschüttungen gegeben hat. Es liegt in seinem Interesse und der gebotenen Sorgfalt in eigenen Angelegen­heiten, sich über frühere Vorabgewinnausschüttungen und deren Verteilung zu informieren, um abschätzen zu können, ob es ggf. nicht durchsetzbare Rück­forderungsansprüche der Gesellschaft gegen die Ausschüttungsempfänger ge­ben könnte. Im Streitfall war für jeden potenziellen Anteilserwerber überdies aus § 12 Nr. 2 Buchst. i und § 17 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrags der K‑GmbH ersichtlich, dass die Gesellschafter Vorabgewinnausschüttungen beschließen konnten.

(2) Der Einordnung inkongruenter Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse als nichtige satzungsdurchbrechende Beschlüsse mit Dauerwirkung bedarf es zum Schutz potenzieller Anteilserwerber danach nicht. Hieran ändert auch der Um­stand nichts, dass in den Streitjahren inkongruente Vorabgewinnausschüttun­gen wiederholt beschlossen und vollzogen wurden. Ein nennenswertes Inte­resse des Rechtsverkehrs an einer Offenlegung der inkongruenten Vorabaus­schüttungen im Register ‑‑und der Annahme der Nichtigkeit der Beschlüsse, falls dies nicht geschieht‑‑ sieht der Senat auch unter diesem Gesichtspunkt nicht. Das Handelsregister dient nicht dazu, über die gesellschaftsinterne Wil­lensbildung der Gesellschafter bei früheren Vorabgewinnausschüttungen zu unterrichten (vgl. auch Lauer/Weustenfeld, DB 2022, 985, 991 f.; Pöschke, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2012, 1089, 1092). Auch insoweit ist ein po­tenzieller Anteilserwerber gehalten, sich über die Häufigkeit und Verteilung früherer Vorabgewinnausschüttungen bei der K‑GmbH selbst zu informieren.

(3) Schließlich veranlasst auch der Beschluss des OLG Dresden in GmbHR 2012, 213 nicht dazu, die hier streitigen Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse zum Schutz des Rechtsverkehrs als nichtige satzungsdurchbrechende Be­schlüsse mit Dauerwirkung zu behandeln. Gegenstand der Entscheidung des OLG Dresden war die Frage, ob ein Beschluss, mit dem die Gesellschafterver­sammlung einer GmbH frühere Gewinnverwendungsbeschlüsse bestätigte, mit denen die vorgeschriebene jährliche Rücklagenbildung wiederholt missachtet worden war, zur nachträglichen Legitimation der früheren satzungswidrigen Ausschüttungen in das Register eingetragen werden durfte. Das OLG Dresden hat diesen Bestätigungsbeschluss als satzungsdurchbrechenden Beschluss mit Dauerwirkung eingestuft und dessen Eintragung in das Register zugelassen. Hierzu hat es maßgeblich darauf abgestellt, die unterbliebene satzungsmäßig vorgegebene Rücklagenbildung habe eine Dauerwirkung für die Kapitalausstat­tung der Gesellschaft über das Jahr der jeweiligen Ausschüttung hinaus entfal­tet. Der Rechtsverkehr und potenzielle neue Gesellschafter hätten ‑‑so das OLG Dresden‑‑ das berechtigte Interesse zu erfahren, dass die aus den Bilan­zen ersichtlichen Gewinnrücklagen und damit die Kapitalausstattung der Ge­sellschaft nicht den satzungsmäßigen Vorgaben entsprochen hätten. Diese Würdigung ist nicht sinngemäß auf die hier streitigen inkongruenten Vorab­gewinnausschüttungsbeschlüsse zu übertragen. Der dortige Streitfall betrifft eine gänzlich andere Fallgestaltung als der Streitfall. Die Satzung der K‑GmbH enthielt keine Verpflichtung, eine bestimmte Kapitalausstattung der K‑GmbH zu gewährleisten, und erlaubte Vorabgewinnausschüttungen. Der Rechtsver­kehr durfte daher von vornherein kein schützenswertes Vertrauen in eine be­sondere Kapitalausstattung der K‑GmbH entwickeln, denn Vorabausschüttun­gen beruhen auf einer Gewinnprognose (s. unter II.2.b cc bbb (1)), die sich nachträglich als unzutreffend herausstellen kann. Die Kapitalausstattung einer Gesellschaft wird zudem auch nur über den Abfluss der Vorabausschüttung tangiert, nicht zusätzlich ins Gewicht fällt der Umstand, dass die Vorabgewinn­ausschüttung inkongruent verteilt worden ist (gleicher Ansicht im Ergebnis Lauer/Weustenfeld, DB2022, 985, 991; Birkenmaier/Obser, GmbHR 2022, 850, 851 f.).

