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BFH: Erbschaftsteuerfestsetzung gegen unbekannte Erben

  1. Die Festsetzung von Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben ist zulässig, wenn hinreichend Zeit zur Verfügung stand, die Erben zu ermitteln.
  2. Für eine Erbenermittlung, die keine besonderen Schwierigkeiten aufweist, ist ein Zeitraum von einem Jahr ab dem Erbfall in der Regel angemessen. Jedenfalls nach Ablauf von drei Jahren und fünf Monaten ist es auch bei besonders schwierigen Erbenermittlungen nicht zu beanstanden, Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben festzusetzen.
  3. Der Bescheid ist dem Nachlasspfleger bekanntzugeben.

BGB § 1960 Abs. 1 Satz 2
AO § 119 Abs. 1, § 162 Abs. 1
ErbStG § 20 Abs. 1 Satz 1, § 31 Abs. 6, § 32 Abs. 2

BFH-Urteil vom 17.6.2020, II R 40/17 (veröffentlicht am 15.10.2020)

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 9.8.2017, 4 K 442/16 Erb (EFG 2017 S. 1525 = SIS 17 17 85)

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind die Erben des am 27.02.2014 verstorbenen Erblassers.

Die Erbengemeinschaft war zunächst nicht ermittelbar. Daher wurde am 05.06.2014 ein Nachlasspfleger bestellt. Nachdem dieser eine Erbschaftsteuererklärung beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) abgegeben hatte, setzte das FA mit Bescheid vom 27.04.2015 gegenüber den "unbekannten Erben" des Erblassers Erbschaftsteuer in Höhe von 330.810 € fest. Der Bescheid war mit einem Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Anzahl der Erben, der Höhe der jeweiligen Erbteile, der Höhe der persönlichen Freibeträge und der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bestimmung der Steuerklasse versehen. In der Anlage führte das FA aus, die Festsetzung erfolge, weil die Erbenermittlung noch immer nicht abgeschlossen sei. Im Wege der Schätzung sei angenommen worden, dass 20 Personen der Steuerklasse III den Erblasser zu gleichen Teilen beerbt haben. Der Bescheid wurde dem Nachlasspfleger bekanntgegeben.

Dieser legte in Vertretung der unbekannten Erben Einspruch ein. Er machte geltend, eine Steuerfestsetzung gegen unbekannte Erben sei nicht möglich. Sie verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot. Auch sei die Anzahl der Erben und damit die Zahl der Steuerschuldverhältnisse keiner Schätzung zugänglich. Dies gelte gleichermaßen für die Größe der Erbteile und die Höhe der Freibeträge. Das FA habe ihm nicht ausreichend Zeit eingeräumt, die Erben zu ermitteln. Es sei auch zu Unrecht von 20 anstatt 30 Erben ausgegangen.

Mit Änderungsbescheid vom 24.09.2015 setzte das FA die Erbschaftsteuer auf 265.500 € herab. Dabei ging es von 30 Erben der Steuerklasse III mit gleicher Erbquote aus. Die Vorläufigkeit blieb bestehen. Den Einspruch wies es im Übrigen mit Einspruchsentscheidung vom 14.01.2016 als unbegründet zurück. Mit der Rechtsfigur der unbekannten Erben (vgl. § 1960 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) sei ein Steuerschuldner vorhanden, der Beteiligter eines Steuerschuldverhältnisses sein könne. Hiervon gingen § 31 Abs. 6 und § 32 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) aus, die den Nachlasspfleger (nur) als Erklärungspflichtigen und Bekanntgabeadressaten des Erbschaftsteuerbescheids ansähen. Die Zahl der Erben, die Größe der Erbteile, die Höhe der Freibeträge und die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bestimmung der Steuerklassen könnten als Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden. Die Festsetzung sei auch nicht vorschnell erfolgt. Eine Zeitspanne von 14 Monaten zwischen dem Tod des Erblassers und dem Erlass des Steuerbescheids sei unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten der Erbenermittlung angemessen. Bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung seien fast zwei Jahre seit dem Erbfall vergangen, die Erben aber nicht ermittelt.