dd) Die einstimmig gefassten, jeweils nur punktuell satzungsdurchbrechenden inkongruenten Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse der Streitjahre sind im Ergebnis zivilrechtlich wirksam und bindend. Ob die Beschlüsse für ihre Wirk­samkeit notariell zu beurkunden gewesen wären, aber nicht in das Handelsre­gister hätten eingetragen werden müssen (so wohl BFH-Urteil in BFH/NV 2018, 936, Rz 22; offengelassen von OLG Düsseldorf, Beschluss in GmbHR 2017, 36, Rz 23; Bender/Bracksiek, DStR 2014, 121, 124 f.; wohl auch Pörschke, DB 2017, 1165, 1166), oder ob für die Wirksamkeit der Beschlüsse die notarielle Beurkundung und Eintragung ‑‑neben der erforderlichen Be­schlussmehrheit und Zustimmung der betroffenen Gesellschafter‑‑ entbehrlich waren (Lauer/Weustenfeld, DB 2022, 985, 988; Birkenmaier/Obser, GmbHR 2022, 850, 853; wohl auch Grever, Rheinische Notar-Zeitschrift 2019, 1, 8), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Unabhängig davon, welche formellen Anforderungen an die Wirksamkeit eines solchen Beschlusses gestellt werden, ist ein punktuell satzungsdurchbrechender inkongruenter Ausschüttungsbe­schluss stets nur analog § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar (BGH-Urteil in GmbHR 2003, 171, unter I.1.a; OLG Köln, Beschluss in GmbHR 2019, 188, Rz 13). Haben aber ‑‑wie hier‑‑ sämtliche Gesellschafter der inkongruenten Gewinn­verteilung zugestimmt, kann der Beschluss von keinem der Gesellschafter an­gefochten werden, denn die Zustimmung aller Gesellschafter führt für jeden Gesellschafter zum Verlust der Anfechtungsberechtigung (vgl. MüKoGmbHG/ Harbarth, a.a.O., § 53 Rz 51, m.w.N.; vgl. auch Priester, ZHR Bd 151 (1987), 40, 54 und 57 f.; Lawall, DStR 1996, 1169, 1174, unter 5.1; Priester/Tebben in Scholz, GmbHG, 13. Aufl., § 53 Rz 30a; Bayer in Lutter/Hommelhoff, a.a.O., § 53 Rz 30; Noack in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 53 Rz 46; Pörschke, DB 2017, 1165, 1166; s. zum Ausschluss der Anfechtungsberechti­gung auch § 15 des Gesellschaftsvertrags der K‑GmbH). Die einstimmigen und nicht anfechtbaren Beschlüsse über die inkongruenten Vorabgewinnausschüt­tungen der Streitjahre sind damit jeweils zivilrechtlich wirksam und bindend.

c) Da die Vorabgewinnausschüttungen im Streitjahr auf zivilrechtlich wirksa­men Gesellschafterbeschlüssen beruhen, handelt es sich jeweils um eine offe­ne Ausschüttung von Gewinnanteilen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG (s. unter II.2.a). Der Kläger hat jedoch keinen Gewinnanteil zu versteuern, denn er hat den Einkünfteerzielungstatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG jeweils nicht verwirklicht, da zivilrechtlich wirksam beschlossen wurde, an ihn keinen Gewinn auszuschütten (vgl. auch BFH-Urteil vom 28.09.2021 ‑ VIII R 25/19, BFHE 274, 457, Rz 15, 17, zur inkongruenten Gewinnverwen­dung). Offen ausgeschüttete Gewinne sind stets ‑‑nur‑‑ bei demjenigen An­teilseigner der Besteuerung zu unterwerfen, dem sie in dieser Eigenschaft als Anteilseigner zufließen (BFH-Urteil vom 19.08.1999 ‑ I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43, unter II.3. [Rz 41]).