Das Finanzgericht (FG) folgte dem FA und wies die Klage mit Urteil vom 09.08.2017 ab. Es führte ergänzend aus, bei der Beantwortung der Frage, ob der Steuerbescheid zu früh erlassen wurde, sei auf den Tag der finanzgerichtlichen Entscheidung abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt, mehr als drei Jahre nach dem Tod des Erblassers und der Bestellung des Nachlasspflegers, sei die Erbenermittlung noch nicht abgeschlossen gewesen. Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das FA sei nicht zu beanstanden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 1525 veröffentlicht.

Die Revision legte die Rechtsanwaltssozietät des Nachlasspflegers als Prozessbevollmächtigte der unbekannten Erben am 29.08.2017 ein. Mit Beschluss des zuständigen Amtsgerichts vom 21.12.2017, berichtigt am 02.02.2018, wurde den Klägern ein Erbschein erteilt. Die Nachlasspflegschaft wurde am 16.02.2018 aufgehoben. Am 11.01.2020 teilte der vormalige Nachlasspfleger mit, seine Rechtsanwaltssozietät existiere nicht mehr; er vertrete die Kläger fortan allein.

Mit der Revision machen die Kläger eine Verletzung des § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG und der §§ 119 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) geltend.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Vorentscheidung, den Erbschaftsteuerbescheid vom 27.04.2015, den Änderungsbescheid vom 24.09.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 14.01.2016 aufzuheben.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Der Senat ist durch die Aufhebung der Nachlasspflegschaft (§§ 1919, 1962 BGB) während des Revisionsverfahrens nicht an einer Entscheidung über die Revision gehindert. Die anstelle der unbekannten Erben i.S. des § 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB in das Verfahren eingetretenen Erben des Erblassers sowie die Kinder einer bereits verstorbenen Erbin führen das Verfahren als Kläger ohne Unterbrechung oder Aussetzung fort.

1. Die Voraussetzungen für eine Unterbrechung wegen Prozessunfähigkeit nach § 155 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 241 Abs. 1 Alternative 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) liegen nicht vor. Mit der Aufhebung der Nachlasspflegschaft endete nicht nur die gesetzliche Vertretung der Kläger durch den Nachlasspfleger (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.03.1982 - VIII R 227/80, BFHE 135, 406, BStBl II 1982, 687), sondern auch die Prozessunfähigkeit der Kläger gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 53 ZPO (vgl. Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 17.08.1990 - BReg 1a Z 36/89, Zeitschrift für das Gesamte Familienrecht 1991, 230, unter II.1.c; MüKoBGB/Leipold, 8. Aufl., § 1960 Rz 107; Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Aufl., § 1960 Rz 17; Soergel-Stein, BGB, 12. Aufl., § 1960 Rz 58; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 5. Aufl., Rz 875; Zimmermann, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2011, 631, 635).

2. Die Voraussetzungen für eine Unterbrechung wegen Anwaltsverlusts sind nicht erfüllt. Nach den §§ 62 Abs. 4, 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 244 Abs. 1 Alternative 2 ZPO tritt eine Unterbrechung des Verfahrens vor dem BFH ein, wenn der Prozessbevollmächtigte unfähig wird, die Vertretung des Beteiligten fortzuführen. Die Aufhebung der Nachlasspflegschaft hat im Streitfall aber nicht zum Wegfall des Prozessbevollmächtigten geführt. Der Nachlasspfleger hatte die anwaltliche Vertretung der Kläger im Revisionsverfahren nicht --ähnlich dem § 62 Abs. 4 Satz 5 FGO-- selbst übernommen, sondern seine Rechtsanwaltssozietät bevollmächtigt. Diese konnte die Vertretung aufgrund der erteilten Vollmacht fortsetzen. Die Auflösung der Sozietät mit der Folge, dass der vormalige Nachlasspfleger die Kläger als Einzelanwalt vertritt, ist erst nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft erfolgt. Der ehemalige Nachlasspfleger hat die Auflösung der Sozietät dem BFH mit Schreiben vom 11.01.2020 ordnungsgemäß mitgeteilt und gleichzeitig angezeigt, dass nunmehr er allein zur Prozessvertretung der Kläger bevollmächtigt sei.