d) Der Senat sieht auch keine Veranlassung, dem Kläger auf der Grundlage der vom BMF geforderten Fremdüblichkeitsprüfung aus den inkongruenten Vorabausschüttungen an die T‑GmbH Einkünfte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG zuzurechnen. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG verlangt für die Ein­künfteerzielung tatbestandlich nur den Bezug von Gewinnanteilen durch den Gesellschafter (hier: nur bei der T‑GmbH), enthält aber keinen Vorbehalt, dass der Bezug fremdüblich oder angemessen sein muss. Eine allgemeine steuer­liche Angemessenheitskontrolle zivilrechtlich wirksam beschlossener inkon­gruenter Gewinnausschüttungen ist ebenfalls abzulehnen (s. Schön, Fünfte Gedächtnisvorlesung für Max Hachenburg (2002), S. 17, 50 f., 53 ff., mit weiteren Argumenten); anderer Ansicht BMF-Schreiben vom 17.12.2013 ‑ IV C 2‑S 2750‑a/11/10001, BStBl I 2014, 63).

3. Entgegen der Auffassung des FA und des BMF hat der Kläger auch keine Einkünfte aus vGA gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erzielt.

a) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapi­talvermögen als sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH auch vGA. Eine vGA im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Sie kann auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter verwirklicht werden, wenn der Vorteil ihm durch das Gesellschaftsverhältnis mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Ver­mögensverlagerung Nutzen zieht. Das "Nahestehen" kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein. Neben dem Vorliegen eines "Näheverhältnisses" zwischen Gesellschafter und Vorteilsempfänger setzt eine vGA ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschaf­ter voraus, dass die Vorteilszuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis der vorteilsgewährenden Gesellschaft zum Gesellschafter hat. Unerheblich ist, ob der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an der Zuwendung hat (vgl. BFH-Urteil vom 14.02.2022 ‑ VIII R 29/18, BFHE 276, 49, BStBl II 2022, 544, Rz 12, 19, 21, zur Verlagerung von Gewinnanteilen auf eine Schwestergesellschaft im Wege des Nießbrauchs).

b) Die inkongruenten Vorabausschüttungen an die vom Kläger beherrschte T‑GmbH wurden zivilrechtlich wirksam beschlossen. Es handelt sich um offene Ausschüttungen, die auf dem Gesellschaftsverhältnis der T‑GmbH zur K‑GmbH und nicht auf dem Gesellschaftsverhältnis des Klägers zur K‑GmbH beruhen (s. unter II.2.c). Dies schließt die Beurteilung der Ausschüttungen als vGA der K‑GmbH an den Kläger aus.

4. Das FG hat ferner zu Recht entschieden, dass die Vorabausschüttungen nur an die T‑GmbH keinen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten ge­mäß § 42 AO darstellen und nicht zu einer Zurechnung der hälftigen Ausschüt­tungsbeträge als Einkünfte beim Kläger führen können.

a) Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann das Steuergesetz durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Beim Vor­liegen eines Missbrauchs i.S. des § 42 Abs. 2 AO entsteht der Steueranspruch gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 AO anderenfalls so, wie er bei einer den wirtschaft­lichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Ein Miss­brauch liegt gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 AO nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

b) Das FG zieht für die Prüfung eines Gestaltungsmissbrauchs gemäß § 42 AO im Streitfall, der zivilrechtlich wirksame punktuell satzungsdurchbrechende inkongruente Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse zum Gegenstand hat, zu Recht dieselben Kriterien wie in Fallgestaltungen heran, in denen inkongruente Ausschüttungen aufgrund einer abweichenden Gewinnverteilungsregel oder Öffnungsklausel satzungsgemäß zivilrechtlich wirksam beschlossen werden. Es ist kein Grund ersichtlich, zwischen diesen jeweils zivilrechtlich wirksamen Ausschüttungsbeschlüssen im Rahmen des § 42 AO zu unterscheiden (zu­stimmend Lauer/Weustenfeld, DB 2022, 985, 992).