3. Es kann dahinstehen, ob im Falle der Aufhebung einer Nachlasspflegschaft die entsprechende Anwendung des § 239 ZPO (Ziegltrum, Sicherungs- und Prozesspflegschaft, S. 231 f.), des § 243 ZPO (BeckOGKBGB/Heinemann, § 1960 Rz 165) oder ggf. des § 242 ZPO (Staudinger/Mešina (2017), BGB, § 1960 Rz 60) geboten ist. Im Streitfall wurde das Verfahren nicht unterbrochen, da die Kläger durch einen Bevollmächtigten (vgl. § 86 ZPO) vertreten sind und weder dieser noch das FA eine Aussetzung des Verfahrens beantragt hat (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 246 Abs. 1 ZPO).

III.

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von dem FA gegenüber den unbekannten Erben vorgenommene Festsetzung von Erbschaftsteuer im Wege einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nicht zu beanstanden ist.

1. Eine Festsetzung von Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben ist zulässig. Der Änderungsbescheid vom 24.09.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.01.2016 verstößt nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des § 119 Abs. 1 AO.

a) Ein Verwaltungsakt muss gemäß § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Er ist nichtig und damit nach § 124 Abs. 3 AO unwirksam, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO). Ein solcher Mangel liegt vor, wenn dem Verwaltungsakt nicht hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird. Konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsakts ist daher die Angabe des Inhaltsadressaten, d.h. desjenigen, demgegenüber der Einzelfall geregelt werden soll (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 25.07.2019 - IV R 61/16, BFHE 265, 285, Rz 25, m.w.N.).

b) Bei einem Erbschaftsteuerbescheid ist Inhaltsadressat der Steuerschuldner. Schuldner der Erbschaftsteuer ist gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 ErbStG der Erwerber. Beim Erwerber handelt es sich um die Person, die durch den Erbanfall bereichert wurde (vgl. BFH-Urteil vom 14.09.1994 - II R 95/92, BFHE 176, 44, BStBl II 1995, 81). Dies ist in der Regel der Erbe (vgl. § 1922 Abs. 1 BGB).

c) Sind die Erben noch nicht bekannt und besteht eine Nachlasspflegschaft (§ 1960 Abs. 2, § 1961, § 1962 BGB), kann Erbschaftsteuer gegen die unbekannten Erben festgesetzt werden. Mit der Rechtsfigur der unbekannten Erben i.S. des § 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB ist als zunächst abstraktes Subjekt, das sich später als eine Person oder --wenn der Nachlasspfleger nicht von vornherein als Pfleger für eine Einzelperson bestellt worden ist-- als eine Mehrheit konkreter Personen erweisen kann, ein Steuerschuldner vorhanden, der Beteiligter eines Steuerschuldverhältnisses sein kann (BFH-Beschluss vom 21.12.2004 - II B 110/04, BFH/NV 2005, 704).

aa) Diese Vorstellung liegt den Regelungen in § 31 Abs. 6 und § 32 Abs. 2 ErbStG zugrunde. Gemäß § 31 Abs. 6 ErbStG ist ein Nachlasspfleger zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung verpflichtet. Nach § 32 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ist der Erbschaftsteuerbescheid dem Nachlasspfleger bekanntzugeben. Jener hat auch für die Bezahlung der Erbschaftsteuer zu sorgen (§ 32 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Diese Bestimmungen erfassen nicht nur Sachverhalte, bei denen die Erben bereits bekannt sind, die Nachlasspflegschaft aber noch nicht aufgehoben worden ist (dazu BFH-Urteil in BFHE 135, 406, BStBl II 1982, 687), oder Fälle, in denen die Annahme der Erbschaft noch nicht erfolgt oder ungewiss ist. Der Gesetzgeber wollte vielmehr Regelungen für den gesamten Anwendungsbereich der Nachlasspflegschaft und damit auch für die bedeutende Fallgruppe der unbekannten Erben treffen. Nach seiner Vorstellung sollte die Festsetzung von Erbschaftsteuer während der Nachlasspflegschaft daher auch gegenüber unbekannten Erben als Inhaltsadressaten möglich sein (vgl. Entwurf eines Zweiten Steuerreformgesetzes, BTDrucks VI/3418, S. 76, zu § 30 ErbStG a.F.; vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 704, unter II.2.a, m.w.N.).

bb) § 32 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 ErbStG erfordert keine andere Auslegung. Danach hat der Nachlasspfleger auf Verlangen der Finanzbehörde aus dem Nachlass Sicherheit zu leisten. Die Vorschrift wird entgegen der Ansicht der Kläger nicht dadurch obsolet, dass Erbschaftsteuer gegen unbekannte Erben festgesetzt werden kann. Solange die Steuer nicht vollständig entrichtet ist, können vielerlei Gründe vorliegen, vom Nachlasspfleger Sicherheiten (§§ 241 ff. AO) zu fordern. Fehlen etwa liquide Mittel zur Steuerzahlung oder ist zu befürchten, dass Nachlassgegenstände an vorhandene Erben herausgegeben werden, kann die Finanzbehörde von dieser Befugnis Gebrauch machen. Einer Steuerfestsetzung steht die Möglichkeit, nach § 32 Abs. 1 Satz 3 ErbStG Sicherheiten zu verlangen, nicht entgegen.

cc) Der Erlass nur eines Bescheids gegen eine Mehrzahl unbekannter Erben missachtet nicht den Grundsatz, dass jeder Erwerber lediglich die Steuer für seinen eigenen Erwerb schuldet (§ 10 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Dieses Prinzip hat zur Folge, dass jedem Erwerber ein gesonderter Steuerbescheid (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO) zu erteilen ist (vgl. BFH-Urteil vom 27.03.1968 - II 98/62, BFHE 91, 434, BStBl II 1968, 376, unter IV.3.a). Dem widerspricht die Steuerfestsetzung gegen mehrere unbekannte Erben nicht. Bei der Rechtsfigur der unbekannten Erben handelt es sich nicht um eine Erbengemeinschaft, d.h. eine Mehrheit von Steuerschuldnern, sondern um ein abstraktes Subjekt, dem der Gesetzgeber die Qualität eines Steuerschuldners beigemessen hat (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 704, unter II.2.b). Der Erlass nur eines Bescheids gegen dieses Subjekt ist folgerichtig.

dd) Fragen der Steuererhebung und -vollstreckung sowie der Verwirkung von Säumniszuschlägen lassen sich entgegen dem Einwand der Kläger ohne Systemverstoß beantworten. Als gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben hat der Nachlasspfleger deren steuerliche Pflichten zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 AO). Er hat die festgesetzte Erbschaftsteuer aus dem Nachlass zu entrichten (§ 32 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 ErbStG, § 34 Abs. 1 Satz 2 AO) und die Vollstreckung in diesen zu dulden (§ 77 Abs. 1 AO). Ein Duldungsbescheid ergeht gegen den Nachlasspfleger, nicht gegen die unbekannten Erben. Ist aus dem Nachlass zu Unrecht Erbschaftsteuer bezahlt worden, sind die unbekannten Erben Inhaber des Erstattungsanspruchs. Verfügungsberechtigt und daher empfangszuständig für die Erstattung ist der Nachlasspfleger (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.1986 - II R 38/84, BFHE 146, 519, BStBl II 1986, 704, zum Testamentsvollstrecker). Säumniszuschläge (§ 240 AO) schulden primär die unbekannten Erben. Der Nachlasspfleger kommt insoweit nur als Haftungsschuldner in Frage (§ 69 Satz 2 AO).