c) Das FG hat das Vorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs nach diesem zu­treffenden Maßstab mit nicht zu beanstandenden Erwägungen verneint.

aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH sind inkongruente Gewinn­verteilungen steuerrechtlich grundsätzlich anzuerkennen, wenn sie auf einem zivilrechtlich wirksam zustande gekommenen Ausschüttungsbeschluss beruhen (vgl. u.a. BFH-Urteile in BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43, unter II.1.b aa aaa [Rz 28]; vom 28.06.2006 ‑ I R 97/05, BFHE 214, 276; vom 04.12.2014 ‑ IV R 28/11, BFH/NV 2015, 495, Rz 22, 23, zur inkongruenten Gewinnvertei­lung im Vorfeld einer Anteilsveräußerung; in BFH/NV 2018, 936, Rz 17, 18, zu einem Vorabgewinnverteilungsbeschluss anlässlich einer Anteilsveräußerung; BFH-Beschlüsse vom 27.05.2010 ‑ VIII B 146/08, BFH/NV 2010, 1865; vom 04.05.2012 ‑ VIII B 174/11, BFH/NV 2012, 1330; zur inkongruenten (gespal­tenen) Gewinnverwendung s. BFH-Urteil in BFHE 274, 457, Rz 15; vgl. ferner FG Münster, Urteil vom 30.06.2021 ‑ 13 K 272/19 G,F, EFG 2021, 1615, Rz 47 ff., m.w.N.). Nahezu jede Gewinnausschüttung, die verdeckt erfolgt, stellt zugleich eine inkongruente Ausschüttung an den empfangenden Gesell­schafter dar und wird der Besteuerung zugrunde gelegt. Es gibt keinen Grund, offene inkongruente Gewinnausschüttungen, die mit dem Gesellschaftsrecht im Einklang stehen, hiervon steuerlich abweichend zu behandeln (BFH-Urteil in BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43, unter II.1.b aa aaa [Rz 28]).

bb) Ferner ist bei der Prüfung des Eintritts eines steuerlichen Vorteils i.S. des § 42 Abs. 2 Satz 1 AO nur auf den Steueranspruch aus dem konkreten Steuer­schuldverhältnis abzustellen (BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 495, Rz 23), d.h. hier auf die einkommensteuerlichen Steueransprüche für die Streitjahre. Die Würdigung des FG, durch die Verlagerung des Ausschüttungspotenzials auf die T‑GmbH sei dem Kläger kein steuerlicher Vorteil entstanden, weil er davon ausgehen musste, bei einer späteren Ausschüttung der T‑GmbH an ihn den­selben Besteuerungsregeln zu unterliegen und eine einkommensteuerliche Be­steuerung infolgedessen nur einstweilen aufgeschoben zu haben, ist nicht zu beanstanden. Ebenso zutreffend hat das FG es abgelehnt, schenkungsteuerli­che Gestaltungsmöglichkeiten des Klägers in die Betrachtung einzubeziehen, da es insoweit um (vermeintliche) steuerliche Vorteile des Klägers außerhalb der hier zu beurteilenden Einkommensteueransprüche geht. Ob die Ausschüt­tungen an die T‑GmbH der Verminderung der Haftungsmasse der K‑GmbH dienten und darin ein beachtlicher außersteuerlicher Grund (§ 42 Abs. 2 Satz 2 AO) liegen könnte, bedarf in Ermangelung eines steuerlichen Vorteils des Klä­gers keiner weiteren Prüfung.

5. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO). Ein Einverständnis des beige­tretenen BMF ist nicht erforderlich (BFH-Urteile vom 11.11.2010 ‑ VI R 16/09, BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966, Rz 16 f.; vom 20.03.2019 ‑ II R 62/15, BFH/NV 2019, 674, Rz 28).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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