2. Sind die Erben noch nicht ermittelt und benannt, sind die Besteuerungsgrundlagen für die Festsetzung der Erbschaftsteuer gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO zu schätzen.

a) Zu den zu schätzenden Besteuerungsgrundlagen gehören die Anzahl der Erben und die Größe der Erbteile, d.h. die jeweilige Erbquote. Auch bei den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Einteilung der Erben in Steuerklassen (§ 15 ErbStG) und für die Bestimmung der persönlichen Freibeträge (§§ 16, 17 ErbStG) handelt es sich um Besteuerungsgrundlagen, die einer Schätzung zugänglich sind (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 704).

b) Eine Befugnis zur Schätzung besteht erst, wenn der Nachlasspfleger ausreichend Zeit hatte, seine Pflicht zur Erbenermittlung und seine Mitwirkungspflichten aus § 34 Abs. 1 i.V.m. § 90 AO zu erfüllen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 704). Welcher Zeitraum hierfür angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Beispielsweise sind Verzögerungen bei der Bestellung des Nachlasspflegers in die Beurteilung einzubeziehen. In der Regel ist ein Zeitraum von einem Jahr ab dem Erbfall für eine Erbenermittlung, die keine besonderen Schwierigkeiten aufweist, angemessen (gleicher Ansicht Jochum in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 32 ErbStG Rz 15, Stand 01.11.2018). Besondere Schwierigkeiten bei der Erbenermittlung, wie genealogische Recherchen im Ausland oder fehlende Urkunden bei Sachverhalten der Auswanderung, des Krieges, der Flucht oder der Vertreibung, können in dem zu beurteilenden Einzelfall den Zeitraum angemessen verlängern.

c) Die Schätzungsbefugnis steht im Verwaltungsverfahren der Finanzbehörde zu. Sie hat das Recht zur Schätzung sowohl im Ermittlungs- und Festsetzungsverfahren (§ 162 Abs. 1 AO) als auch im Einspruchsverfahren (§ 365 Abs. 1 i.V.m. § 162 Abs. 1 AO). Zu berücksichtigen sind alle Tatsachen, die bis zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung der Finanzbehörde bekannt werden. Ist bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung mehr als ein Jahr seit dem Tod des Erblassers vergangen und konnten die Erben in diesem Zeitraum nicht ermittelt und der Finanzbehörde bekanntgegeben werden, hat diese in der Regel die Befugnis, die Besteuerungsgrundlagen --wie unter III.2.a angeführt-- zu schätzen.

Die Schätzung der Finanzbehörde ist im Klageverfahren durch das FG vollumfänglich nachprüfbar (vgl. BFH-Urteile vom 17.10.2001 - I R 103/00, BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171, unter III.2.b, und vom 19.09.2018 - II R 20/15, BFH/NV 2019, 193, Rz 24). Das FG hat überdies eine eigene Schätzungsbefugnis nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 AO. Seiner Verpflichtung kommt das Gericht bereits nach, wenn es die Schätzung der Finanzbehörde überprüft und als eigene übernimmt. Insoweit macht das FG von seiner eigenen Schätzungsbefugnis Gebrauch (vgl. BFH-Beschluss vom 12.10.2005 - VIII B 241/04, BFH/NV 2006, 326). Die Pflicht zur vollumfänglichen Prüfung der von der Finanzbehörde vorgenommenen Schätzung durch das FG führt dazu, dass die Schätzung der Finanzbehörde noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zutreffend sein muss oder anderenfalls zu ändern ist (Oellerich in Gosch, AO § 162 Rz 72; Seer in Tipke/Kruse, § 96 FGO Rz 60). Das FG muss klären, ob dem Grunde nach weiterhin eine Schätzung geboten ist und in welcher Höhe die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen sind (Oellerich in Gosch, AO § 162 Rz 72). Werden die --zunächst unbekannten-- Erben bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG ermittelt, ist eine Schätzungsbefugnis nicht mehr gegeben.

d) Hat das FG die Schätzung der Finanzbehörde nach vollumfänglicher Prüfung übernommen und insoweit eine eigene Schätzung vorgenommen (vgl. unter III.2.c), ist diese Schätzung Gegenstand des Revisionsverfahrens. Sie gehört zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, an die der BFH gebunden ist. Er kann sie daher nur darauf überprüfen, ob sie zulässig war, ob sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und ob das FG anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet hat, d.h., ob das Ergebnis der Schätzung schlüssig und plausibel ist (vgl. BFH-Urteile vom 09.11.2017 - III R 20/16, BFHE 260, 113, BStBl II 2018, 278, Rz 19, und vom 13.12.2018 - V R 65/16, BFH/NV 2019, 303, Rz 31, beide m.w.N.).

3. Nach diesen Maßgaben ist die Entscheidung des FG nicht zu beanstanden. Das FG hat nicht selbst geschätzt, sondern sich die Schätzung des FA in dem Änderungsbescheid vom 24.09.2015 ohne Rechtsfehler zu eigen gemacht.

a) Wie durch das FG ausgeführt, war das FA zur Schätzung der Zahl der Erben, der Erbquoten und des persönlichen Verhältnisses des jeweiligen Erben zum Erblasser nach § 15 Abs. 1 sowie § 16 Abs. 1 ErbStG befugt, da es diese Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln konnte (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Schätzungsbefugnis lag noch am Tag der mündlichen Verhandlung und Entscheidung des FG, an dem die Erben nach wie vor nicht bekannt waren, vor. Die Schätzung erfolgte aus der Sicht des FG auch nicht verfrüht. Die mündliche Verhandlung vor dem FG, auf deren Grundlage das Gericht entschieden hat, fand ca. drei Jahre und fünf Monate nach dem Tod des Erblassers statt. Nach Ablauf dieser Zeit ist es auch bei besonders schwierigen Erbenermittlungen angemessen, Erbschaftsteuer ohne Kenntnis der Erben festzusetzen. Deren Interessen werden --wie im Streitfall-- durch die Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks hinsichtlich der Zahl der Erben, deren Erbquoten und der tatbestandlichen Voraussetzungen für deren Einteilung in Steuerklassen sowie für die Bestimmung persönlicher Freibeträge in den Bescheid (§ 165 Abs. 1 Satz 1 AO) gewahrt.

b) Die mit 30 geschätzte Zahl der Erben entspricht der Erklärung des Nachlasspflegers. Die Annahme, keiner der Erben werde die Erbschaft ausschlagen, ist nachvollziehbar, da der Erblasser umfangreiches Vermögen hinterlassen hat. Die Einordnung der Erben in die Steuerklasse III nach deren persönlichem Verhältnis zum Erblasser (§ 15 Abs. 1 Steuerklasse III ErbStG) begegnet keinen Bedenken; sie wurde auch nicht mit der Revision angegriffen. Die weiteren Annahmen sind nachvollziehbar und wirken sich im Ergebnis sämtlich steuermindernd aus. Das betrifft insbesondere die Annahme gleicher Erbquoten. Die in dieser Vereinfachung liegende Ungenauigkeit ist hinzunehmen, weil sie notwendig mit einer Schätzung, die in Unkenntnis der Erben erfolgt, verbunden ist. Dem Einwand der Kläger, das FA habe nicht davon ausgehen dürfen, der Erwerb jedes Erben übersteige den für Personen der Steuerklasse III vorgesehenen Freibetrag, hat das FG zu Recht entgegengehalten, dass sich diese Schätzung zugunsten der unbekannten Erben auswirkt. Sie hat zur Folge, dass ein größtmöglicher Teil des Gesamterwerbs gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG steuerfrei bleibt. Entsprechendes gilt für die angesichts des Umfangs des Nachlasses naheliegende Annahme, keiner der Erben werde die Erbschaft ausschlagen. Der insgesamt zu gewährende Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG steigt mit der Anzahl der Erben. Auf die Steuerlast des einzelnen Erben kommt es insoweit nicht an, denn die Festsetzung richtet sich nicht gegen diesen, sondern gegen die Rechtsfigur der unbekannten Erben als abstraktes Steuersubjekt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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